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Energie aus dem All, vom Mond Rohstoffe?

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Ist der Energie-Import aus dem Weltraum die letzte Chance unserer Zivilisation? Der Autor dieser provozierenden Thesen ist Herausgeber der im Heyne Verlag, München, erscheinenden Science-Fiction-Romane (SF), der Beitrag ist ein stark gekürzter Auszug aus einem Vortrag, den er vor einiger Zeit in Den Haag vor Futurologen gehalten hat.

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Ist der Energie-Import aus dem Weltraum die letzte Chance unserer Zivilisation? Der Autor dieser provozierenden Thesen ist Herausgeber der im Heyne Verlag, München, erscheinenden Science-Fiction-Romane (SF), der Beitrag ist ein stark gekürzter Auszug aus einem Vortrag, den er vor einiger Zeit in Den Haag vor Futurologen gehalten hat.

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Angesichts der Not und des Elends in der Dritten Welt halten mehr und mehr Menschen, vor allem Umweltschützer, aber auch eine wachsende Zahl von Politikern, Journalisten und sogar Wissenschaftlern die Raumfahrtaktivitäten, besonders bemannte Missionen, für einen Luxus, den sich die Industrienationen guten Gewissens nicht mehr leisten können. Milliarden Dollar für das Herbeischaffen von ein paar Kilo Mond- oder Marsgestein, wo täglich in der Dritten Welt 40.000 Menschen, vor allem Kinder, verhungern und täglich Hunderttausende durch Eiweißmangel irreparable Gehirnschäden davontragen?

So in die Enge getrieben, verweisen die Befürworter meist auf die legendäre Teflon-Pfanne, die weltweite Telekommunikation via Satellit, die Erdbeobachtung, die neue Ressourcen auszumachen in der Lage sei, Wirbelstürme voraussagen und mit Falschfarbenaufnahmen das Waldsterben, das Ozonloch und ähnliche großtechnisch betriebene Umweltverwüstungen dokumentieren könne. Und überhaupt koste die Raumfahrt nur einen winzigen Bruchteil dessen, was alljährlich weltweit für Rüstung ausgegeben werde.

Carl Sagan zum Beispiel weist nach, daß allein die Differenz zwischen den geschätzten und den tatsächlichen Kosten eines einzigen Waffensystems, nämlich der inzwischen schrottreifen Rakete Minuteman III, in einem einzigen Jahr - nämlich 1970 - mehr Mittel verschlungen hat als die sogenannte Grand Tour der Voyager-Sonden, die auf ihrer 15 Jahre langen Reise Fotos und Daten der entlegenen Planeten des äußeren Sonnensystems zur Erde sandten.

Es gibt indes zwei Argumente, die, obzwar häufig übersehen und in den Diskussionen selten genannt, für die Raumfahrt sprechen, ja sie unverzichtbar machen, wenn die Menschheit eine Zukunft haben soll. Es sind bezeichnenderweise zwei langfristige Aspekte. Bei dem heute üblichen Denken in Geschäftsjahren und Legislaturperioden verliert man leicht den Blick für Entwicklungen, die sich überGenerationen, Jahrhunderte oder gar Jahrtausende hin vollziehen. Jes-co von Putkamer, ein deutscher NASA-Mitarbeiter, bezeichnet dieses Phänomen als „Generationschauvinismus".

Fassen wir zunächst das Energieproblem "ins Auge. Seine Lösung ist keine Science Fiction mehr, sondern bittere Notwendigkeit - aber sie droht am genannten Generationschauvinismus zu scheitern. Wir verpulvern pro Tag mehr fossile Brennstoffe, als sich in der Vergangenheit in einem Jahrtausend ansammeln konnten. Es ist uns in knapp 200 Jahren Industriezeitalter gelungen, fast alle Energiereserven zu verbrauchen, die sich in Hunderten Millionen Jahren in Form von Erdöl, Erdgas und Kohle angesammelt haben. Es sind derzeit neun bis zehn Milliarden Tonnen Öl pro Jahr, die w ir verbrennen. Nach Schät-

zungen von Experten (ich stütze mich auf eine Studie Reinhard Dahlbergs, vormals Direktor der Firma AEG, „Die großtechnische Nutzung der Sonne", sowie ein Interview mit ihm) werden diese Quellen etwa um das Jahr 2040 versiegen. Ein saudiarabischer Teilnehmer einer Tagung der Universität Bahrein: „Uns reicht das Öl noch 600 Jahre. Macht doch ihr (die Industriestaaten), was ihr wollt!" Diese Bemerkung läßt ahnen, was sich in diesen sensiblen Regionen anbahnen könnte: erbitterte Verteilungskämpfe um die Reste der Ressourcen.

Atomkraft also? Um die Energielücke des Öls bis zum Jahr 2040 zu schließen, würden wir bis dahin weltweit 60.000 Kernkraftwerke brauchen. Jährlich müßten 1.200 Reaktoren ans Netz gehen! Eine aberwitzige Vorstellung. Kernkraftwerke kann man nicht in die Wüste stellen, sie brauchen Kühlwasser, und das bedeutet in der Regel Standorte in dichtbesiedelten, fruchtbaren Regionen. Das hieße Reaktoren in Sichtweite voneinander, vor Abwärme siedende Flüsse, noch mehr Beton, noch mehr Sicherheitsmaßnahmen, noch mehr Atommüll und Endlager und jedes Jahr irgendwo ein Tschernobyl oder Schlimmeres.

Dahlberg schlägt einen großtechnischen Aufbau der Wasserstoffenergie vor. Auf gewaltigen Energieplantagen soll Sonnenlicht in elektrischen Strom umgewandelt und damit Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt, der Wasserstoff in Pipelines in die Industrieregionen geleitet werden. Das würde bedeuten, daß die EG große Gebiete in der Sahara pachten müßte. Das heutige durch Öl gedeckte Energieaufkommen der Bundesrepublik würde allein etwa hundert solcher Plantagen in einer Größe von je zehn mal 4,5 Kilometern erforderlich machen. Etwa 400 Milliarden Mark wären für die Installationen dieser Anlagen nötig. Das Projekt hat freilich gravierende Nachteile: Selbst in Wüsten wie der nördlichen Sahara, die eine der höchsten Einstrahlungsquoten für Sonnenlicht hat, sind die Bedingungen nicht ideal. Das Tages-gestim steht auch bei höchstem Stand nicht senkrecht, viel Licht geht beim Durchgang durch die Erdatmosphäre verloren, bei Nacht ist die Energieausbeute gleich null. Die Anlage ist der Witterung ausgesetzt, sie muß regelmäßig von Sand und Staub gesäubert werden. Wasserstoff-Pipelines sind höchst explosiv und fordern terroristische oder militärische Aktionen geradezu heraus.

Ungeklärt sind auch die klimatischen Konsequenzen: Hunderte von Quadratkilometern Wüstenboden würden nicht mehr von der Sonne erwärmt. Weitaus sinnvoller wäre es. die Energiegewinnung - wenigstens teilweise - ins Weltall zu verlegen. Die Sonneneinstrahlung wäre rund um die Uhr optimal, die Antennen wären ständig auf die Sonne ausgerichtet und würden pausenlos von ihrem ungetrübten hochenergetischen Licht gebadet. Die Ausbeute an pho-tovoltaisch erzeugtem Strom wäre ein Vielfaches der auf der Erde erzielbaren.

Bereits Mitte der sechziger Jahre gab es eine NASA-Studie des amerikanischen Physikers Peter E. Glaser. Sie wurde als unrentabel eingestuft und auf Eis gelegt. Noch vor sechs Jahren waren Raumfahrtspezialisten von MBB (Messerschmidt-Bölkow-Blohm) ziemlich skeptisch hinsichtlich der Realisierung eines derartigen Projekts. Seit zwei Jahren liegt ein Szenario von MBB vor: „Unbegrenzte, saubere Energie aus dem Weltall. Globales Energiekonzept für das 21. Jahrhundert" („Luft- und Raumfahrt", Heft 2/1989). Es wurde nämlich in derPhotovoltaik(Direktumwandlung von Licht in Strom, Anm. d. Red.) in den letzten Jahren ein entscheidender Durchbruch erzielt: die Technologie des amorphen Siliziums. Bei der Herstellung von Solarzellen müssen nicht mehr Blöcke kristallinen Siliziums zersägt werden, sondern amorphes Silizium wird auf hauchdünne Folien aufgedampft, was für den Transport in den Raum eine ganz entscheidende Gewichts- und Volumeneinsparung bedeutet.

Sonnensegel entfalten sich durch Drehung von selbst. Kraftwerke im Weltraum würden erdnahe montiert, begännen zu arbeiten und könnten ihre erste gewonnene Energie dazu verwenden, sich mit Hilfe von Ionen-Triebwerken in eine geostationäre Position zu schrauben, wo sie zwischen den Kommunikationssatelliten geostationär „vor Anker gehen" und ihre Energieausbeute in regelmäßigen Abständen in Form gebündelter Mikrowellenschübe lasergesteuert an Empfangsstationen auf der Erdoberfläche übermitteln.

Dies ist das einzige vernünftige Energiekonzept, das sich in Reichweite befindet, um die Erde vor einer Klimakatastrophe zu bewahren und trotzdem eine technische Zivilisation aufrechtzuerhalten. Freilich sind die erforderlichen Investitionen gigantisch, aber sie sind unerläßlich. Die Evolution, das Leben auf der Erde, hat in Gestalt des Menschen und seiner hochentwickelten Technik eine kritische Phase erreicht. Es ist ein echter Point of no return: Die Rollbahn ist zu Ende, wir müssen abheben um jeden Preis. Wir müssen Astronauten werden.

Damit sind wir beim kosmologi-schen Aspekt einer fortschreitenden Evolution. Sind wir allein im Kosmos? Besteht die Möglichkeit, daß sich auch unter anderen Sonnen auf geeigneten Planeten Leben entwickelt hat und diese Entwicklung in denkenden, intelligenten Lebewesen gipfelte? Die Annahme, daß dies ausschließlich auf der Erde der Fall gewesen sein könnte, steht gegen alle Wahrscheinlichkeit und ähnelt zu sehr der anthropozentrischen Eitelkeit von einst. Die Hypothesen über außerirdische Zivilisationen ähneln freilich eher einem Ratespiel.

Es hat in den sechziger und siebziger Jahren Projekte gegeben, nach Signalen extraterrestrischer Zivilisation zu lauschen. Bisher war die Suche erfolglos. In den neunziger Jahren ist eine weitere Suchaktion mit besseren Instrumenten und ausgeklügelten computergestützten Methoden geplant, sogenannten Multi-Channel Spectral Analysers, die in der Lage sind, 14 Millionen Frequenzen gleichzeitig abzuhören. Hundert Millionen Dollar sollen von 1992 bis 1999 für das Mikrowave Observing Project zur Verfügung stehen. Einer Rundumschau als erster Phase soll als zweite eine gezielte Untersuchung von 773 sonnenähnlichen Sternen bis zu 82 Lichtjahren Entfernung folgen. Vielleicht gelingt es diesmal, irgendwo in den Weiten des Alls „elektronischen Müll" zu orten, den jede technische Zivilisation verbreitet und der sie wie eine Wolke umgibt, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnt. Es ist wahrscheinlich nureine Frage der Zeit.

Bis wir auf eine Radioquelle dieser Art stoßen - oder aufgespürt werden, denn inzwischen erfüllt auch die Geschwätzigkeit des Menschen im Umkreis von hundert Lichtjahren einen winzigen Winkel der Galaxis, genauer gesagt, den fünfhundertsten Teil ihres Durchmessers. Bei so gewaltigen Entfernungen ist eine Kontaktaufnahme eine Frage von Jahrhunderten, ein Dialog würde Jahrtausende erfordern. Erst dann werden wir Aufschluß erhalten über fundamentale Fragen der Entwicklung des Lebens, intelligenten Lebens und technischer Zivilisation und ob diese Entwicklung festen Gesetzmäßigkeiten folgt.

Eines scheint sicher zu sein: die Evolution hat sich ein paar Sicherheitsmechanismen vorbehalten. Eine der Fallen, in die die Menschheit tappen kann, wenn sie nicht intelligent genug ist, ist eine tödliche, nämlich die Selbstvemichtung, sei es durch nuklearen Holokaust oder die Pestgänge einer allzu sorglos betriebenen Genmanipulation.

Eine zweite Falle, die nicht sofort tödlich ist, eine planetarische Bevölkerung aber, die nicht intelligent genug ist, ihrer Zukunft beraubt, ist das Scheitern am Energieproblem. Unsere technische Zivilisation konnte sich nur auf der Grundlage der fossilen Ressourcen entwickeln, und sie muß den Schritt in den Raum vollzogen haben, bevor diese Ressourcen verbraucht sind. Sie sind die Wegzehrung, die zur Verfügung steht. Ist sie verbraucht, haben wir uns disqualifiziert. Eine zweite Chance gibt es nicht. Sollten sich Menschenabkömmlinge in femer Zukunft oder andere Intelligenz entwickelnde irdische Lebensformen in Millionen Jahren zu einer neuen Hochzivilisation aufschwingen, wird es keine technische Zivilisation sein, weil die dazu notwendigen fossilen Ressourcen nicht mehr vorhanden sind. An dieser Schwelle droht die Menschheit tatsächlich zu scheitern.

So notwendig und dringend ein vernünftiges Energiekonzept ist, das die Biosphäre schont, eine Realisierung wird von Jahr zu Jahr schwieriger angesichts der Probleme, die durch zunehmende Klimaveränderung und damit verbundene Hungersnöte bald galoppierende Ausmaße annehmen dürften. Nichts gegen Energieeinsparung und Wärmedämmung, Windkraft und Solarzellen auf dem Dach, aber wer es dabei bewenden lassen möchte, ist ein Träumer, der sich über die Größenordnungen nicht im klaren ist. Um eine Weltbevölkerung von sechs Milliarden vor dem Hungertod zu bewahren, ein ausreichendes Transportwesen aufrechtzuerhalten und die gewaltigen Ballungszentren zu ver-und zu entsorgen, bedarf es tatsächlich Energiemengen wie der genannten zehn Milliarden Tonnen Erdöl pro Jahr (die in etwa fünfzig Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen werden) -oder eines Äquivalents.

Diese Energie in sauberer Form aus dem Weltraum zu importieren, wo sie praktisch grenzenlos zur Verfügung steht, ist ein notwendiger Schritt. Dasselbe wird später für mineralische Rohstoffe vom Mond und aus dem Asteroidengürtel gelten. Die Alternative dazu wäre bedrückend: Nach dem Verheizen aller fossilen Vorräte wäre die Erde in eine Dunstschicht aus C02 und Methan gehüllt und der Treibhauseffekt würde voll greifen und sich durch Rückkopplungseffekte verstärken. Das Auftauen heute dauergefrorener Gebiete würde gewaltige gebundene Methanvorkommen in die Atmosphäre abgeben, sterbende Biomasse immer mehr CO, in die Atmosphäre pumpen. Bei efner Zunahme der mittleren Temperatur von 0,55 Grad Celsius pro Jahrzehnt werden sich die Klimazonen um 50 bis 80 Kilometer pro zehn Jahren nach Norden verschieben, aber dieses Mittel droht aus obgenannten Gründen anzusteigen.

Das heißt: Die natürlich angepaßte Vegetation kann nicht ausweichen. Die Wandergeschwindigkeit des Waldes beträgt bei Klimaveränderungen bestenfalls 800 Meter pro Jahr. Er wird also von der Hitze überrannt, stirbt und gibt weiteres CO, frei. Schon im ausgehenden 21. Jährhundert könnte die Sahelzone vom Kongo bis zu den Alpen reichen und die Höchsttemperatur in Mitteleuropa auf 50 bis 60 Grad steigen. Die über den riesigen Wüstengebieten aufsteigenden erhitzten Luftmassen und die stärkere Verdunstung von Meerwasser würden zu einem verstärkten Luftaustausch führen, der Windgeschwindigkeiten mit sich bringt, wie sie die Erde noch nie erlebt hat. Ein winziger Vorgeschmack waren die Stürme dieses Winters.

Durch Versteppung gehen immer mehr landwirtschaftliche Anbaugebiete verloren. Verheerende Unwetter, Stürme und Überschwemmungen beeinträchtigen oder vernichten die Ernten auf den schmal gewordenen Böden, noch schmäler geworden durch den ansteigenden Meeresspiegel beim zu erwartenden, verstärkten Abschmelzen der Polkappen. Solche Szenarien sind leider keine Science Fiction, sondern entstammen Computersimulationen von James Hansen und seinen Kollegen vom Goddard Institute for Space Studies der NASA in Manhattan.

Bei solchen Umweltbedingungen werden Hungerkatastrophen größten Ausmaßes die Weltbevölkerung auf eine Milliarde oder weniger dezimieren. Die Menschheit wird zwangsläufig auf eine niedrigere, vortechnische Zivilisationsstufe zurücksinken, vielleicht sogar in die Barbarei. Vieles spricht dafür, daß dem Menschen ein ungemütlicher, langer Nachmittag bevorsteht, wenn er nicht fünf vor zwölf - und das ist jetzt, falls es nicht schon zu spät ist - seine Chance ergreift und den Schritt in den Weltraum und damit in die Zukunft unternimmt.

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