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Budget, Staat und Wirtschaft

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Der Finanz- und Budgetausschuß des Nationalrates hat in zwölftägigen Verhandlungen den Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1954 vorberaten, um nunmehr dem Plenum des Hohen Hauses Berichte und entsprechende Anträge auf Genehmigung der finanzgesetzlichen Ansätze des Staatshaushaltsplanes unterbreiten zu können.

Die Endsummen des Staatshaushaltes weisen jährlich bedeutende Zunahmen auf, die eine gleich zunehmende Belastung des Steuerträgers darstellen.

Man muß sich daher die Frage vorlegen, ob die Erstellung der Haushaltspläne wirklich immer nach dem Grundsatz größter Sparsamkeit erfolgt. Hier bietet nun eine heuer erstmalige Aufgliederung sämtlicher Sachaufwandskredite ein wertvolles Hilfsmittel. Diese wurden nämlich nach folgendem Schema untergeteilt in: 1. den Verwaltungsaufwand . oder sogenannten Amtssachaufwand und 2. einen Zweckaufwand; innerhalb des letzteren wird wieder zwischen den gesetzlichen Verpflichtungen und den Ermesisenskrediten unterschieden. Nun ist es für die Beurteilung unseres Staatshaushaltes überaus wichtig, feststellen zu können, daß auf den gesetzlich geregelten Personal-aufwand rund 8,7 Milliarden Schilling, auf den Amtssachaufwand nicht mehr als rund 890 Millionen Schilling und auf andere gesetzliche Verpflichtungen rund 6,6 Milliarden Schilling entfallen. Demnach sind für die Budgcterstellung Ausgaben von über 16 Milliarden Schilling bereits fest gegeben; das bedeutet bei einer Gesamtausgabensumme von rund 21,3 Milliarden Schilling, daß rund drei Viertel dieser Summe eine feste Größe darstellen, an der auf Grund bestehender Gesetze nicht gerüttelt werden kann! Neben diesen fixen Kosten des Bundeshaushaltes verbleibt für Ermessensausgaben nur etwa ein Viertel der gesamten Aufwendungen. Dies muß man sich vor Augen halten, um zu erkennen, wie schwer es ist, Ausgabenbeschränkungen im Bundeshaushalt durchzuführen. Gleichzeitig leuchtet aber auch ein, daß die Ausgaben für den Bundeshaushalt nur gesenkt werden könnten, wenn sich die Volksvertretung endlich herbeiließe, durch Gesetze auch den Aufgabenkreis des Staates wieder einzuschränken.

Eine falsche Vorstellung vom Wesen der Demokratie hat offensichtlich in unserer Republik dazu geführt, durch Gesetze den Wirkungsbereich der Staatsgewalt dauernd auszuweiten. Daß zur Erfüllung dieser Aufgaben gigantische Geldsummen notwendig werden, ist nur die wirtschaftliche Konsequenz dieser Entwicklung.

Eine, allerdings nicht unwichtige Seite dieses Zustandes spiegelt sich im steigenden Sozialaufwand: des Budgets wider. Rechnet man zu den rund 195.000 Pensionisten des Bundes noch ungefähr 25.000 Pensionisten der Länder und Gemeinden und die rund 723.000 Rentenempfänger der Sozialversicherung, die 8800 Empfänger von Opferfürsorgerenten und schließlich 13.300 Personen der Kleinrentnerfürsorge, so ergibt sich die erschreckende Anzahl von 1,444.100 Pensionsund Rentenempfängern, die einem kranken-versicherungspflichtigen Beschäftigtenstand von annähernd 2 Millionen gegenüberstehen. Dieses Mißverhältnis zwischen den Pensionsbzw. Rentenbeziehern und dem Stand der Beschäftigten ist dauernd im Wachsen, da in einigen Jahren die arbeitende Bevölkerung wegen der zu geringen Geburtenziffer ständig zurückgehen wird. Diese zunehmenden Erfordernisse des Rentenaufwandes und die drohende Schmälerung des Sozialprodukts wird nur noch eine leistungssteigernde Wirtschaftspolitik ausgleichen können. Daraus wird wieder sichtbar, welche Abhängigkeit zwischen den Finanzen eines sich zum Rentnerstaat entwickelnden Gemeinwesens und einem auf eine systematische Steigerung des Sozialprodukts bedachten Wirtschaftsprogramm besteht.

Während sich der Staatshaushalt seit dem Ende des zweiten Weltkrieges dauernd ausdehnt, droht die österreichische Volkswirtschaft — die ja die Lasten dieser wachsenden Ansprüche der öffentlichen Hand zu tragen hat — bedenklich zu stagnieren. Ueber diese Feststellung kann leider auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, daß Oesterreich gegenwärtig die besten Aussichten hat, Ende 1953 das erste Mal seit 1918 eine aktive Handelsbilanz aufzuweisen! Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß dieses günstige Ergebnis auf außerordentlichen Bedingungen beruht, mit deren Dauer nicht gerechnet werden kann. So haben beispielsweise Oesterreichs Handelspartner nach dem Abkommen der Europäischen Zahlungsunion bereits vor Jahren ihre Märkte dem österreichischen Export stärker geöffnet, während Oesterreich wegen seiner wirtschaftlichen Schwäche für einige Jahre das Recht zugebilligt wurde, den Import zu erschweren. Dies wird schon in naher Zukunft nicht mehr möglich sein. -

Schließlich kann nicht geleugnet werden, daß zum Teil notgedrungen auch das exportiert wird, was die Bevölkerung nicht selbst kaufen kann. Unter diesen Umständen aber wird der an sich erfreuliche Exportüberschuß zur Gefahr des Substanzverlustes. Daß diese Gefahr ernst zu nehmen ist, beweist auch die Tatsache, daß sich nicht allein eine Exportausweitung, sondern ein sehr bedeutender Importrückgang auf rund 80 Prozent von 1937 zu unserem wachsenden Ausfuhrüberschuß summierte. Den Ausschlag geben eben die Verhältnisse in der realen Güterwelt, da es das letzte Ziel aller Wirtschaft ist, die Versorgung der Menschen mit Bedarfsgütern sicherzustellen. Zu leicht ist man bei uns geneigt, das Wort vom Wirtschaftswunder, das durch den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Westdeutschlands populär geworden ist, auch auf Oesterreich anzuwenden. Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, daß das wesentliche Kriterium, nämlich die gewaltige Ausweitung des Wirtschaftsvolumens, in Oesterreich fehlt. Ganz im Gegenteil gehen die Handelsumsätze seit der Geldwertstabilisierung erheblich zurück. Während in Oesterreich die Produktivität der Arbeit in den letzten Jahren zweifellos gestiegen ist, weist die Produktion eher eine sinkende Tendenz auf. Eine steigende Produktivität bei nicht gleichzeitig steigender Produktion und sogar rückläufigem Konsum, führt einerseits unweigerlich zur Arbeitslosigkeit; wenn dazu noch Produktion und Importe sinken, der Export dagegen steigt, so muß anderseits das für die Bevölkerung verfügbare Sozialprodukt kleiner geworden sein. Beide Fakten haben Rückwirkung auf den Staatshaushalt: Die Steigerung der Arbeitslosigkeit belastet den Sozialaufwand, die Schrumpfung des Sozialprodukts vermindert die Steuereingänge!

Angesichts der Wirtschaftsstagnation und der unbefriedigenden Lage auf dem Arbeitsmarkt ist eine konstruktive Politik zur Wiedererlangung der Vollbeschäftigung eine Forderung der Zeit. Audi der Bundeshaushaltsplan für 1954 sieht die Durchführung größerer Investitionen vor, die jedoch e r s t m a 1 i g im Rahmen eines außerordentlichen Haushalts in der Höhe von rund

1 Milliarde Schilling veranschlagt sind; dieser außerordentliche Haushalt soll nicht aus Steuergeldern, sondern durch Anleihe- und Kreditoperationen finanziert werden.

Die Notwendigkeit dieser Maßnahme ergibt sich aus folgender Ueberlegung: Höhere Steuerleistungen zum Zwecke der Finanzierung der öffentlichen Investitionstätigkeit würden lediglich eine strukturelle Verschiebung innerhalb der Gesamtwirtschaft vom privaten auf den öffentlichen Sektor bedeuten; niemals kann man dadurch mehr Beschäftigung erzielen, daß man die öffentlichen Ausgaben erhöht, den Steuerdruck vermehrt und das Geld aus der Tasche des Steuerträgers in die Tasche des Staates schafft. Auf solche Weise würde lediglich das Geld der Volkswirtschaft entzogen und die Produktionskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gestört werden. Hingegen stellen Investitionen, die durch Anleihe- und Kreditoperationen finanziert werden, einen echten Beitrag des Staates zu einer konstruktiven Konjunkturpolitik dar, wobei gleichzeitig die Beeinträchtigung der Volkswirtschaft durch höhere Steuerleistungen vermieden wird.

Diese neue Budgetpolitik erfordert allerdings hohe Selbstdisziplin der Wirtschaft. Die Fürsprecher der bisherigen Steuerbelastung pflegen ins Treffen zu führen, daß lediglich die in eigener Regie des Staates durchgeführte Investitionstätigkeit eine Gewähr dafür bietet, daß das Geld in der Volkswirtschaft wirklich produktiv und nutzbringend verwendet wird. Wenn man hingegen — wie dies ja der Konzeption des Bundeshaushaltsplanes für 1954 entspricht — der Wirtschaft durch Anleihe- und Kreditoperationen Kapital zur Verfügung stelle und gleichzeitig auch durch eine Verminderung des Steuerdruckes die Voraussetzungen einer Eigenkapitalbildung schaffe, so bestehe die Gefahr, daß die auf solche Weise der Wirtschaft zugeführten Geldmittel weniger für zusätzliche Arbeitsplätze, Modernisierung des Maschinenparkes, Steigerung der Produktion und Senkung der Preise, als vielmehr für die Erhöhung der Profite, die Anschaffung von Luxusautos und dergleichen mehr verwendet würden.

Konsequent weitergedacht, würde diese Argumentation zur totalen Wirtschaftsmacht des Staates führen: auf der einen Seite würde durch die zunehmende Steuerbelastung der Einfluß der privaten Unternehmerpersönlichkeit und des freien Menschen untergraben, auf der anderen Seite würde durch die Bereitstellung immer größerer Mittel — die freilieh aus der produktiven Wirtschaft herausgepreßt werden müssen — die neue anonyme Macht ständig wachsen.

Man kann die Definition der Demokratie als Regierungsform, in der „alles durch das Volk und für das Volk“ geschieht, nicht ungestraft in ein Schlagwort „Alles durch den Staat — und für den Staat“ umwandeln. Obwohl der Zuwachs an staatlichen Arbeitskräften der Vermehrung der Staatsaufgaben ungefähr entspricht, hat die Berufsstatistik anläßlich der letzten Volkszählung in Oesterreich folgendes erschreckendes Bild ergeben: in der Bundesverwaltung waren am Stichtag rund 70.300, in den Bundesbetrieben 159.200, in den verstaatlichten Betrieben 102.000, im Dienste der Bundesländer 69.200 und im Dienste von Gemeinden 100.300 Personen beschäftigt. Für ungefähr eine halbe Million Menschen ist der österreichische Staat — sei es als Bund, Land, Gemeinde oder wirtschaftlicher Großunternehmer — der Dienstgeberi Das bedeutet weiter, daß von ungefähr je vier in Arbeit stehenden Oesterreichern einer den Staat in irgendeiner Form zum Brotherrn hat! Neben diesem Heer von Aktivbediensteten befindet sich natürlich auch die oben erwähnte Zahl von fast eineinhalb Millionen Pensions- bzw. Rentenempfängern in. einem Gefühl von Abhängigkeit gegenüber

der öffentlichen Hand. Und wo sich in einer Demokratie die Staatsgewalt einschaltet, steht auch das Gespenst der Parteienherrschaft auf.

Der Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1954 ist eine bewußte Abkehr von den eben geschilderten Fehlentwicklungen. In diesem Zusammenhang müssen natürlich auch außerhalb des Budgets Maßnahmen ergriffen

werden, um durch Förderung des Sparsinns der Wirtschaft die dringend benötigten Geldmittel zur Verfügung stellen zu können und durch entsprechende Steuerbestimmungen die Mehrleistung wieder zu belohnen und einen echten Ansporn zur Leistungssteigerung zu schaffen. Im gleichen Maße“, in dem die Bevölkerung die Intensionen der neuen Budgetpolitik versteht und sie unterstützt, wird es möglich sein, durch größere Leistung jedes einzelnen die freie Wirtschaft zur Entfaltung zu bringen. Im selben Maße freilich muß die Wirtschaft von sich aus die Förderung ihrer Konjunktur zur Ausweitung der Produktion, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Senkung der Preise ausnützen. Nur unter diesen Voraussetzungen kann jene Straße zum Ziele führen, auf der das Bundesfinanz-gesetz für das Jahr 1954 einen ersten Schritt darstellen soll: daß gegen die Vermassung des Menschen die persönliche Freiheit wieder gefördert, daß durch die Sicherung der materiellen Existenz die Voraussetzung für die Entfaltung aller geistigen Kräfte geschaffen und daß schließlich ein Mindestmaß von Unabhängigkeit jedem einzelnen wieder gewährleistet wird.

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