Geht das Erdölzeitalter doch zu Ende?

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Der Club of Rome hatte 1973 die Rohstoffreserven unterschätzt, vor allem auch, was das Erdöl betraf. Aber unerschöpflich sind die Vorkommen dennoch nicht...

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Der Club of Rome hatte 1973 die Rohstoffreserven unterschätzt, vor allem auch, was das Erdöl betraf. Aber unerschöpflich sind die Vorkommen dennoch nicht...

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Der massive Verbauch fossiler Brennstoffe, wie Erdöl, Erdgas und Kohle, verstärkt den Treibhauseffekt. Aber nicht nur der einsetzende Klimawandel wird zum Problem - auch bei der Verfügbarkeit von Erdöl bahnt sich eine dramatische Wende an. Überall schimpfen Autofahrer über die zu hohen Treibstoffpreise. Teuerungen stehen an der Tagesordnung.

Faktum ist, daß der Preis für ein Barrel Rohöl (159 Liter) in den letzten Monaten von zehn Dollar auf 25 Dollar stetig nach oben geklettert ist. Und aller Voraussicht nach hält die "Bergfahrt" an, auch wenn sich die Ölindustrie nach außen hin gelassen gibt und beteuert, es handle sich lediglich um eine Preiskorrektur. Unter Experten ist man sich aber einig, daß die goldenen Zeiten, in denen Öl reichlich verfügbar und auch billig war, zu Ende gehen.

Vor etwa 140 Jahren wurde in Pennsylvania das erste Mal nach Öl gebohrt. Damit begann die Epoche eines Rohstoffs, der wie kein anderer das Gesicht der Welt verändert hat. Und zwar nicht nur als Treib- oder Brennstoff, sondern in einer nicht enden wollenden Flut von Produkten, die beinahe alle Bereiche unseres Lebens durchzogen hat.

So sind etwa alle Kunststoffe vom Plastiksackerl über die Nylon-Strumpfhose bis zu Styropor und hin zu den modernen PET-Getränke-Flaschen Erdölprodukte. Insgesamt wird die Epoche des "schwarzen Goldes" wahrscheinlich nicht viel länger als 200 Jahre andauern. Mit "nachhaltigen" Folgen allerdings: Das Treibhaus Erde ist gehörig aufgeheizt und das globale Wirtschaftssystem ist vom schwarzen Stoff in hohem Maße abhängig.

Eine wachsende Anzahl von Experten ist der Meinung, daß sich eine dramatische Wende anbahnt. Die westliche Welt müsse sich schon in den nächsten zwei, drei Jahren auf einen neuerlichen Ölpreisschock gefaßt machen. Im Winter 1973/74 merkte die Welt erstmals, daß das Öl nicht ewig verfügbar ist.

Aber es wurde wenig getan, um ernsthafte Alternativen zu entwickeln. Der Umstand, daß sich alles doch als halb so schlimm entpuppte, ließ fast alle in unbegründeter Sicherheit weiterschlummern. Dazu trug auch bei, daß sich vorschnelle und unqualifizierte Prognosen über die Erschöpfung der Quellen nicht bewahrheiteten.

Seither vertrauen die unbelehrbaren Optimisten auf den menschlichen Erfindergeist. Er wird den Ölverbauch durch technische Innovationen reduzieren und immer wieder neue Ölfundstätten aufspüren. Doch der wachsende Ölhunger der "neuen Industrieländer" wie China macht selbst schon Optimisten nachdenklich. Weltweit wollen auch 500 Millionen Autos versorgt sein!

Das Hauptproblem liegt darin, daß schon lange keine Ölfelder mehr in der Größenordnung wie in den siebziger Jahren gefunden werden: Damals konnte man auf Ölfelder in der Nordsee, in Alaska, usw. zurückgreifen. Diese Ausweichmöglichkeiten gibt es heute nicht mehr.

Nach Meinung der Geologen werden die geförderten Mengen in Zukunft nicht ausreichen. Ihre Zweifel stützen sich dabei auf Archive, in denen die vollständigen Daten von circa 1.800 Ölfeldern gesammelt sind. Die zuletzt mit großer technischer Anstrengung immer schneller erschlossenen neuen Ölquellen seien nur Tropfen auf heißen Steinen.

Inzwischen bestätigen dies auch die Erdölanalysten an den Börsen - sie haben auch die seit März steigenden Erdölpreise richtig vorausgesagt.

Ebenfalls hat die Internationalen Energie Agentur (IEA) inzwischen ihre allzu optimistischen Prognosen revidiert. Nach Berechnungen des Ölkonzerns "BP/Amoco" werden die Ölreserven - auf Basis des heutigen Verbrauchs - noch 41 Jahre halten.

Ölexperte Colin Campell, der Konzerne wie Regierungen berät, schockte die Politiker erst kürzlich mit der Warnung: "Für vier verbrauchte Fässer Öl wird nur mehr ein neues Faß an Ressourcen entdeckt. Campell und andere Experten sprechen angesichts der 820 Milliarden Faß Öl, die "wir" bisher konsumiert haben, bereits von der "Halbzeit" in der globalen Erdölproduktion und in spätestens zwei Jahren wäre der Höhepunkt überschritten.

Die Opec spielt wieder ihrer Stärke aus Inzwischen weiß auch die OPEC, ein Zusammenschluß erdölexportierender Länder, wieder um ihre Stärke und deren Mitgliedsstaaten halten sich zum Ärger der Öl-Multis wieder an die vereinbarten Förderbeschränkungen.

Noch wird die Wiederherstellung des Preisniveaus früherer Jahre noch als Vorteil gepriesen: Denn höhere Preise ermöglichten höhere Investitionen in die Erschließung und effizienteren Ausbeutung von Fördergebieten. Genaugenommen sind wir aber auf den Weg in eine verhängnisvolle Abhängigkeit einen beträchtlichen Satz weitergehastet. Denn bisherige Erfahrungen zeigen: Wenn einmal der Höhepunkt der Erdölförderung überschritten ist, gibt es keine Chance mehr, den Prozeß aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen.

Die USA haben diese Erfahrung bereits gemacht: Aus dem einst größten Erdölexporteur ist ein Staat mit einem riesigen Bedarf an Erdölimporten geworden. Die Ölproduktion außerhalb der OPEC-Länder Saudi-Arabien, Irak, Iran, Kuwait und die Emirate hat ihren Höhepunkt überschritten.

Schon im Winter 1973/74 diktierten diese fünf Giganten mit einem Marktanteil von nur 30 Prozent die Preise. Bald werden sie mit einem Anteil von 50 Prozent Ölpreise bestimmen.

Und auch Erdgas wird bald teurer. Denn der Erdgaspreis ist untrennbar ans Schwarze Gold gebunden. "Gazprom", Rußlands mächtiger Erdgaskonzern, geht davon aus, daß spätestens ab 2007 die Erdgaspreise in Europa steigen werden. Dann wird die Gasförderung, in der Nordsee ihren Höhepunkt überschritten haben. Die Folge: Die Abhängigkeit Europas von Gaslieferungen aus Drittländern wird bis 2015 von derzeit 30 Prozent auf etwa 50 Prozent steigen.

Die Endlichkeit von Öl und die kommenden Klimaveränderungen werden den Umstieg ins "solare Energiezeitalter" beschleunigen. Sicher, solange die politischen Entscheidungsträger die Zukunft immer noch mit einer Wahlperoide verwechseln, wird noch einiges an Öl verfeuert werden.

Dennoch ist Fritz Vahrenholt, Vorstand der Deutschen "Shell AG" optimistisch: "Die heutige Nischenrolle der Sonnenenergie ist vergleichbar mit der Bedeutung der Ölindustrie in den zwanziger Jahren. Da erhielt man Benzin in der Apotheke - die erste öffentliche Tankstelle wurde 1922 eröffnet. Die mächtigen Kohlebarone belächelten damals das Mauerblümchendasein der Ölindustrie.

Wenn Kriege ums Erdöl geführt werden Zwar haben die Ölkonzerne verglichen mit ihrem Gesamtbudget bisher eher nur "Trinkgelder" in die Forcierung erneuerbarer Energien investiert. Doch immer öfter müssen Ölkonzerne für das "schwarze Gold" ganze Regionen verwüsten und Völker vertreiben. Der Golfskrieg oder der gegenwärtige Krieg in Tschetschenien sollten uns eine Warnung sein. Anderseits müssen sie sich um ihre Ölzukunft sorgen: Shell und BP besitzen nur mehr Ölfelder mit einer geschätzten Lebensdauer von maximal 17 Jahren.

Die Aussagen einer umfassenden Studie des Weltenergierat (WEC) weisen uns unmißverständlich den Weg: n Der Energiebedarf der gewachsenen Weltbevölkerung ist politisch gestaltbar (Ökosteuer,etc.).

n Die billigste Variante mit dem geringsten CO2-Ausstoß und ohne Atomstrom hat drei Grundpfeiler: die Dezentralisierung der Energieversorgung, die forcierte Erschließung erneuerbarer Energien und Energiesparen!

Auch in Österreich sollte man die Zeichen der Zeit erkennen. Ein "Strompreissenkungs-Wahlzuckerl" hat nichts mit nachhaltiger und weitsichtiger Energiepolitik zu tun. In diesem Sinne sind nicht nur die 300 österreichischen Klimabündnis-Gemeinden gefordert, ihre Energiegiepolitik zu ändern. Mit dem Einsatz erneuerbarer Energien wie Biomasse kann nicht nur im Winter, sondern auch für die Zukunft ein "prima Klima" geschaffen werden.

Der Autor ist Mitarbeiter der Koordinierungsstelle von Klimabündnis Kärnten.

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