Kommt ein Sonnenaufgang? aufgehen

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Zum Dossier. Spätestens seit 1973 wird über Energiefragen debattiert, aber wirklich geändert hat sich nur wenig. Nach wie vor dominieren Atomstrom, Erdöl, Erdgas und Kohle - trotz aller Warnungen vor den Umweltfolgen ihrer Nutzung. Erneuerbare Energie erscheint fast als Hobby von Umweltbewegten. Und dennoch: Langsam gibt es auch Bewegung an der Energiefront.

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Zum Dossier. Spätestens seit 1973 wird über Energiefragen debattiert, aber wirklich geändert hat sich nur wenig. Nach wie vor dominieren Atomstrom, Erdöl, Erdgas und Kohle - trotz aller Warnungen vor den Umweltfolgen ihrer Nutzung. Erneuerbare Energie erscheint fast als Hobby von Umweltbewegten. Und dennoch: Langsam gibt es auch Bewegung an der Energiefront.

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Der "Club of Rome" hatte 1973 vor der Begrenzung der Ressourcen und den Umweltfolgen unserer Art zu Wirtschaften gewarnt. Die vorhergesagten Katastrophen sind zwar ausgeblieben und die Rohstoffreserven erwiesen sich als größer, als 1973 angenommen, dennoch mehrten sich in den letzten 30 Jahren die Hinweise darauf, daß steigender Verbrauch fossiler Energie (Erdöl, Erdgas und Kohle) ernste Folgen für das Klimageschehen haben werde - ja bereits hat (siehe Furche 6/2000, Seite 9). Jedes Schulkind weiß heute, was der Glashauseffekt ist und daß CO2 zur Erwärmung der Atmosphäre beiträgt.

Ein Blick auf die Statistiken des Energieverbrauchs (Seite 14) zeigt jedoch, daß diese Einsichten sich nicht in einer deutlichen Veränderung des Verbrauchsverhaltens niederschlagen. Im Gegenteil: In der Vorankündigung der "21. World Gas Conference" im Juni in Nizza wird Erdgas beispielsweise als Energieträger der Zukunft gepriesen - wegen seiner bekannten Reserven (65 Mal so viel wie jährlich weltweit verbraucht wird), wegen der laufend neu entdeckten Erdgasfelder (mehr pro Jahr als jährlich verbraucht wird) - und wegen seiner Umweltfreundlichkeit! Ja, auch sie wird ins Treffen geführt. Und tatsächlich ist Verbrennung von Erdgas weniger umweltbelastend als der Einsatz von Erdöl. Daher die zuversichtlichen Prognosen: Bis 2010 ein Plus von 50 Prozent und bis 2030 sogar eine Verdoppelung des Verbrauchs!

Wie kommt es, daß wider bessere Einsicht der Umstieg auf Erneuerbare Energien - allesamt eine direkte oder indirekte Form der umweltfreundlichen Nutzung von Sonnenenergie - nicht rascher stattfindet? Ausreichend Energie liefert die Sonne ja. Liegt es also daran, daß die Techniken unausgereift oder eben utopisch sind? Keineswegs.

Viele Neuerungen Es hat sich nämlich erstaunlich viel auf diesem Sektor in den letzten Jahrzehnten getan, und zwar abseits vom breiten Fluß staatlicher Forschungsmittel. Zum Durchbruch fehlt eigentlich nur eines: ein konkurrenzfähiger Preis, den die längst fällige Besteuerung fossiler Energien herstellen würde. Dann wäre Biomasse (vor allem Holz in Form von Hackgut, Sägemehl, Stückholz oder Pellets schon längst eine echte Alternative zu Erdöl und Erdgas. Dieser nachwachsende Rohstoff könnte weit mehr als die derzeitigen zwölf Prozent zur Energieversorgung in Österreich beitragen.

Es könnte aber weitaus mehr sein, hat sich doch die Biomasse-Heiztechnik stark weiterentwickelt. Heute werden automatische Feuerungsanlagen angeboten. Hackgut oder Pellets lassen sich in Wochen-, Monats- oder Jahresbehältern lagern und über Zubringersysteme - sie stellen noch eine gewisse Schwachstelle dar, werden aber weiterentwickelt - automatisch der Verbennung zuführen.

Biomasseheizungen bieten somit weitgehend denselben Komfort wie Öl- oder Gasheizungen und schneiden beim heutigen Stand der Technik allerdings bei den Emissionen weitaus besser als andere Energieträger ab. Leider hat sich das noch zu wenig herumgesprochen und so steigen jetzt noch viele - auch wegen der hohen Investitionskosten - auf Gas oder Öl um. Erfolgreicher ist die Biomasse allerdings bei der Fernwärme. Da wurden in Österreich in den letzten 20 Jahren über 450 Anlagen errichtet.

Vielversprechend ist auch eine andere Verwendung für Biomasse: Im Dampfkraftwerk Zeltweg läuft ein erfolgreicher Versuch, sie als Brennstoff bei der Stromerzeugung einzusetzen. Rinde, Hackgut und Sägespäne werden in einer eigenen Anlage vergast und dieses brennbare Gas wird der durch Kohle unterhaltenen Verbrennung zugeführt. Damit gelingt es in Zeltweg, täglich 30 Tonnen Kohle durch 500 Kubikmeter Biomasse einzusparen.

Fortschritte sind auch bei der direkten Nutzung von Sonnenenergie durch Kollektoren zu vermelden. Sie setzen die Sonnenenergie in Wärme um und wurden zunächst zur Warmwasserbereitung und zum Aufheizen von Schwimmbädern eingesetzt. Derzeit forciert man auch ihren Einsatz bei der Raumheizung, was größere Kollektorflächen und entsprechende Wärmespeicher erfordert. Fanden Sonnenkollektoren bisher vor allem bei Einfamilienhäusern Verwendung, so wird ihr Einsatz mittlerweile auch auf Mehrfamilienhäuser und Beherbergungsbetriebe ausgeweitet. Österreich gehört auf diesem Gebiet zu den Vorreitern und lag 1997 mit 220.000 installierten Quadratmetern an zweiter Stelle hinter Deutschland in Europa.

EU für Photovoltaik Bemerkenswertes hat sich auch bei der Photovoltaik getan. Sie wandelt Sonnenlicht direkt in Elektrizität um - ein eleganter Ansatz, der lange als unbedeutend, weil zu aufwendig angesehen wurde, um im großen Stil zum Einsatz zu kommen. Seitdem die EU diese Technik forcieren will (Seite 15) und die amerikanische Regierung ein Programm lanciert hat, das eine Million Photovoltaikanlagen bis 2010 vorsieht, hat sich da aber einiges geändert. Aus der Hobbytechnologie wird nun eine auch für Großunternehmen interessante Technik. "Shell" hat sie zu einem Hauptgeschäftsbereich gemacht und in Gelsenkirchen ein großes Photovoltaikwerk errichtet.

Damit kehren wir zur eingangs gestellten Frage zurück: Wieso haben sich Erneuerbare Energien in den letzten Jahrzehnten nicht stärker durchgesetzt, obwohl alles für ihren Einsatz spricht? Die Antwort: Damit sich Techniken durchsetzen, bedarf es vor allem institutioneller Weichenstellungen, wie sie sich jetzt bei der Photovoltaik abzeichnen. Denn bisher war das derzeitige institutionelle Gefüge einfach nicht an Änderungen interessiert. Erdöl- und erdgasproduzierende Staaten, Ölmultis, riesige Erdgas- und Elektrizitätskonzerne, die Großprojekte betreiben, an denen wiederum die Staaten interessiert sind, Großinvestoren in Pipelines, Bohrstationen und Tankerflotten profitieren ja bestens vom derzeitigen System.

Erneuerbare Energien erfordern und begünstigen jedoch eine andere Struktur: Sobald nämlich landauf landab die Häuser mit Sonnenenergie und Biomasse aus der Umgebung heizen und einen großen Teil ihres Stroms aus Photovoltaik und vom nahegelegenen Windkraftwerk beziehen, erübrigt sich ein Teil des riesigen internationalen Energieapparats. Denn Erneuerbare Energie wird kleinräumig bereitgestellt. Sie hat kurze Transportwege, weil sie örtliche Gegebenheiten optimal nutzt.

Damit steht sie im diametralen Gegensatz zur jetzigen Wirtschaftsstruktur, die sich in immer größeren Riesengebilden organisiert. Kein Wunder, daß diese den Umstieg nicht forciert. Herausgefordert ist daher die Politik, neue Akzente zu setzen. Das EU-Weißbuch ist da ebenso ein hoffungsvolles Zeichen wie die neue Stromeinspeiseregelung in Deutschland (Seite 15). Sind die Weichen einmal richtig gestellt, werden die Unternehmen auf den neuen Zug aufspringen. Das zeigen nicht nur die vielen Initiativen der kleinen und mittleren Betriebe, die Pionierarbeit geleistet haben, sondern auch das Engagement von Shell in der Photovoltaik.

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