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Tirol-Land im Gebirge

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1963 werden es 600 Jahre sein, daß Tirol zu Österreich kam. Sechs Jahrhunderte hindurch hat somit das „Land im Gebirge“ Freud und Leid, Glück und Unglück mit Österreich geteilt. Das Gebiet des Landes Tirol war mit seinen Alpenstraßen und Pässen bereits für die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation von besonderer Bedeutung, da es das Bindeglied zwischen der nördlichen und südlichen Reichshälfte war und durch dieses Land die Züge der Kaiser nach Rom führten. Für die Habsburger stellte Tirol die Brücke zu den Vorlanden in der Schweiz dar. Diesen Charakter eines Ver-bindungs- und Durchzugslandes hat Tirol bis auf den heutigen Tag bewahrt, und Straße und Bahn über den Brennerpaß stellen auch in der Gegenwart die wichtigste Verbindungslinie zwischen Deutschland und Italien dar. (Nicht minder wichtig erscheint die Bedeutung des Reschen-und Fernpasses, und die Schaffung einer weiteren Nord-Süd-Verbindung entlang dem Felber- und Tauerntal wird dringend erforderlich.) Tirol stand alle die Jahrhunderte hindurch ebenso treu zu Österreich, wie es auch auf die Wahrung und Achtung seiner demokratischen Rechte bedacht war. Seinen Freiheitswillen und seine Treue zu Österreich stellte Tirol besonders im Jahre 1809 und im ersten Weltkrieg unter Beweis. Die Feierlichkeiten im Vorjahr anläßlich des hundertfünfzigjährigen Gedenkens an die Erhebung Tirols gegen Napoleon gaben Gelegenheit, die Leistungen der Freiheitskämpfer des Jahres 1809 eindringlich in Erinnerung zu rufen. Zwei weltbekannte Denkmäler in der Stadt Innsbruck, das Goldene Dachl und der Sarkophag des Kaisers Maximilian, erinnern an die Zeit, in der unsere Landeshauptstadt an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit kaiserliche Residenzstadt war.

Der in unserer Verfassung verankerte föderalistische Grundsatz wird unter den westlichen Bundesländern gerade von Tirol und Vorarlberg besonders konsequent vertreten. Sicher hat auch die Nachbarschaft zur Schweiz mit dazu beigetragen, daß Tirol immer wieder auf den unschätzbaren Wert der demokratischen Einrichtungen und auf die Tatsache hingewiesen wurde, daß das föderalistische Prinzip noch immer der beste Garant für die Erhaltung der Freiheit und die Wahrung der Rechte der Staatsbürger bleibt.

Durch die Abtretung Südtirols auf Grund des Friedensvertrages vom 10. September 1919 hat Tirol von seinen ursprünglich 26.283 Quadratkilometern mehr als die Hälfte verloren. Mit den verbliebenen 12.647 Quadratkilometern ist es zwar noch immer flächenmäßig das drittgrößte Bundesland Österreichs, es fehlen ihm aber die fruchtbaren Äcker und Wiesenflächen sowie die Weinbaugebiete Südtirols, die eine natürliche Ergänzung des Viehzuchtgebietes von Nordtirol darstellten. Die Tatsache, daß von der gesamten Fläche des Landes nur etwa 3,8 Prozent- Ackerland und etwa ebensoviel Wiesenland sind, dürfte hinreichend klarlegen, wie „steinreich“ Tirol ist. Ein Viertel der Gesamtfläche ist Ödland und ein Drittel Waldgebiet. Unter den rund 28.000 landwirtschaftlichen Betrieben sind 43 Prozent Kleinst- und kleinbäuerliche Betriebe unter fünf Hektar. Von den fast 430.000 Einwohnern gehören nur noch 25,6 Prozent dem Bauernstand an, und dennoch prägt dieser auch heute noch das Antlitz unseres Landes. Aus den kinderreichen Bauernfamilien stammen viele anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen, des Geistes- und Wirtschaftslebens. Diese Männer sind es meistens, die den ehrenreichen Ruf unseres Landes weit über die Grenzen des Vaterlandes Österreich hinaustragen. Auch politisch gesehen, stellen die Bauern die geschlossenste Volksgruppe dar, und es ist daher nur mehr als selbstverständlich, daß sie bei den Entscheidungen über die Geschicke des Landes ein maßgebliches Wort zu reden haben. Trotz der Kargheit des Bodens und der Herbheit des Klimas sichert eine intensive landwirtschaftliche Nutzung, die in den letzten Jahren durch Traktoren- und Maschineneinsatz weiter verbessert wurde, beachtliche Hektarertfägnisse. Im landwirtschaftlichen Export spielen besonders hochwertiges Zuchtvieh und Käsereierzeugnisse eine Rolle. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als Selbsthilfeorganisation der bäuerlichen Bevölkerung unterstützen den Bauernstand im Kampf um die Sicherung seiner Existenz. Aufgabe der Zukunft wird es sein — ebenso vie in den letzten 15 Jahren —, durch den Ausbau der landwirtschaftlichen Berufsschulen und Landeslehranstalten, durch die Errichtung von Güter- und Seilwegen, durch die notwendigen Lawinen- und Wildbachverbauungen, durch die Gewährung von Darlehen für landwirtschaftliche Hochbauten und durch die Verstärkung des Maschineneinsatzes die Leistung des Bauernstandes zu heben und seine Existenz zu festigen. Eine bedeutsame Einnahmequelle stellt der Wald dar. Der Abtransport des jährlichen Einschlages von wenigstens 600.000 Festmetei bedeutet eine Verfrachtung von mindestens 300.000 Tonnen oder rund 15.000 Eisenbahnwaggons zu je 20 Tonnen. Durch umfangreiche Aufforstungsmaßnahmen, durch die Anlegung von Forstgärten und die Erstellung von Waldwirtschaftsplänen wurde in den letzten Jahren alles unternommen, um den wertvollen Waldbestand zu erhalten. Die Tiroler Sägeindustrie mit ihren 570 vorwiegend Kleinbetrieben produziert jährlich Schnittholz im Wert von einer halben Milliarde Schilling, davon die Hälfte für den Export.

Von besonderer Bedeutung für Tirol ist der Fremdenverkehr. Der Fortschritt auf diesem Gebiet im letzten Jahrzehnt ist geradezu einmalig zu nennen. Tirol verfügt zur Zeit über 70.000 Fremdenbetten in Hotels, Gasthöfen, Fremdenheimen und Schutzhütten. Berücksichtigt man die Privatquartiere, so erhöht sich die Bettenzahl auf 13 5.000. Die Tatsache, daß Tirol im Jahre 1959 9,415.060 Ausländerübernachtungen und damit fast 40 Prozent der gesamtösterreichischen Anzahl aufweisen konnte, spricht für sich. Zehn Jahre vorher, im Jahre 1949, betrug die Ausländernächtigungszahl lediglich 1,580.380. Der Fremdenverkehr ist keineswegs, nur noch auf besondere Zentren beschränkt, sondern erfaßt bereits die kleinsten Seitentäler und stellt daher auch eine wirkliche Hilfe für die bäuerliche Bevölkerung dar. Durch den planmäßigen Ausbau der Übernachtungsmöglichkeiten in den Dörfern und Städten, durch die Errichtung von Seilbahnen und Sesselliften und durch eine geschickte Werbung wurde es erreicht, daß Tirol im Vorjahr infolge der vorerwähnten Ausländernächtigungszahl der österreichischen Wirtschaft fast zwei Milliarden Schilling an Deviseneinnahmen aus dem Fremdenverkehr zuführen konnte. Die Schönheit unseres Landes und der Fleiß seiner Bevölkerung garantieren, daß auch in Zukunft das „Land im Gebirge“ auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs in Österreich führend sein wird.

Ich hatte schon vorher erwähnt, daß nur noch rund ein Viertel der Bevölkerung der Landbevölkerung angehört, eine Entwicklung, die vor allem durch die zunehmende Industrialisierung während des zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit bedingt wurde. Neben der alteingesessenen Textilindustrie haben sich besonders in jenen Gebieten, wo infolge der kleinbäuerlichen Betriebe ein Menschen- und Arbeitskräfteüberschuß vorhanden ist, die Eisen- und Metall-, die chemische und holzverarbeitende Industrie entfaltet. Für die Magnesitgewinnung kam zu dem bereits bestehenden Werk im Ziller-tal in den letzten Jahren die Ausnutzung des größten geschlossenen Magnesitvorkommens in Österreich an der tirolisch-salzburgischen Grenze bei Hochfilzen. Alle die vorgenannten Industrien sind auch für den Export bedeutend. Im Jahre 1960 wird der industriewe Produktionswert vier Milliarden Schilling erreichen, wobei annähernd 26 Prozent der industriellen Gesamtproduktion in das Ausland gehen. Von besonderer Bedeutung für den Export war bereits unmittelbar nach Ende des zweiten Weltkrieges bis in die heutigen Tage ein mit der Erzeugung von Glasschmucksteinen befaßter Betrieb in Wattens, der in seinen Zweigbetrieben Schleifmittel und optische Geräte herstellt. Die Zahl der in den Industriebetrieben (derzeit 214) beschäftigten Arbeiter und Angestellten erhöhte sich von 18.370 im Jahre 1950 auf einen Jahresdurchschnitt von 25.200 in diesem Jahr.

Das Tiroler handwerkliche Gewerbe hat seine Vorkriegsstellung als größter Arbeitgeber des Landes trotz struktureller Veränderungen nicht nur behauptet, sondern weiter ausgebaut. Im vergangenen Jahr beschäftigten die 8900 gewerblichen Betriebe mehr als 3 5.000 Gesellen, Angestellte, Lehrlinge und Hilfsarbeiter. Der gewerbliche Export ist in den letzten zehn Jahren von fünf Millionen Schilling auf annähernd 60 Millionen Schilling angewachsen. Ein wichtiger Faktor für diese Ausweitung des Exports ist das 1949 abgeschlossene Regionalabkommen Tirol-Vorarlberg mit Trentino-Südtirol. Im Zuge des Wiederaufbaues der großen Kraftwerkbauten, der Modernisierung des Straßennetzes und des von Jahr zu Jahr gesteigerten Wohnungsbaues erfuhr das gesamte Baugewerbe mit allen Neben-und Hilfsgewerben eine überaus starke Aufwärtsentwicklung. Die Rationalisierung und Mechanisierung beschränkte sich nicht nur auf die großen Baufirmen, sondern umfaßt sämtliche Betriebe bis zu den kleinsten. Dank dieser konsequent durchgeführten Ausrüstung mit Großmaschinen und Geräten ist die Tiroler Bauwirtschaft heute allen, auch den schwierigsten und umfangreichsten Aufgaben gewachsen. Die metall- und holzverarbeitenden Gewerbezweige sowie die Nahrungsmittelgewerbe sind gleichfalls weitgehend rationalisiert worden, das graphische Gewerbe kann sich mit seinen größeren Betrieben den modernsten Druckereien Mitteleuropas an die Seite stellen. Auch der Großteil der Dienstleistungsbetriebe entspricht allen Anforderungen unserer Zeit.

Im Handel verlief die Entwicklung bis 1955 langsamer als in anderen Wirtschaftszweigen. Iii den letzten fünf Jahren sind jedoch — allerdings unterschiedlich in den einzelnen Brancheii — 'beachtliche Umsatzsteigerungen und große Fortschritte bei der neuzeitlichen Ausgestaltung der Geschäfte erzielt worden. Eine große Zahl von Einzelbetrieben im Lebensmittelhandel hat sich den sogenannten Handelsketten angeschlossen und damit eine gewisse Rationalisierung sowohl im Einkauf wie im Verkauf, teilweise auch schon durch Selbstbedienung, erreicht. Derzeit sind in Tirol 8160 Handelsbetriebe mit rund 11,000 Beschäftigten etabliert.

Der über alles Erwarten rasche Wiederaufbau der gewerblichen Wirtschaft nach Kriegsende ist ein eindrucksvolles Beispiel unternehmerischer Tatkraft und Anpassungsfähigkeit. Trotz mancher total zerstörter Betriebe, fehlender Rohstoffe, wie Kohle, und Behinderungen vielfältigster Art wurden fast alle Betriebe in kürzester Zeit in Gang gebracht; wo es, wie zum Beispiel in der Textilindustrie, nicht anders ging, vorerst mit ausländischen Lohnaufträgen. Schon 1950 überschritt die Produktion und die Zahl der Beschäftigten das Vorkriegsausmaß. Mit der Stabilisierung der Währung, der Angleichung der Wechselkurse und Beseitigung der Zwangswirtschaft aber begann eine Periode von beachtlicher wirtschaftlicher Expansion in allen Zweigen der gewerblichen Wirtschaft.

In dem reichlich vorhandenen Ödland Tirols, in den weitausgedehnten Gletschern liegt einer der größten Naturschätze unseres Landes geborgen: die Wasserkraft. Tirol verfügt über zirka acht Milliarden Kilowattstunden ausbauwürdiger Wasserkräfte, davon infolge des gebirgigen Charakters des Landes ein hoher Prozentsatz an wertvoller Speicherenergie. 1945 betrug die Erzeugung der Tiroler Kraftwerkanlagen zirka 600 Millionen Kilowattstunden. 1960 weist die Regeljahrerzeugung bereits rund 1800 Millionen Kilowattstunden auf, wobei die Zahl der Kraftwerkanlagen auf 180 gestiegen ist. Einen hervorragenden Anteil hat daran die Tiroler Wasserkraftwerke AG., die sich zur Gänze im Eigentum des Landes befindet. 1956 wurde das Innkraftwerk Prutz-Imst nach knapp dreijähriger Bauzeit in Betrieb genommen, das als Kavernenkraftwerk zu den modernsten und technisch interessantesten Anlagen Österreichs gehört und bei einer Leistung von rund 85.000 Kilowatt ein Regeljahrarbeitsvermögen von 475 Millionen Kilowattstunden, davon 140 Millionen Kilowattstunden Winterartiteil, aufweist. Der Verbrauch an elektrischer Energie in Tirol erhöhte sich von 300 Millionen Kilowattstunden (754 Kilowattstunden pro Kopf der Bevölkerung) im Jahre 1945 auf eine Milliarde Kilowattstunden (3215 Kilowattstunden pro Kopf der Bevölkerung) im Jahre 1960. Dies entspricht im Durchschnitt der letzten 15 Jahre einer Steigerungsquote von 8,5 Prozent pro Jahr. Von den zukünftigen Planungen steht das Kaunertalprojekt der TIWAG im Vordergrund. Es sieht die Errichtung eines Jahresspeichers mit 140.000 Kubikmeter Inhalt im hintersten Kaunertal (Gepatschspeicher) vor und wird nach Zu-beziehungsweise Überleitung verschiedener Bäche eine Regeljahrerzeugung von rund 610 Millionen Kilowattstunden, davon 370 Millionen Kilowattstunden im Winter, aufweisen. Mit der Aufnahme des Teilbetriebes ist im Herbst 1964 und des Vollbetriebes im Frühjahr 1966 zu rechnen. Weitere Planungen betreffen den Bau eines Speicherkraftwerkes in Dorfertal-Huben in Osttirol und den Ausbau der unteren Sill durch die Stadtwerke Innsbruck. In ferner Zukunft liegt der Ausbau der Großprojekte im Ötztal mit zirka 1230 Millionen Kilowattstunden Jahresarbeitsvermögen.

Es braucht nicht besonders erwähnt zu werden, daß dem Wohnbau seit unmittelbar nach dem Kriegsende größte Bedeutung zugemessen wurde. Im Rahmen der Wohnbauförderung wurden allein seit 1955 rund 240 Millionen Schilling an Darlehen und Annuitätenzuschüssen bewilligt und damit der Bau von fast 5000 Wohnungen gefördert.

Von den Straßen- und Brückenbauten seien hier nur der Ausbau der Achensee-Bundesstraße mit einem Kostenaufwand von rund 260 Millionen Schilling und der autobahnmäßige Ausbau der Brennerstraße auf der Teilstrecke Innsbruck—Schömberg erwähnt. Durch letzteren werden 77 Kurven der alten Straße durch nur sieben langgestreckte Bögen auf der Autobahn ersetzt werden. Im Zuge dieser Autobahn entsteht die weit über die Landesgrenzen hinaus beachtete „Europabrücke“, deren Fahrbahn 190 Meter über dem Talboden liegt und die mehr als 800 Meter lang sein wird. Sie wird die bisher höchste Brücke Europas werden. Die Kosten dieser 8,5 Kilometer langen Teilstrecke betragen rund 340 Millionen Schilling.

Die Stadt Innsbruck hat zur Wasserversorgung der Stadt das vermutlich bis weit über die Nordkette hinausreichende Bergwasser in etwa tausend Meter Höhe bergmännisch gefaßt. Die Quellschüttung von 800 Liter je Sekunde im Winter und von 1500 Liter je Sekunde im Sommer stellt ein in der Welt einmaliges Trinkwasservorkommen dar. Dieses Wasservorkommen entspricht der Versorgung von rund 300.000 Menschen. Die Stadt kann sich somit noch um 200.000 Menschen vergrößern. Zwischen der Quellfassung und den rund 50.000 Kubikmeter fassenden Hochbehältern wird das Quellwasser für die Energieerzeugung in Turbinen abgearbeitet.

Ein für das Land in finanzieller Hinsicht besonders drückendes Problem stellte die Modernisierung des zum Teil kriegszerstörten Landeskrankenhauses dar. Eine ganze Reihe von Kliniken, so die Medizinische, die Hals-, Nasen-und Ohrenklinik wie auch die Heilstätte für Tbc in Natters, mußten neu erbaut werden. Derzeit sind die Vorbereitungen für den Neubau der Chirurgischen Klinik mit 500 Krankenbetten und einem Kostenaufwand von zirka 140 Millionen Schilling bereits abgeschlossen. Auch in den Bezirksstädten wurden bedeutende Krankenhausbauten errichtet.

Seit 1945 wurden in Tirol rund 250 Schulen gebaut. Davon sind drei Mittelschulen mit einem Gesamtaufwand von rund 56 Millionen Schilling. An Schulhausbauten wurden in den letzten 15 Jahren mehr errichtet als in den vorangegangenen 50 Jahren. Der Aufwand der Tiroler Gemeinden für Bauzwecke ergibt in den letzten zwölf Jahren einen Jahresdurchschnitt von 150 Millionen Schilling.

Eine nicht zu unterschätzende Leistung bedeutet die Automatisierung des Fernsprechverkehrs im ganzen Land Tirol. Diese hat in unserem von Hast und Eile regierten Leben eine beachtliche Zeitersparnis und eine wirkliche Annehmlichkeit zur Folge. Der zerstörte Innsbrucker Hauptbahnhof wurde neu gebaut und durch die sogenannte Konzertkurve mit dem Westbahnhof verbunden. Die am Hauptbahnhof vorhandene Stellwerkanlage ist eine der modernsten Europas.

Tirol ist ein Land reich an Kultur aller Art. Die durch den Krieg an Kulturdenkmälern entstandenen Schäden wurden fast ausnahmslos behoben. Neben dem auf einer hohen Stufe stehenden Theater- und Musikleben in der Landeshauptstadt muß besonders das stets geförderte Volksschauspiel auf dem Lande (zirka 100 Bühnen) sowie die wertvolle Tätigkeit der 277 Blasmusikkapellen mit mehr als 8000 Musikern hervorgehoben werden. Es gibt somit fast kein Dorf ohne eigene Musikkapelle, und viele dieser Kapellen erbringen erstaunliche Leistungen, die auch im Ausland Anerkennung gefunden haben. Einer besonderen Förderung seitens des Landes erfreut sich das Sängerwesen, das gleichfalls weiteste Verbreitung in Stadt und Land aufweist. Von einer über Österreich hinausreichenden Bedeutung sind die Passionsspiele in Erl und Thiersee. Durch eine geschickte Verwendung der eingegangenen Kulturgroschenmittel sowie der leider nicht zu bedeutenden Budgetmittel werden die zahlreich vorhandenen Talente auf musikalischem und literarischem Gebiet sowie die Maler und Bildhauer nach Möglichkeit gefördert.

Ein Blick auf die Vermögensrechnung des Landes zum 31. Dezember 1959 zeigt, daß die Finanzlage Tirols als durchaus geordnet bezeichnet werden kann. Den Schulden des Landes von rund 124,500.000 Schilling stehen Darlehensforderungen von rund 73 Millionen Schilling gegenüber. Die Darlehensschulden des Lande? müssen besonders im Hinblick darauf, daß sie zum größten Teil für produktive Zwecke aufgewendet wurden — im besonderen für den Erwerb der Aktien der Tiroler Wasserkraftwerke -r, als durchaus gerechtfertigt und erträglich be--e:clir>ct werden. Die Tiroler Wasserkraftwerke, die zu ioo Prozent in den Besitz des Landes übergegangen sind, stehen mit dem Aktienkapital von 300 Millionen Schilling unter den Beteiligungen des Landes zu Buch.

Ein Vergleich mit dem Budget des Jahres 1960 mag die außerordentlich geringe Verschuldung des Landes besonders hervorheben. Der Voranschlag für dieses Jahr sieht Ausgaben von 462,800.000 Schilling und Einnahmen von 452,250.000 Schilling vor. Der außerordentliche Landesvoranschlag umfaßt 26,500.000 Schilling. Im Durchschnitt wurden sechs Zehntel der gesamten Landesausgaben für den Zweckaufwand verwendet, das ist der Aufwand für jene Zwecke, die zu fördern sich die öffentliche Verwaltung zur Aufgabe machen muß. Der Personalaufwand beträgt rund drei Zehntel der Gesamtausgaben.

Viele der in den letzten Jahren geschaffenen Einrichtungen werden nicht nur der jetzt lebenden Generation, sondern auch späteren Geschlechterfolgen den Beweis dafür bieten, daß die Landesverwaltung in den Jahren seit 1945 bis 1960 verantwortungsbewußt und wohlüberlegt zum Wohle des Landes tätig war. Trotz der außerordentlich gestiegenen Gesamtausgaben ist das Land seinen Aufgaben gerecht geworden, ohne das Gleichgewicht im Haushalt zu beeinträchtigen oder nach Erschließung neuer Steuern zu suchen.

Ungelöst blieb bis heute die große Sorge der Tiroler um das verlorene Land im Süden, um unser Südtirol. Das am 5. September 1946 zwischen Italien und Österreich abgeschlossene Pariser Abkommen hat wegen seiner mangelhaften Durchführung die schwierige Situation der Südtiroler nicht behoben. Es ist unverständlich, daß dem bescheidenen Wunsch der Südtiroler auf Gewährung einer echten Autonomie in Gesetzgebung und Verwaltung und auf Erhaltung des Volkstums seitens Italiens nicht stattgegeben wurde. Österreich hat sich daher über Drängen Tirols an die Vereinten Nationen gewandt. Mögen die Worte in der Charta der Vereinten Nationen, denen zufolge großen und kleinen Nationen die gleichen Rechte zugesichert und die Achtung vor eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen feierlich verkündet wurde, nicht nur schöne Worte bleiben, sondern auch unseren Brüdern und Schwestern in Südtirol Gerechtigkeit und Freiheit bringen.

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