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Energie gestern, heute, morgen

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Der Begriff Geschichte ist wohl meistens in erster Linie verbunden mit politischen Ereignissen, mit Kriegen und Revolutionen, die auf jeden Fall Not und Elend für unzählige Menschen bedeuten und oft niemandem genützt haben. Darüber hinaus denkt man vielleicht noch an die Kultur und nur reichlich am Rande erinnert man sich der Tatsachen, daß jedem Zeitabschnitt ein bestimmter Stand der Technik zugeordnet ist. Dennoch darf man behaupten, daß die technische Entwicklung an Bedeutung ebenbürtig neben der Politik steht, denn gerade hier fanden und finden jene Revolutionen statt, die nur Erleichterungen und Hilfe bringen müßten, wenn die Menschen guten Willens wären.

Während nun gewisse Zweige der Baukunst beispielsweise schon im alten Ägypten auf hoher Stufe standen, ist die Entwicklung der Maschinen, in die unser Leben förmlich eingebettet ist, meist erst das Ergebnis der letzten zwei Jahrhunderte. So stand etwa Maria Theresia für Reisen prinzipiell dasselbe Antriebsmittel für die Wagen zur Verfügung wie den Pharaonen: Muskelkraft. Jahr tausende hindurch hatte sich daran praktisch nichts geändert. Wohl hatte man — zum Teil unzulänglich — Wind und Wasserkraft auszunützen versucht, aber es fehlte die Maschine, die, unabhängig von den Launen der Natur, Energie in großen Mengen zu erzeugen imstande war.

Grundlegend geändert wurde die Situation durch die Erfindung der Dampfmaschine, die dem 19. Jahrhundert ,das Gepräge geben sollte. Die ersten praktisch ausgeführten Maschinen größerer Leistung schuf der Schmied und Werkzeugmacher Newcomen, der wohl oft in Bergwerke kam, um dort seine Werkzeuge zu verkaufen und dabei die Schwierigkeiten sah, die die Knappen beim Auspumpen des Wassers, das in die Stollen eindrang, hatten. Menschen- und Tierkräfte erschienen ihm unzulänglich, und er baute eine mit Dampf arbeitende Maschine, die das Wasser hob. Damit war der Anfang gemacht. Der Mechaniker James Watt verbesserte die Newcomen- sche Maschine wesentlidi und schuf damit die Grundlagen für ein neues Zeitalter. Die Energieerzeugung wurde unabhängig von Wind und Wetter. Fabriken, schossen aus dem Boden, Hunderttauslende zogen vom Land in die Stadt.

Während die Dampfkraft schon weitest- gehènd praktische Anwendung fand, begannen namhafte Gelehrte wie Volta,

Ohm und Ampère, aber auch berufene Außenseiter wie der ruhige und ausgeglichene Buchbinder Michael Faraday, um nur einige herauszugreifen, ihr

Augenmerk auf eine zwar allbekannte, aber bisher wenig erforschte Naturerscheinung, die Elektrizität, zu richten. Zunächst spielte diese zwar in der

Energiewirtschaft noch keine Rolle,

wurde aber für andere Zwecke, zum Beispiel für die Telegraphie, herangezogen. Erst Siemens mit seiner Entdeckung des dynamo-elektrischen Prinzips gab so richtig den Anstoß zum Auischwung der elektrischen Maschinen. Man begann die Elektrizität für die Energieübertragung heranzuziehen, und bald darauf schon fand auch in Wien die Vorführung einer solchen auf der Weltausstellung 1873; statt. Eine Dynamomaschine wurde von einer Dampfmaschine angetrieben und lieferte Strom für einen Elektromotor, der etliche hundert Meter entfernt aufgestellt war und eine Wasserpumpe in Tätigkeit setzte. Ein bescheidener Anfang, wenn man bedenkt, daß es heute mit ein Grund für die Monopolstellung der Elektrizität ist, daß sie uns die Möglichkeit gibt, größte Energiemengen wirtschaftlich, das heißt billig und mit geringen Verlusten, über große Entfernungen zu übertragen. Auf Österreich angewandt heißt das, daß es nur diese Art der Energieübertragung ermöglicht, unsere natürlichen Wasserkräfte in den Dienst der Energieversorgung zu stellen und auf diese Weise weniger Kohle einzuführen und Devisen einzusparen, ja darüber hinaus Energie aus unseren Vorräten zu exportieren. Der Mann, dem wir die Grundlagen des Drehstromsystems verdanken, das heute allein für große Fernleitungen in Frage kommt, war Nikola Tesla. Wiewohl ein Genie, lebte er dennoch zurückgezogen und bescheiden. Wohl deswegen war er nie so bekannt wie sein Gegenspieler Thomas Alva Edison, der auf die Gleichstromenergieübertragung eingeschworen war. Edison war es auch, der 1879 die vielleicht populärste Errungenschaft der Elektrotechnik in brauchbarer Form ausführte, die elektrische Glühlampe, allerdings in Form der Kohlenfadenlampe. Diese Lampe wurde wesentlich verbessert, als der Österreicher Auer von Welsbach im Jahre 1898 den Osmiumfaden einführte. Die erste öffentliche elektrische Beleuchtung in Wien wurde im Jahre 1880 von Kremenezky im Volksgarten eingerichtet. Bald darauf begannen sich hier und dort findige Köpfe auf eigene Faust elektrische Zentralen zu bauen. So entstand in Kolm-Saigurn unter Ausnützung der Wasserkraft eine Lichtanlage, die gebührendes Aufsehen erregte. 1885 wurde eine Anzahl der Räume des Wiener Rathauses mit einer Glühlampenbeleuchtung versehen. Einige Jahre später errichteten in Wien drei private Elektrizitätsgesellschäften, die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, die Wiener Elektrizitätsgesellschaft und die Internationale Elektrizitätsgesellschaft, ihre ersten Dampfzentralen. Unter Bürgermeister Dr. Lueger wurde schließlich das erste städtische Elektrizitätswerk in Simmering gebaut und vor nunmehr fünfzig Jahren in Betrieb genommen. Bald darauf wurden die privaten Elektrizitätsgesellschaften den städtischen Elektrizitätswerken einverleibt. Man begann auch die Wasserkraft zur Energieerzeugung heranzuziehen, und es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant, daß hiebei Gefällstufen der Hochquellenleitungen für die Elektrizitätserzeugung ausgenützt werden.

Die Dampfmaschine, die lange Zeit alleinherrschend war, wurde besonders in den Kraftwerken von den Dampfturbinen verdrängt. Heute machen ihr außerdem Verbrennungsmotoren und Gasturbinen Konkurrenz. Aber allen diesen Maschinen, die die Energieform Wärme in die Energieform Arbeit überführen, haftet ein prinzipieller Mangel an. Das ist so zu verstehen: zunächst mußten die Menschen auf Grund der Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie durch Robert Mayer im Jahre 1840 den Traum vom Perpetuum mobile, von der Erzeugung der Energie aus dem Nichts, begraben. Nun könnte man meinen, daß es wenigstens möglich wäre, in den Wärmekraftmaschinen die ganze zugeführte Wärme in Arbeit umzusetzen. Dem ist aber nicht so. Nehmen wir als Beispiel eine Dampflokomotive. Der Dampf pufft dort, nachdem er seine Arbeit in den Zylindern getan hat, durch den Rauchfang ins Freie. Nun hat aber dieser Dampf noch einen gewaltigen Wärme- und damit Energiegehalt, der auf diese Weise ungenützt verlorengeht, obwohl der Heizer für diese verlorene Energie genau so die Kohle in die Feuerbuchse werfen mußte wie für jenen

Bruchteil Wärme, der im Zylinder in Arbeit umgesetzt wird. Bei den Verbrennungsmotoren und der Gasturbine treten an Stelle der Abdampfverluste die Verluste durch heiße Abgase und Kühlung. Es ist daher auch bei den modernen Wärmekraftmaschinen leider nicht möglich, mehr als etwa ein Zehntel bis ein Drittel der zugeführten Wärme in mechanische Arbeit umzusetzen. Das übrige geht — größtenteils als Abwärmeverlust — verloren, außer — und das ist einer der neuesten Schritte auf dem Gebiet der Energiewirtschaft — man verwendet diese Abwärme selbst wiederum, etwa für Heizzwecke in Fernheizkraftwerken.

In Österreich, das über reiche Wasserkräfte verfügt, werden in erster Linie diese zur Energicerzeugung herangezogen. Auch hier war und ist Österreich immer in der ersten Reihe der technischen Pioniere gestanden. Es gibt heute drei Arten von Wasserturbinen, die je nach den vorliegenden Verhältnissen ge baut werden, Eine von diesen drei Typen, die vornehmlich für Flußkraftwerke gebaut wird, wurde erfunden und entwickelt von unserem Landsmann Viktor Kaplan. Aber auch in jüngster Zeit konnte Österreich trotz seiner schwierigen Lage ein von der ganzen Welt bestauntes Wunderwerk der Technik in Betrieb setzen, Kaprun, sowohl in baulicher als auch in maschinentechnischer Hinsicht eine Spitzenleistung.

Mit der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen haben sich neue Möglichkeiten aufgetan. Radio, Fernsehen und Radar. Und hier Österreichs Anteil daran: der Deutsche Heinrich Hertz hat die elektromagnetischen Wellen zwar entdeckt, aber messen konnte sie als erster der Wiener Professor Ernst Lecher. Die Verstärkerröhre, eines der wichtigsten Elemente der Schwachstromtechnik überhaupt, wurde in Wien von Robert von Lieben erfunden, die Rückkopplung von Siegmund Strauß. Wie sehr hier die Elektrotechnik in nichtelektrische Gebiete eingreift, kann man vielleicht am besten am Beispiel des modernen Flugwesens sehen, das ohne Funk undenkbar wäre.

Die Wissenschaft hat versucht, das Wesen der Elektrizität zu ergründen. Man hat festgestelit, daß die Elektrizität atomaren Charakter hat, das heißt, daß es eine unteilbare kleinste elektrische Ladung gibt. Und es hat sich herausgestellt, daß diese sowie ihre Träger, die Elektronen, eine hervorragende Rolle beim Aufbau der Atome spielen. Dementsprechend tragen auch die Atome elektrische Ladungen in sich. Um auf diese einwirken zu können, sind daher auch viele Apparate der modernen Atomphysik elektrischer Natur, so daß man behaupten kann, daß die moderne Atomphysik ohne die Elektrotechnik unmöglich wäre. Der Satz von der Erhaltung der Energie wurde dahingehend erweitert, daß man auch die Materie als eine Erscheinungsform der Energie erkannte, das heißt, daß man auch diese in eine beliebige andere Energieform umwandeln kann. Die Energieausbeute ist dabei aber Unendlich größer als bei der Verbrennung von Kohle oder einem anderen bisher bekannten Brennstoff. Man hat atomare Kernprozesse, bei denen Masse in Energie im klassischen Sinn umgewandelt wird, bereits in großem Stil durchgeführt. Und man könnte nun darangehen, die entstehende Wärmeenergie etwa genau so wie bei der alten Dampfkraftanlage einem Dampfprozeß zuzuführen und Turbinen anzutreiben, nur daß man statt mit Kohle mit Atomenergie heizt. Leider ist es bisher noch nicht bekannt geworden, wieweit Kraftwerke auf dieser Basis bereits in Betrieb sind. Eine Ausnützung der Atomenergie für friedliche Zwecke dürfte sich aber in dieser Richtung bewegen. Bei den bisher bekannten Atomöfen hatte man es weniger auf die entstehende Wärme abgesehen, die man einfach wegkühlte, sondern auf die neuen, sich bei der Umwandlung im Atomofen bildenden Stoffe, die man zur Fabrikation der Atombombe benötigte. Neben diesem furchtbaren Anwendungsgebiet hat man aber auch heute schon eine positive Verwendungsmöglichkeit für die entstehenden radioaktiven Substanzen: ein neuer Zweig der Medizin ist entstanden, in dem sie Verwendung finden sowohl für Diagnose als auch für Therapie.

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