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Es ist Zeit, den nächsten Schritt zu tun

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Es gibt immer mehr Studien und Forschungsberichte - in Österreich etwa den Klimabericht, den nationalen Umweltplan oder den Energiebericht -, in denen all jene Dinge zu lesen sind, die aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Beobachtungen zu tun wären.

Die Klimabündnisse der Gemeinden und Städte, die „Toronto"-Vereinbarung, Stabilisierungsbeschlüsse zum C02 - sie alle gehören in diese Kategorie. Stellt man jedoch diese Papiere den tatsächlichen Entwicklungen gegenüber, so stellt man fest, daß es sich hier um zwei verschiedene Welten handelt - hier die Scheinwelt der Papiere und dort die wirkliche Welt der wirtschaftlichen Entscheidungen und Abläufe. Manchmal gewinnt man fast den Eindruck, daß viele Menschen diese Scheinwelt ihrer Papiere und Studien schon für die wirkliche Welt ansehen.

Im Bahmen der Arbeiten des Österreichischen Biomasse-Verbandes wollen wir auf diese bedrohende Diskrepanz hinweisen und unermüdlich verlangen, daß notwendige Maßnahmen zur Änderung des Energiesystems auch praktisch umgesetzt werden. Der Österreichische Biomasse-Verband hat daher ein Positionspapier ausgearbeitet, in dem klare Schlüsse aus dieser Situationsanalyse gezogen werden:

■ Die „Toronto"-Vorgabe muß das vorrangige Ziel der österreichischen Energiepolitik bleiben.

■ Die Energiepolitik muß daher in Bichtung Energiesparen, Energieeffizienzverbesserung und Umstieg auf erneuerbare Energieträger angelegt werden, sodaß es bis zum Jahr 2005 zu einem tatsächlichen Bückgang im Verbrauch der fossilen Energieträger um 25 Prozent kommt.

■ Eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung dieses Zieles ist die rasche Realisierung einer ökologischen Steuerreform.

■ Ergänzend dazu sind spartenspezifische Konzepte für den Wärmemarkt, den Strom- und den Verkehrsbereich notwendig.

Es ist natürlich nicht so, daß in Österreich in den letzten Jahren auf dem Gebiet der erneuerbaren Energie nichts geschehen ist. Im Gegenteil, seit Mitte der siebziger Jahre erleben wir eine Renaissance der Bio-Energie. Die Ölpreisschocks der Jahre 1973 und 1974 sowie 1979 und 1980, ferner die Abstimmung über die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Zwen-tendorf lieferten einen großen Motivationsschub für die erneuerbaren Energieträger.

In Österreich haben wir derzeit folgende Anlagen (Angaben in gerundeten Werten): 570.000 Einzelhausanlagen, in denen Holz verbrannt wird; davon 16.000 automatische Hackschnitzelheizungen, 50.000 Gebläsekessel und 400.000 Kachelöfen sowie 240 Nahwärmeanlagen mit Wärmenetzen, 45 Biogasanlagen und sieben Bapsmethylester-Anlagen (BME).

Zusätzlich werden 25 Petajoule (PJ) in Kraftwärmekopplungsanla-gen gewonnen. Die Bio-Energie in Österreich erbringt derzeit insgesamt 140 PJ, das entspricht knapp 13 Prozent des gesamten Energieaufkommens in Österreich.

Während die energetische Nutzung der Biomasse bis Mitte der siebziger Jahre stagnierte, ja sogar leicht rückläufig war, sehen wir in den vergangenen 20 Jahren einen kontinuierlichen Anstieg.

Dieser Anstieg flacht allerdings seit einigen Jahren ab. In den letzten zwei Jahren dürfte es kaum gelungen sein, den Marktanteil der Biomasse insgesamt nennenswert auszudehnen. Im internationalen Vergleich liegt Österreich damit aber nach wie vor an der Spitze.

Die erneuerbare Energie - Wasserkraft und Biomasse - deckt in Österreich 27 Prozent des Energiebedarfes.

Das ist etwa gleich viel wie in Schweden und liegt weit über dem Durchschnitt der Europäischen Union, der für alle erneuerbaren Energieträger bei fünf Prozent liegt.

Der quantitative Anstieg der Biomassenutzung steht in enger Verbindung mit dem Aufbau einer breiten Infrastruktur zur Nutzung der Bio-Energie. Zu dieser Infrastruktur zählen die zahlreichen Firmen, die mittlerweile Hackschnitzelheizungen, Stückholzvergaserkessel sowie Nahwärmenetze planen, produzieren und errichten.

Dazu kommen die Organisationen zur Beratung der Investoren, erwähnt seien hierbei die Landesenergievereine, die Energieberatungsstellen und die Landwirtschaftskammern. Die österreichischen Universitäten und Forschungseinrichtungen haben sich ebenfalls von Anfang an der Entwicklung der Bio-Energie zugewendet, sodaß heute erstklassige Institute und Wissenschafter auf diesem Gebiet international führend tätig sind. Die große Zahl der praktischen Anwender sorgt zudem für einen wichtigen Erfahrungsaustausch unter den Praktikern.

Die Bohstoffversorgung wird dominiert vom klassischen Brennholz, vom Industrierestholz und von der Abfallnutzung aus der Papierindustrie. Dazu kommen Waldhackgut aus der Durchforstung, relativ geringe Mengen Stroh als Brennstoff und kleine Mengen Hackgut aus Energiewäldern.

Der Anbau spezieller Energiekulturen ist bisher kaum über das Versuchsstadium hinaus entwickelt, vor allem deswegen weil der Bedarf an Biomasse aus der Forstwirtschaft und ihren Nebenprodukten bisher leicht abgedeckt werden konnte.

Die Biogasproduktion läuft derzeit erst auf wenigen Anlagen und könnte ebenfalls deutlich ausgedehnt werden. Die Treibstofferzeugung basiert auf Raps, die Ethanolerzeugung spielt kaum eine Rolle. Für die Wärmebereitstellung zeichnen sich derzeit folgende Entwicklungen ab: Moderne Stückholzkessel mit Gebläsesteuerung haben den Vorteil relativ geringer Investitionskosten, hoher Wirkungsgrade und geringer Emissionen. Sie nehmen daher aus praktischen und ökonomischen Gründen stark zu.

Hackschnitzelheizungen für Einfamilienhäuser bieten natürlich mehr Komfort, sie werden daher auch ständig ausgeweitet. Ihre Installation hängt in vielen Fällen von den Förderungsgegebenheiten ab. Eine große Bedeutung haben auch die neuen Kachelöfen, die in Verbindung mit Zweitheizungssystemen in vielen neuen Häusern installiert werden.

Eine gänzlich neue Entwicklung zeichnet sich mit der Produktion von Biopellets ab. Diese Energieträger bieten in der Manipulation wesentlich mehr Komfort als Hackgut, haben ein hohe Energiedichte, benötigen daher weniger Lagerraum und könnten in Zukunft große Marktbedeutung erlangen. Neben diesen Einzellösungen sind für Ballungsgebiete Nahwärmenetze der Standard. Auch hier gibt es laufend technische Weiterentwicklungen punkto Erhöhung des Wirkungsgrades, Verringerung der Emissionen und verbesserter Automatisierung, die möglichst rasch an die neuen Investoren herangetragen werden müssen.

Die Stromerzeugung aus Biomasse steht in den Anfängen. Erfreulicherweise gibt es Anlagen, die gemeinsam von der Holz- und der E-Wirtschaft errichtet werden, oder auch solche, die die E-Wirtschaft allein installiert. Im Hinblick auf den steigenden Strombedarf und die Notwendigkeit, C02-Emissionen zu vermeiden, bieten sich hier große Entwicklungsmöglichkeiten an. In der Treibstofferzeugung dominiert in Österreich die RME-Er-zeugung. In letzter Zeit hat sich gezeigt, daß Kleinanlagen wirtschaftlich eher zurechtkommen als Groß-anlagen. Allerdings ist es dringend notwendig, die Bedingungen so weiterzuentwickeln, daß die technische Kapazität der RME-Anlagen auch tatsächlich voll für die RME-Erzeu-gung ausgenützt wird.

Die Ausweitung der Biomasse in Österreich in den letzten Jahren ist in erster Linie der Erfolg privater Initiativen auf Ebene der Betriebe, der Haushalt und der Gemeinden sowie der Länder. Auf Bundesebene war besonders das Ministerium für Land-und Forstwirtschaft sehr aktiv an dieser Entwicklung beteiligt.

Die eigentliche Energiepolitik hat sich von der Entwicklung dieser erneuerbaren Energieträger jedoch zurückgezogen. Die Möglichkeit, erneuerbare Energieträger oder Energiesparmaßnahmen als Sonderabgaben abzusetzen, wurde schon vor Jahren im Einkommenssteuergesetz gestrichen. Die Fernwärmeförderung wurde ebenfalls eingestellt und bisher nicht verlängert, wirksame Maßnahmen zur Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse auf dem Energiemarkt wurden nicht getroffen.

In vielen Ländern Europas wird die Bio-Energie als Nischenprodukt angesehen, welches einige Promille oder Prozente des Energiebedarfes decken könnte.

Österreich ist über diese Phase hinaus. Verschiedene Studien und Untersuchungen zeigen, daß das Potential der Bio-Energie realistischerweise reichen würde, um 25 Prozent des jetzigen Primärenergiebedarfes zu decken.

Die Biomasse könnte daher eine zentrale Bolle in einer österreichischen Strategie gegen den Treibhauseffekt und zur Verringerung der C02-Emissionen einnehmen. Die Frage, wie die Entwicklung weitergeht, hängt sehr stark von den Maßnahmen der Bundesebene ab.

Der Autor ist

Kammeramtsdirektor der Steirischen Landeslandwirtschaftskammer und Versitzender des Österreichischen Biomasse-Verbandes, sein Beitrag ist ein Auszug aus „Club Niederösterreich" 7J199S.

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