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Der österreichische Wald - seine Gefährdung - seine Bewahrung Von Dipl.-Ing. Karl Adaraik, Professor der Technischen Hochschule Graz

Zu den wertvollsten Besitztümern Österreichs hat immer der Wald gezählt. Er bestimmt das Antlitz der heimatlichen Landschaft; unter seinem grünen Mantel birgt er Lebensbedingungen des österreichischen Menschen, der Natur und unserer Wirtschaft.

Wie lange wirduns der Wald noch bleiben? Der Mensch legt Axt an ihn und unbarmherzig hat er in den letzten Jahren in seine Substanz gegriffen. Noch werden 37 Prozent der Gesamtfläche unserer Heimat vom Walde bedeckt. Ein Prozentsatz, der hoch ist gegen die 27 Prozent in Deutschland, 26 Prozent in den USA, 19 Prozent in Frank-reich, wenig aber gegen die 56 Prozent Schwedens und 44 Prozent Rußlands.

Seit 1935 ist durch Uberschlägerungen die Waldfläche in Österreich nach Schätzungen um 90.000 ha vermindert worden, davon, allein in Niederösterreich um 62.000 ha. Man treibt Raubbau. Fortgesetzt wird die Substanz kleiner. Man schätzt die Uberschlägerungen der letzten zwanzig Jahre auf 70 Millionen Festmeter.

Sie begannen bereits vor 1938; in den Jahren 1938 bis 1945 verstärkten sie sich bis zum Raubbau. Seit 1945 ist dem unheilvollen Prozeß kein Einhalt geboten worden. Jetzt, da Holz und seine Haibund Ganzfabrikate wichtigstes Exportgut geworden sind, 24 Prozent des Gesamtwertes der österreichischen Ausfuhr darstellen und uns helfen müssen, auf dem Weltmarkte uns unentbehrliche Güter einzutauschen, ist in der großen ökonomischen Krise der Gegenwart die Verlockung groß, das Leben aus der Substanz in der Waldwirtschaft womöglich noch rücksichtsloser zu führen als bisher.

Was bisher geschah, und, wenn nicht Abhilfe geschaffen wird, auch noch weiter geschehen wird, das wird noch weniger zu rechtfertigen sein durch die Art der Verwertung des eingeschlagenen Holzes. Man rechnet im allgemeinen bei der Verwertung des Einschlages mit einem natürlichen Brennstoffanfall von zehn Prozent. Bei uns aber dient zirka ein Drittel Feuerungszwecken. In Niederösterreich verbrauchte im Holzwirtschaftsjahr 1949 764.000 Festmeter, also 42 Prozent des Holzeinschlages, die Heizung.

Es ist kein Trost, daß in ganz Europa mit dem Wald nicht besser, oft noch schlechter umgegangen wird als bei uns. Der gesamte jährliche Holzzuwachs Europas wird auf 225 Millionen Festmeter beziffert, dem aber eine Schlägerung von 310 Millionen Festmeter gegenübersteht. Fahren die Menschen in dieser Defizitwirtschaft fort, so wird derschlagbare Vorrat an Holz in 50 bis 60-Jahren verbraucht sein. In den USA vollzieht sich diese Entwicklung womöglich noch ungünstiger.

Heute ist in der ganzen Welt Holz eine Mangelware. Gleichzeitig steigen dauernd, durch neueröffnete technische Produktionsverfahren, die industriellen Verwertungsmöglichkeiten.

So ist es Aufgabe, vor allem unter den besonderen wirtschaftlichen Existenzbedingungen Österreichs — lebenswichtige Aufgabe, unseren Wald zu erhalten und gleichzeitig mit der strengen Achtung dieses ersten Gesetzes unserer Wirtschaft den Rohstoff Holz zu sichern, durch dessen Beschaffung, Bringung oder Verarbeitung hunderttausende Menschen ihr Brot verdienen und viele hunderte Klein- und Mittelbetriebe und nicht wenige große industrielle Werke Arbeitsverdienst und Ware beschaffen. Beide Ziele, die Bewahrung unseres Waldbesitzes und die ökonomisch zweckentsprechende Nutzung dieses österreichischen Schatzes sind durchaus vereinbar und vernünftigerweise untrennbar zusammengehörig: Es bedarf dazu einer Ratio-nalisierungunsererHolzwirt-schaftnachdemStandemoder-ner Erfährung und wissenschaftlicher Erkenntnis. Selbstverständlich setzen die richtigen Maßnahmen die genaue Prüfung aller Fragen, die mit dem Holze, seiner Urproduktion und seiner Verwendung zusammenhängen, voraus.

Solche Erkenntnisse haben die führenden Köpfe der steirischen Landesregierung mit einem Vorhaben beschäftigt, den gestellten Aufgaben mit einer ernsthaften, weitreichenden Tat zu entsprechen. Steiermark, das holzreichste österreichische Bundesland, in dem bei tausend Sägewerke liegen und die Papier- und Zellu-loseindustrie mit 42 Prozent der gesamten österreichischen Produktion die Spitzenleistung erbringt, erschien am meisten dazu beauftragt. So kristallisiert sich das Vorhaben in der Planung eines österreichischen zentralen Holzforschungsinstituts, das eine biologische Abteilung und in ihrem zweiten und dritten Sektor die mechanische und die chemisch-mechanische Holzverwertung umfassen wird. Dem Plan wurde schon 1945 in gewissem Maße der Weg bereitet durch den Aufbau einer Abteilung für Papier-und Zellstofftechnik an der Grazer Technischen Hochschule, die allfällig mit verwandten Instituten der Hochschule dem zu errichtenden zentralen Holzforschungsinstitut Anlehnung und Zusammenarbeit wird bieten können. Das Institut, dem Praxis und Wissenschaft eine ansehnliche Schar von erprobten Fachleuten bereitgestellt haben, wird voraussichtlich noch in diesem Frühjahr in der Nachbarschaft der Grazer Technischen Hochschule in Bau gehen.

Hier werden Arbeitserfahrung und Forschung zu einem großen, für unseren Staat bedeutsamen Werke einsetzen. Wir werden nach dem diesjährigen Lawinenwinter wahrlich nicht vergessen dürfen, was die Pflege des Waldes und das zielbewußte Verwenden und Haushalten mit seinen Schätzen bedeutet; die Erhaltung eines Waldes, der noch vor wenigen Jahren schützend ober Heiligenblut stand, hätte uns eine Katastrophe erspart.

Mit eindringlicher Deutlichkeit nimmt zu diesem Problem der Leiter der Stelle für Bodenschutz der Pan-Amerikanischen Union, William Vogt, in seinem Buche „Wird die Welt zu klein“ Stellung:

Der Raubbau, den wir auf vielen Gebieten der Nutzung der Hilfsquellen betreiben, die der Menschheit zur Verfügung stehen, zwingt uns, daran zu erinnern, daß ganze Zivilisationen ausgerottet wurden, weil durch die Zerstörung des Waldes auch der Kreislauf des Wassers unterbrochen wurde. Gerade der Wald erhält den Austausch des Wassers von der Luft auf das Land und wieder zurück. Fehlt er, verringern sich in bedenklicher Weise die Wasservorräte. Diese Zerstörung des Kreislaufes des Wassers und die damit ermöglichte ungehinderte Einwirkung von Regen und Wind haben die Erdkruste abgetragen, aber niemals vorher ist d i e s% r Kreislauf so erschüttert worden wie jetzt, bei einer niemals vorher so großen, in die Milliarden gehenden Bevölkerung.

In der gegenwärtigen menschlichen Tragödie stellt die Zerstörung des Bodens durch den unkontrollierten Wassertropfen das größte

U b e 1 d a r.- Dieser Kreislauf des Wassers muß auf der ganzen Welt durch verbesserten Forstschutz, Aufforstung und bessere wirtschaftliche Methoden wieder so geregelt werden, damit eine weitere Zerstörung des Boders verhindert wird.

Für das vernünftige Zusammenwirken gibt es nur einen erfolgversprechendenPlan: Forschung, Erziehung und praktische Arbeitl Wir müssen uns bemühen, die Naturgesetze besser zu erkennen; sie durch die Erziehung dem Bewußtsein der Allgemeinheit näherbringen und sie eng mit dem praktischen Leben verbinden.

Weder menschliche zeitbedingte Paragraphen noch menschliche Verordnungen können sich dauernd in Widerspruch zu den Naturgesetzen stellen. Sie werden von ihnen hinweggefegt; denn diese Gesetze waren, sind und werden sein, ohne daß der Mensch in der Lage ist, sie seinem Willen unterzuordnen.

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