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Psychologie ist jetzt das Um und Auf

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Seit dem Spätherbst 1975 zeichnet sich eine sehr leichte Belebung der österreichischen Konjunktur ab. Das Wirtschaftsforschungsinstitut verbreitete damals die Hoffnung, daß die österreichische Wirtschaft 1976 um etwa 1 Prozent wachsen werde. Dieser Tage wurde diese Prognose vom Wirtschaftsforschungsinstitut nach oben revidiert: auf 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum, wenn sich die Hoffnungen auf eine stärkere Belebung — vor -allem der Exporte — erfüllen.

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Seit dem Spätherbst 1975 zeichnet sich eine sehr leichte Belebung der österreichischen Konjunktur ab. Das Wirtschaftsforschungsinstitut verbreitete damals die Hoffnung, daß die österreichische Wirtschaft 1976 um etwa 1 Prozent wachsen werde. Dieser Tage wurde diese Prognose vom Wirtschaftsforschungsinstitut nach oben revidiert: auf 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum, wenn sich die Hoffnungen auf eine stärkere Belebung — vor -allem der Exporte — erfüllen.

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Anzumerken ist, daß zum ersten Mal nach drei Jahren eine Prognose wieder nach oben revidiert wurde. In den letzten Jahren wurde es zur Gewohnheit, daß das Wirtschaftsforschungsinstitut zumindest alle vier Monate die von ihm ausgegebenen Prognosewerte nach unten korrigiert hat. Im Herbst 1974 wurde beispielsweise die Parole von einem 4)5prozentigen Wachstum im Jahre 1975 ausgegeben, dann wurde alle zwei Monate ein Prozent weggenommen; übrig geblieben sind dann minus 2,5 Prozent. Eine Differenz von 7 Prozent ist selbst in der unsicheren Branche der Wirtschaftsprognosen äußerst ungewöhnlich. Möglicherweise war damals Politik, sicherlich aber viel Psychologie mit im Spiel, daß die Hoffnungen gar so hoch angesetzt wurden.

Psychologie ist auch diesmal wieder im Spiel: noch herrscht in zahlreichen Branchen und Regionen Arbeitslosigkeit von mehr als 5 Prozent, noch fehlt es an Aufträgen und an einer entsprechenden Kapazitätsauslastung, noch stocken die Exporte und noch zögern die Unternehmen, Investitionen vorzunehmen. Vielleicht gibt diese optimistische Wirtschaftsprognose den letzten Anstoß, zu riskieren. Denn dieses Risiko ist eines der wichtigsten Elemente einer dynamischen Marktwirtschaft.

Deshalb sind auch mancherlei Einschränkungen angebracht: in sehr vielen Industrieländern kann erst von einer sehr zögernden Erholung die Rede sein, der Druck auf eine DM-Aufwertung (und damit nach den Spielregeln des Finanzministeriums auch auf eine Schilling-Aufwertung) hält unvermindert an, die Devisenmärkte sind noch immer von Unruhe gezeichnet, eine Reihe von Ländern — Großbritannien, Italien, aber auch Prankreich — kämpfen mit Zahlungsschwierigkeiten, in den meisten westlichen Industriestaaten herrscht in den öffentlichen Kassen totale Pleite.

Dennoch: Optimismus scheint an-

gebracht, auch wenn das die Unternehmer noch nicht ganz wahrhaben wollen.. Die Konsumenten scheinen davon jedenfalls stärker erfaßt zu sein, was auch in der unterschiedlichen Nachfrage nach Investitionsund Konsumkrediten zum Ausdruck kommt.

Doch das mag sich bald ändern: eine Umfrage in der Zeitschrift der „Unternehmer“ ergab, daß die Zahl der über die unzureichende Rentabilität klagenden Unternehmer ein wenig zurückgegangen ist, daß sich die Nachfrage leicht belebt hat und daß wieder mehr Aufträge hereinkommen. Klagten vor einem Jahr 45 Prozent der Unternehmer über unzureichende Kapazitätsauslastung, so liegt dieser Anteil dagegen im März 1976 bereits bei 52 Prozent. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die leicht steigende Auftragslage noch ohne weiteres mit den freien Kapazitäten zu decken sind. Vorläufig werden deshalb nur die nötigsten Ersatzinvestitionen vorgenommen. Denkbar wäre deshalb schon in nächster Zeit eine lebhaftere Investitionstätigkeit, weil das der Ersatz der verbrauchten und veralteten Maschinen notwendig macht. Damit ist noch nicht zwangsläufig eine Kapazitätserweiterung verbunden.

Sorgenpunkt Nummer eins der Wirtschaft ist die Höhe der Inflationsrate, die mit 7,5 Prozent einen sehr hohen Sockel für einen neuen Aufschwung darstellt. Das Inflationsniveau ist im übrigen durch die noch nicht indexwirksamen, doch geplanten zusätzlichen Belastungen noch immer im Steigen begriffen. Wahrscheinlich wird die Bundesregierung an die Vornahme leicht in-flationsdämpfender Maßnahmen denken müssen, noch ehe die Konjunktur richtig angelaufen ist. Daraus könnte, befürchten die Experten, eine relativ kurze Konjunkturbelebung resultieren: ein „Zwischenhoch“, dessen Vorboten eingetroffen sind und nun verkünden müssen, daß mit keinem sehr starken Gefolge zu rechnen sei.

Vom Bürgermeister Lueger aus der guten alten Zeit stammt der Grundsatz, daß eine Gemeindeverwaltung nur dort eigene Unternehmen besitzen soll, wo soziale Tarife einen öffentlichen Charakter rechtfertigen.

Diese „goldene Regel“ hat die Wiener Gemeindeverwaltung seit Jahrzehnten nicht beachtet. Jetzt erst, da ihr in Bauring-Angelegenheiten das Wasser bis zum Halse steht, verkauft sie das kommunale Bauunternehmen an private Interessenten —■ und mit Recht kritisieren alte Sozialisten in Wien diesen Ausverkauf als Bankrott der Idee der Gemeinwirtschaft... Aber vielleicht überdenkt man jetzt im Wiener Rathaus die „goldene Regel“?

.Warum, bitte, muß man nach wie vor den Gemeindewohnbau pflegen? Tatsache ist, daß die Gemeinde teurer baut als die Genossenschaften. Warum also nicht das vorhandene Geld auf die bestehenden Genossenschaften aufteilen — und auf diese Weise mehr Bauleistung erhalten? Schon im (sozialistischen) Linz macht man das längst...

Warum, bitte, muß man nach wie auch eine eigene Werbefirma unterhalten, warum in der KIBA den bestehenden privaten Kinos Konkurrenz machen? In den KIBA-Kinos spielt man weder bessere Filme, noch ist der Eintrittspreis geringer — ganz im Gegenteil. Warum wälzt man — im geheimen, versteht sich — wieder Filmprojekte, nachdem der Steuerzahler hunderte Millionen zur Sanierung der Stadthallen-Film seinerzeit aufgewendet hat?

Oder besitzt Restaurants, die weder besser kochen — noch billiger sind ... oder sind 100-Schilling-Me-nus eine soziale Tat?

Herr Bürgermeister, räumen Sie mit den Totems und Tabus auf! Die Wiener, auch Ihre Parteifreunde, sind reifer, als Sie denken.

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