Wasserstoff-Geist aus der Flasche - © Illustration: Rainer Messerklinger

Wundergeist mit Wenn und Aber

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Der Wasserstoff kann beinahe alle unsere Probleme lösen. Nur ist die Technologie noch lange nicht so weit. Andere ­ hingegen stünden zur Verfügung. Eine Analyse.

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Der Wasserstoff kann beinahe alle unsere Probleme lösen. Nur ist die Technologie noch lange nicht so weit. Andere ­ hingegen stünden zur Verfügung. Eine Analyse.

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Das leichteste und flüchtigste aller Elemente gilt nicht nur seit vielen Jahrzehnten als zukünftiger Hoffnungsträger für die Kernfusion. Wasserstoff soll auch irgendwann aus billigem Strom auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt werden und als Energiespeicher dienen. Er soll Fahrzeuge antreiben, Verbrennungskraftwerke befeuern, die Stahlerzeugung von ihrer Abhängigkeit von Kohle befreien, und all das, ohne klimaschädliches Kohlendioxid freizusetzen.

Im Prinzip ist Wasserstoff für alle diese Einsatzgebiete geeignet. Aber sollen wir unsere Kräfte deshalb ganz auf ihn konzentrieren? Andere Technologien sind inzwischen weit davongezogen: die direkte Nutzung elektrischer ­Energie in einem Elektroauto beispielsweise erreicht einen Wirkungsgrad – vom erneuerbaren Energieerzeuger bis zum Antriebsrad – von ca. 70 Prozent, der Weg über die Herstellung von Wasserstoff und dessen Verbrennung in einem Motor kommt auf bescheidene 13 Prozent; mit einer Brennstoffzelle sind es immer noch magere 22 Prozent.

Angesichts der Mengen an Energie, die am Beginn des 21. Jahrhunderts weltweit gesucht, gefördert, bewegt, gehandelt und umgewandelt werden und der Steigerung dieser Menge über das 20. und 21. Jahrhundert könnte man vermuten, diese Entwicklung sei zahllosen entscheidenden Erfindungen und Innovationen in diesem Zeitraum geschuldet. Die wichtigsten Erfindungen der Energiewirtschaft und -technik, die das 20. Jahrhundert beispiellos gestaltet haben und den Beginn des 21. bestimmen, stammen aber aus der kurzen Periode zwischen etwa 1870 und 1910.

Sicher, die Wirkungsgrade zur Gewinnung, Umwandlung, zur Verwendung und zum Transport von Energie wurden deutlich verbessert, Technologien wurden anwenderfreundlicher, die Effizienz der ­Energiesysteme stieg und damit (entgegen einem häufig bemühten Klischee) der Energieverbrauch. Energie wurde billiger, immer mehr Menschen fanden Zugang zu Energiedienstleistungen und billigen ­energieverbrauchenden Produkten.

Das Dynamoelektrische Prinzip, Grundlage der Erzeugung elektrischer Energie und des Elektromotors, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckt. Entwicklung und industrielle Produktion des Elektromotors verbilligten ihn und erlaubten eine Fülle von Anwendungen, von der Waschmaschine über Elektrolokomotiven bis zum Haarföhn – und heute dem Elektroauto. Auch der Ottomotor wurde 1876 patentiert. Praktisch der gesamte Verkehr zu Wasser und zu Lande hängt heute von Elektro-, Otto- und vor allem von Dieselmotoren ab. Der Dieselmotor, der wichtigste Antrieb der Globalisierung, mit dessen Hilfe Öltanker, Containerschiffe und Lastwagen unsere Güter kreuz und quer über den Globus transportieren, stammt aus 1892.

Ein magerer Fortschritt

Auch der am weitesten reichende Energietrend, die zunehmende Bedeutung der elektrischen Energie, die nach und nach andere Endenergieformen aus Fabriken und Haushalten verdrängt, begann im 19. Jahrhundert, bestimmte das 20. und reicht ungebrochen über die Gegenwart hinaus.

Die wirtschaftliche Regeneration Europas in der Nachkriegszeit und der beispiellose Aufstieg Chinas nach dem Ende der Mao-Ära wurzeln, was die Energieversorgung betrifft, hauptsächlich in den Technologien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, um hier nur zwei Beispiele zu nennen.

Das 20. Jahrhundert war bis auf eine Handvoll von Ausnahmen im Hinblick auf Energieerzeugungstechnologien nicht sonderlich kreativ. An wirklich Neuem brachte es nicht viel mehr hervor als drei Kinder des Zweiten Weltkriegs: die Nutzung der Kernspaltung, den Raketenantrieb und die Anwendung der Gasturbine für Kraftwerke und Flugzeuge.

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