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Oberösterreich aktuell

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Der Oberösterreicher ist im hohen Maße Realist. Er überschätzt seine Arbeit nicht, aber er weiß, daß sie die Voraussetzung für eine gesicherte Aufwärtsentwicklung ist. Seine Gabe, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, verleiht ihm zudem ein starkes natürliches Selbstvertrauen und gibt ihm jenen gesunden Optimismus, der in einer Situation weniger die gegebenen Grenzen als die vorhandenen Möglichkeiten sieht.

Die Fähigkeit zur realistischen Schau der Verhältnisse hat dem Oberösterreicher vieles erleichtert. Ihr verdanken wir zweifellos weitgehend das gemäßigte politische Klima, das bisher die Arbeit in Landesregierung und Landtag gekennzeichnet hat und das auch jetzt unter veränderten parteipolitischen Stärkeverhältnissen allmählich wieder spürbar wird. Aus dem klaren Blick für die Tatsachen erwuchsen die Maßnahmen der öffentlichen Hand auf flnanz- und wirtschaftspolitischem Gebiet, in denen sich Sparsamkeit und Förderung des Fortschritts die rechte Waage halten. Und schließlich hat der ausgeprägte Wirklichkeitssinn den Willen der Bevölkerung aktiviert, die immer wieder neuen Probleme, vor die Oberösterreich gestellt ist, zu bewältigen.

Die gegenwärtigen Probleme wurden während der Diskussion über das Landesbudget 1968 deutlich sichtbar. Sie zeigen sich zunächst in einem von der augenblicklichen wirtschaftlichen Entwicklung her beeinflußten Rückgang der Einnahmen, dem auf der anderen Seite erhöhte Ansprüche an das Budget gegenüberstehen. Eine solche Steigerung der Wünsche und Forderungen ergibt sich naturgemäß aus der Lage unserer Wirtschaft, die auf belebende Injektionen angewiesen ist.

Oberösterreich hat, so meine ich, das Richtige getan, um dieser doppelten Schwierigkeit weitestmöglich Herr zu werden. Es hat die kommenden Aufgaben und Vorhaben nach ihrer Dringlichkeit gestuft, sie bezüglich ihrer Verwirklichung einer Rangordnung unterworfen, sie in ein Schwerpunktprogramm eingebaut, das sich auf mehrere Jahre erstreckt und das ebenso großzügig und entwicklungsgerecht wie finanziell tragbar und erfüllbar ist.

In die vorderste Reihe dieses Schwerpunktprogrammes wurden dabei jene Maßnahmen gereiht, die dem Lande in seiner Gesamtheit zugute kommen. Hierher gehört in erster Linie der weitere Ausbau unseres Schulwesens und damit Hand in Hand die weitere Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten für unsere Jugend, hierzu zählt die verstärkte Förderung von Wissenschaft und Forschung, und hierher muß auch die notwendige Förderung der Erwachsenenbildung und ihrer Einrichtungen gerechnet werden. Die Dringlichkeit und Notwendigkeit des Einsatzes auf dem Gebiet des Schul- und Bildungswesens ergibt sich aus der großen Aufgabe der Menschen unserer Zeit, den Fortschritt geistig zu bewältigen. Wir müssen die Entwicklung durch Ausbildung und durch Bildung mitzubestimmen trachten, müssen sie mit mehr Wissen und mehr Verantwortung zu steuern versuchen. Den kräftigen Bemühungen im Lande, diesen Forderungen gerecht zu werden, stehen freilich Schwierigkeiten gegenüber, die nur schrittweise weggeräumt werden können. Sie zeigen sich uns in einem noch immer beträchtlichen Klassenfehlbestand, im anhaltenden Lehrermangel, in der Notwendigkeit, weitere neue Schulen zu bauen, Internate, Turnsäle und Werkstätten zu errichten, unzulängliche Schulgebäude zu adaptieren und schließlich in den Anforderungen, die der weitere Ausbau der Linzer Hochschule durch die Errichtung der naturwissenschaftlichtechnischen Fakultät mit sich bringt.

Auf dem kulturellen Sektor gibt ės im übrigen eine Reihe weiterer großer Sorgen. So steht das Land seit Jahren vor der Notwendigkeit, durch umfassende und zugleich kostspielige Maßnahmen kirchliche und weltliche Baudenkmäler zu sanieren. Derzeit betrifft dies vor allem barocke Kirchen und Schlösser. Weitere große Probleme stehen mit der Erhaltung und Pflege der Theatertradition im Lande, insbesondere dem zeitgemäßen Betrieb der Landesbühne, im Zusammenhang. Auch der beabsichtigte weitere Ausbau des musikalischen Lebens im Lande, der mit der Verselbständigung des Bruckner-Orchesters Linz eingesetzt hat, kann nicht ohne beträchtliche finanzielle Anstrengungen bewältigt werden. Schließlich ist in den nächsten Jahren die Errichtung neuer Kulturbauten geplant, so etwa eines neuen Bruckner-Konservatoriums und eines neuen Landesarchivs.

Der zweite Schwerpunkt umfaßt alle öffentlichen Aufgaben, die der Gesamtwirtschaft dienen. Diese müssen in erster Linie auf die Verbesserung der Infrastruktur abzielen, insbesondere auf die unverminderte Weiterführung des Ausbaues unseres Verkehrsnetzes. Dabei gilt es, alle Anschlußmöglichkeiten an den internationalen Verkehr wahrzunehmen. Darum ist Oberösterreich bestrebt, den weiteren Ausbau der Europastraßen im Lande voranzutreiben, darum hat es sich den Ausbau des Flughafens Hörsching zum Ziel gesetzt, und deshalb ist es am Ausbau der Rhein-Main-Donau-Straße in besonderer Weise interessiert. Anderseits aber liegt es auch im Interesse unserer Wirtschaft, jedem Ort und jedem wirtsohaftsfähigen Betrieb unseres Landes Anschlußmöglichkeit an die internationalen Straßen zu geben. Ist man sich dieser großen Forderungen bewußt und berücksichtigt man die immer noch starke Zunahme an Kraftfahrzeugen, so zeigt sich, daß zwischen dem, was unter Aufwand aller Kräfte geleistet wurde und dem, was noch geleistet werden tnuß, nach wie vor eine große Kluft besteht. Zu den Aufgaben, die der Gesamtwirtschaft dienen, gehört ferner die Förderung des Fremdenverkehrs, die Mithilfe bei der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Wirtschaftsgebiete und alle Wirt schaftszweige und hier insbesondere die Förderung der entwicklungsgehemmten Gebiete. Oberösteirreich besitzt eine gesunde Wirtschaft, eine Wirtschaft, die der in den letzten Jahrzehnten vollzogene strukturelle Wandel vom Agrar-Industrieland zum Industrie- Agrarland ohne schwere Erschütterung verkraften konnte. Die öffentliche Hand muß es daher als ein vornehmes Anliegen betrachten, dieser Wirtschaft jene Voraussetzungen zu erhalten oder zu schaffen, die sie im Interesse der Sicherung der Existenz der Betriebe und der Konkurrenzfähigkeit auf dem internationalen Markt braucht.

Der dritte große Schwerpunkt umschließt schließlich jene Bereiche, die dem einzelnen Bewohner im Lande dienen. Dazu gehören der Wohnbau, das Gesundheitswesen, die Wasserversorgung, die Abwässerbeseitigung usw. Es bedarf wohl kaum vieler Worte, um die Größe und Vielzahl der Probleme zu erkennen, die sich hier ergeben. Dabei stehen alle Fragen der Lösung unter dem Druck der Entwicklung, die zur strukturellen Veränderung der Wirtschaft und damit im Zusammenhang zu einer Änderung der räumlichen Verteilung der Bevölkerung geführt hat. Diese Veränderung zeigt sich einerseits in einer Bevölkerungsballung, insbesondere im oberösterreichischen Zentralraum, und anderseits in einem Bevölkerungsrückgang in vorwiegend bäuerlichen Gemeinden.

Daß das Land im Sinne der hier lediglich skizzierten Grundsätze vorzugehen bereit ist, sei abschließend durch einige konkrete Hinweise erhärtet. So sieht der Landesvoranschlag 1968 einen Betrag von mehr als einer Milliarde Schilling, das sind 36 Prozent des Gesamtbudgets, für Investitionen und Investitionsförderung und damit zur Ankurbelung der Wirtschaft vor. Für den Schulbau sind im ordentlichen Haushalt 1968 trotz der notwendig gewordenen Sparmaßnahmen um 20 Millionen Schilling mehr Mittel vorgesehen als 1967, die Beträge für den Straßenbau halten sich an die respektable Höhe des Vorjahres. Um zirka 9 Millionen Schilling mehr als im Vorjahr stehen für die Förderung der Landwirtschaft zur Verfügung, die Ausgaben für den Wasserbau wurden um 9,4 Millionen Schilling, die Forderungsbeträge zum Bau von Wasserversorgungs- und Abwässerbeseitigungsanlagen um nahezu 7 Millionen Schilling erhöht. Die Aufwendungen für die Krankenanstalten werden im kommenden Jahr um mehr als 26 Millionen Schilling höher sein und damit den Betrag von 70 Millionen Schilling übersteigen.

Schwer sind die Probleme, die auf dem Lande lasten. Der Oberösterreicher aber schließt vor ihnen nicht die Augen, sondern sucht immer wieder bereitwillig nach einer Lösung. Nicht selten findet er sie. Und weiß er einmal fürs erste keinen Weg, ist er nicht verzweifelt. Er läßt sich vielmehr von der Überzeugung bestimmen, daß die Probleme nicht größer sein können als seine Liebe zum Land.

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