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Die Leistungsgrenzen der österreichischen Forstwirtschaft

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Mit einem sehr bedeutenden Aufwand an Geldmitteln hat das Landwirtschaftsministerium eine gründliche Inventur des österreichischen Waldes, die Waldstandsaufnahme, vornehmen lassen. Sie ist die erste Untersuchung dieser Art in Oesterreich, in verschiedenen Auslandsstaaten dagegen gehört sie bereits zur laufenden Uebung. Das erste, vorläufige Ergebnis der Waldstandsaufnahme wurde im März veröffentlicht. Sie ist begreiflicherweise nicht nur für die Forstwirtschaft, sondern für unsere gesamte Volkswirtschaft, in der Wald und Holz eine wichtigere Rolle spielen als in vielen anderen Staaterj, von der größten Bedeutung. Nach diesem Ergebnis liegt die Waldfäche bei 3,3 Millionen Hektar, das ist um etwa 5 Prozent mehr, als vor zwanzig Jahren erhoben wurde. 2,7 Millionen Hektar sind Wirtschaftswald, 0,6 Millionen Hektar dienen in mehr oder weniger hohem Maße den anderen wichtigen Funktionen des Waldes: vom Weidewald bis zum ertragslosen Schutzwald in den Hochlagen. Der stockende Holzvorrat ist mit 150 Festmeter je Hektar ermittelt, was nach Ansicht des Ministeriums und aller Fachkreise sehr bescheiden ist. Die Nutzungsmöglichkeit für die Zukunft wurde auf Grund sorgfältiger und umständlicher Untersuchungen mit 8,5 Millionen Erntefestmeter jährlich angegeben.

Ein Vergleich des stockenden Holzvorrates mit einem früheren Stand ist gar nicht möglich, weil nie vorher eine Erhebung stattgefunden hat; ein Vergleich der Nutzungsmöglichkeit mit einer Erhebung des Jahres 193 5, die 9,1 Millionen Festmeter gab, ist nur von allerbeschränktestem Wert, weil Grundlagen, Methode und Genauigkeitsgrad völlig verschieden sind. Indessen muß das fachliche Urteil zugeben, daß das jetzige Resultat durch vorhergegangene übermäßige Beanspruchungen beeinflußt ist und der österreichische Wald der Schonung bedarf.

Rein forstlich gesehen wäre eine Herabsetzung der Nutzungen auf das als zulässig befundene Ausmaß dringendst wünschenswert. Ihre volkwirtschaftlichen Folgen sind allerdings so ernst bei der hohen Abhängigkeit unserer Binnen- und Außenhandelswirtschaft vom Holz, daß eine Ausgleichszeit und ein vorsichtiges Vorgehen unvermeidlich erscheinen. Sache der Waldwirtschaft wird es sein, durch eine, alle technischen Möglichkeiten ausnutzende Produktionssteigerung die Folgen einer Herabsetzung der Schlägerung baldmöglichst zu kompensieren. Es gibt hierfür kurzfristige und langfristige Maßnahmen. Beide müssen ergriffen werden. Von den kurzfristigen seien genannt: eine Steigerung der Durchforstungen, die im österreichischen Wald, besonders im Kleinwald und im Hochgebirge noch lange nicht den möglichen und anderwärts schon realisierten Intensitätsgrad erreicht haben; der Anbau raschwüchsiger Holzarten, besonders Pappeln, auf geeigneten Böden, der schon im Zuge ist; die Fortsetzung der seit der ERP-Hilfe großzügig fortschreitenden Aufschließung des Gebirgs-waldes durch Wegbauten; endlich die Wieder-inbestandbringung von 165.000 Hektar Kahlflächen, die im Zuge der Waldstandsaufnahme vorgefunden wurden.

Unter den langfristigen Maßnahmen spielt die Neuaufforstung die allerwichtigste Rolle. Alte Rückstandsflächen, Hochgebirgsweiden, Flächen an der oberen Waldgrenze, Windschutzstreifen in der Ebene und andere. Eine Erhebung hat ebenfalls 165.000 Hektar als hierfür geeignet ergeben.

Diese Maßnahmen und hierzu Verbesserung herabgekommener Böden, Kampf gegen eine weitere Besitzzersplitterung, lassen eine Steigerung der- Schlägerungsmöglichkeit um einen Betrag von 1 bis 1 lA Millionen nach einer Reihe von Jahren durchaus möglich erscheinen.

Damit die Zwischenzeit den Wald nicht durch übermäßige Rohstoffanforderungen ernstlich schädige, wäre eine gewisse Beschränkung in der Kapazität der Verarbeitungen ein dringender Bedarf: Neuerrichtung von Holzverarbeitungsstätten nur nach sorgfältigster Prüfung und im Einvernehmen mit forstlichen Stellen.

Die Lage des österreichischen Waldes ist so, daß wir uns vielleicht nicht als reich betrachten können, auf jeden Fall aber auch keinen Grund zu einer Panik haben.

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