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Die österreichische Waldstandsaufnahme, ihre Ergebnisse und Folgerungen

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Die für die gesamte Forst- und Holzwirtschaft sehr wichtige Maßnahme einer „ersten allgemeinen Waldstandserhebung’’ oder kurz „Waldstandsaufnahme” wurde im Jahre 1951 nach vielen Schwierigkeiten — sogar verfassungsmäßiger Natur — in Angriff genommen. Nicht minder groß sind die ihrer Durchführung sich entgegenstellenden Hindernisse gewesen, denn man möge sich erinnern, daß wir damals noch besetztes Land waren und die Besatzungsmächte damit einverstanden sein mußten. Während im Westen die modernen Errungenschaften einer Luftbildaufnahme verwendet werden konnten, war dies im Osten nicht möglich, und die sogenannten USIA-Betriebe konnten überhaupt nicht betreten werden.

Die 1935 letztmalig angelegte Forststatistik hęruht nįcht auf Erhebungen und gibt über Waldzustand, nachhaltige Holzerzeugungsmöglichkeit beinahe keinen Aufschluß. Außerdem sind die 43 Prozent der Waldfläche umfassenden Forsteinrichtungsoperate leider sehr ungleichwertig, während der Waldzustand der restlichen 57 Prozent des weitaus überwiegenden Bauernwaldbesitzes mehr oder weniger unbekannt war.

Wenn man ferner .bedenkt, daß sich die forstlichen Verhältnisse infolge der verschiedensten Ursachen, wie Besitzveränderungen, Holzpreis, krisenbedingte Ueberschlägerungen. seit 1935 gründlich geändert hatten, so wird die Notwendigkeit einer Inventur de.s Wald-

zustandes, holzvorrats- wie standortsmäßig, für ein Holzüberschußland, das auf den Export angewiesen ist, kaum geleugnet werden können. Daß wir dabei auch über Qualität, Altersklassen, Holzartenmischungen, Schutzwaldungen, Wälder schwieriger Bringungsart, Durchforstungsmöglichkeit, Aufforstungsrückstände usw. Klarheit erhalten wollten, versteht sich von selbst.

Während nun in jedem Geschäft eine jährliche , Inventur nicht nur Vorschrift, sondern schon eine Selbstverständlichkeit ist, konnte man sich zu dieser großen Inventur des österreichischen Waldes mit seinen rund 240.000 Besitzern wegen der damit verbundenen Kosten und eingangs erwähnten Schwierigkeiten nur gezwungenerweise entschließen. Den Hauptanstoß und eine wesentliche finanzielle Erleichterung bildete das österreichische ERP- Investitionsprogramm 1949/50 bis 1953, welches eine nachhaltige Holzerzeugungsmöglichkeit von nur 7,7 Millionen Festmeter mit Rinde (fm m. R.) auf Grund von Schätzungen und Erfahrungsziffern den in der Folge durchzuführenden Maßnahmen zugrunde legte. Diese Menge wurde als zu niedrig erachtet, weil der Bedarf der Wirtschaft und des uns umgebenden Auslandes mit weitaus niedrigeren Bewaldungsziffern als bedeutend höher ermittelt und auch erkannt wurde.

Der Entschluß zur Waldstands’nfnnhme war daher die richtige Folgerung aus der Erkenntnis, daß man bei dem für die österreichische Wirtschaft und Bilanz so wichtigen Grundstoff, wie ihn das Holz darstellt, und angesichts der Bedeutung des Waldes für die Landeskultur als seinem Lieferanten, nicht immer nur auf Schätzungen angewiesen sein darf und kann, sondern für die Folgezeit nur auf sicheren und genauen Erhebungen und Grundlagen aufbauen kann.

Oesterreich ist in dieser Hinsicht übrigens nicht Vorläufer und Vorbild, sondern hat nur das getan, was die anderen Ueberschußländer Europas, z. B. Schweden und Finnland, schon zweimal und zur selben Zeit ein drittes Mal getan haben. Für jene beiden Länder bedeutet das Rohprodukt Holz soviel wie für Oesterreich, es bildet einen Hauptfaktor im Inland wie im Export, nur mit dem Unterschied, daß es dort mehr gewürdigt und geschätzt wird als bei uns, wenn es darum geht, fördernde Maßnahmen zu ergreifen und zu finanzieren, um ein höchstmögliches Produktionsmaximum zu erreichen. Von den Anstrengungen der holzarmen Länder zu sprechen, um entweder Fehler der Vergangenheit auszumerzen oder Handelsbilanz und Landeskultur zu verbessern, erübrigt sich in diesem Zusammenhang.

Das im Jahre 1956 veröffentlichte, aus der ungeheuren Arbeit mit Millionenziffern erarbeitete Rohergebnis wird durch unmaßgebliche, derzeit noch in Zusammenstellung begriffene Details für Gerichtsbezirke und Länder nicht mehr beeinflußt, gibt uns schon den Rahmen und beinhaltet — kurz zusammengefaßt — folgendes:

1. Die Waldfläche Oesterreichs hat sich wohl um zirka 160.000 Hektar auf 3,3 Millionen Hektar vermehrt; die Wirtschaftswaldfläche beträgt 2,7 Millionen Hektar.

2. Die nicht bestockte, daher aufzuforstende Waldfläche einschließlich von Blößen der I. Altersklasse umfaßt 222.000 Hektar, ohne diese letzteren 190.000 Hektar.

3. Das Altersklassenverhältnis ist ganz und gar kein normales, weil der Anteil der III. Altersklasse (40 bis 60 Jahre) besonders im nichteingerichteten Wald, d. i. vorwiegend im Bauernwald, überwiegt; im Großwald mit über 200 Hektar Flächenausmaß ist dieses Verhältnis bessef bzw. kann als fast normal bezeichnet werden.

4. Der Holzmassenvorrat im ganzen Bundesgebiet beträgt rund 150 Festmeter je Hektar; dieser wird im allgemeinen im Großwaldbesitz wesentlich überschritten, während er imti Bauernwald iriit ‘durchschnittlich -118 Fest-t meter Holzmassefivorrat je Hektar nicht erreicht wird.

5. Der nachhaltige jährliche Hiebsatz für ganz Oesterreich wurde auf Grund des Holzzuwachses mit 8,5 Mill. Erntefestmeter berechnet.

Durch die Waldstandsaufnahme wurden die Schätzungen des seinerzeitigen Investitionsprogramms bezüglich des nachhaltigen, zulässigen Jahreseinschlages einschließlich Durchforstungsmöglichkeit und Ausmaß der aufzuforstenden Flächen leider nicht nur bestätigt, sondern die damals zugfundegelegten Ziffern bezüglich rückständiger, aufzuforstender Flächen noch übertroffen.

Als Forstmann könnte man sich daher auf Grund dieses Ergebnisses fast die Frage stellen, ob der Titel der vorliegenden Sonderbeilage „Alpenland — Holzland” noch gerechtfertigt ist! Der Forstmann, die Waldbesitzer, die einsichtigen Wirtschaftsfachleute und Kenner der österreichischen Wirtschaft wissen auch, wieso es dazu gekommen ist und welche Umstände dazu beigetragen haben. Sie wissen auch, was davon zu halten ist, wenn, wie es nicht ungern geschieht, der Waldbesitz als der Prügelknabe und Urheber dieses derzeitigen Zustandes bezeichnet wird und die Dinge teils in Unkenntnis, teils aus gewisser Absicht so dargestellt werden, als ob die Wirtschaft und mit ihr die Holzwirtschaft gezwungen wird, das ihr zu reichlich dargebotene Holz aufnehmen zu müssen.

Für den Nichtforstmann bedeutet dieses Ergebnis — kurz kommentiert — das Bestehen von folgenden Hauptproblemen: Notwendigkeit der Senkung des jährlichen Einschlages auf das nachhaltige ‘zulässige Ausmaß, Sanierung des Bauernwaldes, Aufforstung, Durchforstung usw., die alle mehr oder weniger ineinandergreifen oder sich gegenseitig bedingen.

In Erkenntnis der Sachlage und Problemstellung hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft als einzige richtige Folgerung ein langfristiges, also ein Long-Term-Pro- gramm, für die nächsten 30 Jahre ausgearbeitet. Man könnte es ruhig auch als Sanierungsprogramm bezeichnen! Wem der Zeitpunkt zu lange erscheint, dem muß man entgegenhalten, daß die Forstwirtschaft mit anderen Wirtschaftssparten infolge ihres naturbedingten, über Generationen hinausreichenden Wuchszeitraumes nicht verglichen werden kann und darf und diese Fristsetzung von 30 Jahren nicht hindert, zum Probegalopp von 15 Jahren als erstes Ziel zu starten.

Wir stehen nun vor der Wahl zweier Alternativen: Entweder die Nutzungen radikal entsprechend dem Zuwachs von 8,5 Millionen Festmeter einzurichten, das heißt, der Ueber- schlägerung Einhalt zu gebieten und den Einschlag entsprechend herabzusetzen; oder mehr Holz für die nächste Gegenwart und Zukunft im Wege der verschiedenen, im Programm aufgezählten Maßnahmen und der von uns von der- Natur gebotenen oder vorgeschriebenen Möglichkeiten zu erzeugen und den Einschlag nur sukzessive unter teilweiser Berücksichtigung von Wirtschaft und Bedarf zu senken.

Wohl unbestritten wird die Entscheidung zugunsten der zweiten Alternative fallen müssen. Demnach enthält das Programm mit der Zielsetzung „Echte Mehrproduktion bei Erhaltung der Bodenkraft” folgende Maßnahmen oder Bedarfsgruppen:

A. Bedeutend verstärkte Aufforstung und Wiederbewaldung der dazu geeigneten Flächen;

B. Fortsetzung der Erschließung der Wälder;

C. Forstpflegemaßnahmen;

D. Verstärkte Durchforstung;

E. Rationelle Rphhölzverwertung oder Kampf gegen die Holzfehlverwendung;

Außerhalb des Programms sind noch notwendig:

F. Aufklärung, Schulung und Propaganda, um die Waldgesinnung zu wecken oder zu steigern;

G. Forstschutzmaßnahmen und

H. Aufforstungen im Interesse der Landeskultur.

Der Raum gestattet es nicht, näher auf diese Punkte einzugehen. Notwendig erscheint es aber, festzustellen, daß zur Durchführung des Programms ein Gesamtbedarf von 5,6 Milliarden Schilling errechnet wurde und im gesamten 30 Prozent aus Eigenmitteln der Waldbesitzer, 20 Prozent aus Subventionen des Bundes und der Länder für den Kleinwald und zu 50 Prozent durch rückzahlbare Darlehen aus außerordentlichen Mitteln zu einem den besonderen Verhältnissen der Forstwirtschaft und der kleinbäuerlichen Betriebe angepaßten Zinsfuß und entsprechenden Darlehensbestimmungen gedeckt werden soll.

Ein erfolgreicher Aufbau der Forstwirtschaft mit dem erwähnten Ziel einer echten Mehrproduktion verlangt aber infolge der innigen Verflechtung mit anderen Wirtschaftssparten die Unterstützung und Untermauerung durch entsprechende Vorkehrungen, besonders in den mit der Forstwirtschaft auf Gedeih und Verderb verbundenen Wirtschaftssparten wie Landwirtschaft und Holzwirtschaft oder den kollidierenden Sektoren. Die Finarizwirtschaft muß dabei helfend, durch entsprechende Berücksichtigung der Struktur und Eigenart der Forstwirtschaft mit der naturbedingten Langfristigkeit ihres Produktionszeitraumes, zur Seite stehen.

Eine hierbei notwendige stärkere Beachtung der Forstwirtschaft im Rahmen gesamtstaatlichen Wirtschaftskonzeptes erscheint gerechtfertigt, wenn man die Bedeutung des Waldes für die Allgemeinheit bedenkt und auch die Einschränkungen betrachtet, die sich der private Waldbesitzer bei der Benützung seines Eigentums im Interesse dieser Allgemeinheit auferlegen lassen muß.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die erste österreichische Waldstandserhebung hat somit gezeigt, daß der zulässige und tatsächliche Holzeinschlag erheblich auseinanderklaffen und daß eine Beiljehaltung dieses Zustandes nicht nur zu einem unverantwortlichen Raubbau führen würde, sondern auch eine Gefährdung des Waldes und der mit seiner Existenz verbundenen Wohlfahrtswirkungen heraufbeschwören könnte. Wir haben die Wahl zu entscheiden zwischen zwei Alternativen! Mit dem allein an die Adresse „Forstwirtschaft” gerichteten Verlangen, von nun an viel weniger zu Schlägern als bisher, ist im y Interesse einer gesunden Waldwirtschaft noch herzlich wenig getan.

Es liegt somit die Verwirklichung der zweiten, als richtig erkannten Alternative, nämlich einer echten Mehrproduktion mit nur allmählicher Senkung des Einschlages oder die Verwirklichung des Programmes überhaupt nicht nur in forstlichen Händen, sondern bedarf außer der verständnisvollen Haltung der Zusammenarbeit der verschiedensten Dienststellen, ja des ganzen Volkes.

Diese Abhandlung soll für jene, die sich dafür interessieren, nur der erste Schritt zu einer Information sein, um was es sich handelt und worum es letztlich geht, nämlich: die Sicherung des Rohstoffes Holz für die Zukunft Oesterreichs und dessen Landeskultur!

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