Grundlagen radikal neuer Energiepolitik

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Die Herausforderungen an die Energiepolitik sind naheliegend: Fossile und nukleare Energieträger sind langfristig nicht verfügbar. Es wird nur erneuerbare Energieträger geben: Sonne, Wasser, Wind, Biomasse, Geothermie. Schon vor der Erschöpfung fossiler Energie werden die Preise bewirken, dass Erdöl für Verbrennungszwecke nicht mehr verfügbar sein wird. Einer Welt, die unbeirrt weiterhin auf billigem Öl aufbaut, drohen Wirtschaftskrisen ungeahnter Dimension. Besonders problematisch zeigen sich die Risiken der Atomkraft, vom Bergbau bis zur nicht lösbaren Entsorgung radioaktiven Abfalls.

In der Studie "Zukunftsfähige Energieversorgung für Österreich“ (ZEFÖ) hat Umwelt Management Austria gemeinsam mit dem Forum Wissenschaft & Umwelt und dem Institut für Industrielle Ökologie drei Jahre lang geprüft, ob und wie Österreich langfristig durch erneuerbare Energieträger vollständig versorgt werden kann. Bedingung war, dass der Übergang in ein nachhaltiges Energiesystem ohne Brüche erfolgen soll. Komfort und Wohlstand sollten gesichert oder gesteigert werden. Anstelle Prognosen und Trends fortzuschreiben, wurde die langfristig verfügbare Energie zugrunde gelegt.

Der Verbrauch muss sinken

Was sich zeigt? Die ökologisch, sozial und ökonomisch verträglich nutzbaren erneuerbaren Energieträger decken maximal etwa die Hälfte des derzeitigen Energieverbrauchs Österreichs. Dieser muss also sinken, soll die Versorgung mit ausschließlich erneuerbaren Energien erfolgen.

Eine Energiewende ist geboten! Bedeutet dies, den Gürtel enger zu schnallen? Nein.

Heute bereits verfügbare Technik bietet zahlreiche Optionen, den Energieverbrauch zu senken, teils bei steigendem Komfort. Die Varianten reichen von wenigen Prozentpunkten an Steigerung des Wirkungsgrads bei bereits optimierten Anlagen bis hin zum Faktor 10 (Reduktion auf zehn Prozent des bisherigen Wertes) etwa bei thermischer Sanierung von Wohngebäuden.

Wir können besser leben mit weniger Energie: In gedämmten Häusern wohnt es sich behaglicher - bei niedrigeren Energiekosten und gesteigertem Wert der Immobilie. Moderne Geräte und Anlagen - vom Haushalt bis zu Gewerbe und Industrie - leisten mit Bruchteilen der bisher benötigten Energie wesentlich mehr. Ein benutzerfreundlicher, attraktiver öffentlicher Verkehr (Bus, Bahn, Straßenbahn) und die Gestaltung unserer Stadtkerne und Ortszentren attraktiv für Fußgänger und Radfahrer statt für Fahr- und Stehzeuge, reduzieren den Zwang zum Auto, steigern das Wohlbefinden im öffentlichen Raum, reduzieren Unfälle und soziale Diskriminierungen im Verkehrssystem.

Eine solche Energiewende bringt vielfältigen weiteren Nutzen: Investitionen in Gebäude und Infrastruktur, in Geräte und Anlagen ebenso wie die Gewinnung und Nutzung regional verfügbarer erneuerbarer Energieträger schaffen Arbeit, Umsätze und Einkommen im Inland, statt Geld in Ölquellen zu pumpen. In jedem betrachteten Szenario wird der Import von Energie dramatisch reduziert: bis zum Jahr 2050 um 70 bis zu 100 Prozent.

Es konnte gezeigt werden, dass langfristig tatsächlich Autarkie - eine Vollversorgung Österreichs mit heimischen erneuerbaren Energieträgern - möglich ist. Im Szenario "Forciert“ kann eine Energieautarkie Österreichs bis 2050 erreicht werden, in anderen Szenarien ("Pragmatisch“) gelingt dies bei konsequenter Weiterverfolgung des eingeschlagenen Weges erst Jahre später.

Berücksichtigt wurden auch sogenannte "Rebound-Effekte“: Der technische Fortschritt wird nicht immer in Reduktion des Energieverbrauchs investiert, oft eher in Steigerung des (vermeintlichen) Komforts, in Luxus und Prestige. Auch wird es in Jahrzehnten ganz sicher weitere neue Geräte geben, von denen wir heute noch nichts ahnen.

Marktbedingungen schaffen

Dem Szenario "Forciert“ bescheinigen Fachleute den größten Nutzen (ökologisch, betriebs- und volkswirtschaftlich, bezüglich Klimaschutz und Energiewirtschaft). Die gesellschaftliche Akzeptanz für dieses Szenario wird allerdings als mangelhaft bis schwierig eingeschätzt. Die derzeit in Angriff genommene Energiestrategie für Österreich wird nach Einschätzung der Experten nicht ausreichen, um den Weg zur Vollversorgung durch erneuerbare Energie und Autarkie zu sichern.

Notwendig ist eine andere Energiepolitik: Der Rahmen ist so zu setzen, dass sich Effizienz in der Nutzung der Energie und der Einsatz langfristig verfügbarer Energieträger am Markt durchsetzen können. Der erste Schritt dazu sind Information und Motivation der Bevölkerung und der Akteure der Energiewirtschaft.

Der gesellschaftliche Konsens über die anspruchsvollen Ziele der wünschenswerten Energiezukunft muss konsequent angestrebt und wirksam realisiert werden. Dabei wird es hilfreich sein, die zweckdienlichen Maßnahmen kundenfreudlich, also attraktiv für den Konsumenten und Letztverbraucher zu gestalten.

Experte

Reinhold Christian ist Geschäftsführer von Umwelt Management Austria, engagierter Partner ökologischer Projekte und der Lehre; Info unter: www.uma.or.at

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