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Erdöl- und Erdgasexporte sind Russlands wichtigste Einnahmequellen. Dem Ausbau der Öl- und Gasexportwege kommt daher absoluter Vorrang zu.

Ein Militäreinsatz gegen den Irak wäre gegen "die nationalen Interessen Russlands" gerichtet, erklärte der russische Außenminister Igor Iwanow knapp vor Weihnachten. Tatsächlich hat Russland zahlreiche Interessen im Reich Saddam Husseins zu wahren. Mit einer langen Liste solcher Anliegen konfrontierte der russische Präsident Wladimir Putin auch seinen amerikanischen Amtskollegen George Bush bei ihrem letzten Treffen Ende November in St. Petersburg. Neben der Rückzahlung der irakischen Schulden aus der Sowjetzeit will Moskau vor allem die Ölverträge und die Erschließung neuer Vorkommen gesichert wissen.

Geht es nämlich um Öl und Gas, dann will Russland nichts riskieren. Seine privilegierte Position im weltweit zweitgrößten Erdölland Irak hat sich Moskau über lange Zeit aufgebaut und viele Millionen Dollar im Ölgeschäft verdient. Wenn stimmt, was der Branchendienst "Energy Intelligence Briefing" meldete, nämlich dass der Irak den Vertrag mit dem russischen Ölkonzern "Lukoil" über die Erschließung des lukrativen Ölfeldes Qurna West plötzlich beendet habe, so wäre das ein schwerer Rückschlag für Russland. Doch selbst dann werden russische Ölgiganten im Irak kräftig mitspielen, man steht mit Investitionen in den Startlöchern.

Entscheidend fürs Budget

Geht es nämlich um Öl und Gas, so ist Russlands Lebensnerv getroffen. Der Staatshaushalt dieses riesigen Landes hängt nämlich - neben dem Handel mit Waffen und Atomenergie - einseitig vom Rohstoffexport, insbesondere vom Export von Erdöl und Erdgas ab. Das erste defizitfreie Budget und die Stabilisierung der Wirtschaft im Jahr 2000 verdankt Russland in erster Linie den hohen internationalen Rohstoffpreisen.

Freilich verschlechterten sich die Rahmenbedingungen, nachdem im Laufe des Jahres 2001 der Ölpreis fiel und nach dem 11. September besonders tief absank. Trotz aller Aufforderungen Putins, wirtschaftlich die Aktivitäten im Land breiter zu streuen, um von den Energieträgern Öl und Gas unabhängiger zu werden, beruht der Etat zum Großteil auf den Einnahmen aus diesen Rohstoffen.

Ein Preiskrieg etwa, mit dem das Erdölkartell OPEC im Sommer gedroht hat, würde teuren Produzenten wie Norwegen und England besonders zusetzen, vor allem aber Russland - im Unterschied zu Saudi-Arabien mit seinen geringen Selbstkosten - empfindlich treffen. Russland fürchtet daher bei einem Irakkrieg unter anderem einen Absturz der Erdölpreise.

Zweitgrößter Ölexporteur

Russland gewinnt auf dem internationalen Rohstoffmarkt immer mehr an Bedeutung. Nach einer langen Stagnation hat man in den letzten Jahren die Fördermenge um 20 Prozent auf sieben bis acht Millionen Barrel pro Tag gesteigert und sich mit 5,1 Millionen Barrel pro Tag zum zweitgrößten ÖlExportland hinter Saudi-Arabien (täglich über 6,5 Mio. Barrel) entwickelt. Russland ist zwar angesichts der fallenden Ölpreise nach dem 11. September widerwillig dem Wunsch der OPEC nachgekommen, den Ölexport im Jahr 2002 zu verringern, sieht aber mittlerweile seine Mithilfe zu einer Stabilisierung der Ölpreise auf dem Weltmarkt geleistet. Daher erhöht es seit einiger Zeit wieder seinen Export.

Russlands Exportmöglichkeiten konnten bisher mit dem schnellen Anstieg der Fördermengen, die nach Expertenschätzungen im Jahr 2010 durchaus zehn Millionen Barrel täglich ausmachen könnten, nicht mithalten. So sucht man neben dem größten Abnehmer Europa mittlerweile neue Märkte und Exportwege.

Bush und Putin haben sich in Petersburg auch über die Zusammenarbeit auf dem Energiesektor verständigt. Gleich wie Europa will auch Amerika künftig zum Zwecke einer größeren Unabhängigkeit vom Nahen Osten das schwarze Gold aus mehreren verschiedenen Ländern, darunter Russland, beziehen. "Russland ist von einem zweitrangigen Land zu einem lebenswichtigen Partner geworden: Und alles nur dank dem Öl", brachte kürzlich die New York Times Amerikas neues Verhältnis zu Russland auf den Punkt.

Amerika ist mit über 15 Millionen Barrel pro Tag der weltweit größte Erdölverbraucher, wobei es knappe zehn Millionen Barrel täglich durch Import abdeckt. Macht der russische Anteil am amerikanischen Ölimport bislang mickrige ein Prozent aus, so könnte er Schätzungen zufolge bis 2001 auf zehn bis 13 steigen.

Einem Teil der politischen Willensäußerung entsprachen Ende November gleich die vier (!) größten russischen Erdölgesellschaften, als sie ein Memorandum über das Einverständnis zum Bau eines neuen Exportweges nach Amerika unterzeichneten. Geplant ist die Errichtung einer neuen Pipeline aus dem ölreichen Westsibirien zum nordrussischen Hafen Murmansk und der Bau eines Verladeterminals ebendort. Der Hafen eignet sich durch seine Wassertiefe und die Eisfreiheit, die ein Anlegen von Supertankern über das ganze Jahr ermöglichen. Die Route würde den Mangel an Transportmöglichkeiten für das Öl aus der nordsibirischen Gegend um die Barentsee beheben. Zudem wäre der Transportweg über die Arktis weitaus kürzer als vom Schwarzen Meer oder Persischen Golf aus nach Kontinentalamerika (wie auch nach Europa) und somit auch billiger.

US-Investoren anlocken

Das Projekt befindet sich im Anfangsstadium, Finanzierungsmodelle stehen noch aus. Der Bau ist für 2004 bis 2007 angesetzt, die Kosten auf 5-6 Milliarden Dollar.

Kritiker am großen Absatzgeschäft nach Amerika plädieren dagegen für das Anlocken der weitaus attraktiveren Direktinvestitionen amerikanischer Ölfirmen in die russische Ölförderung. Diesem Teil des politischen Willens in der Kooperation mit Amerika entsprechen russische Ölfirmen bisher nicht. Potenzielle Investoren aus Amerika und aus Europa halten sich wegen mangelnden Investitionsschutzes und unsicherer Gesetzes- und Steuerlage bislang zurück. Von Feindseligkeit und schikanöser Bürokratie berichten die, die es versucht haben. Zum Schutz des eigenen Geschäftes würden russische Ölbarone bisher Investitionserleichterungen behindern.

So setzt man denn auf Export. Und da winkt als weiterer Hoffnungsmarkt China. Russland nimmt unter Chinas Außenhandelspartnern lediglich den achten Platz ein. Putin hat bei seinem Staatsbesuch Anfang Dezember in China einen intensiveren Wirtschaftsaustausch vereinbart. Die Hoffnungen neben dem Waffenhandel liegen dabei auf dem Energiesektor. China, das seine Nachfrage an Energieträgern fast zur Hälfte aus dem Nahen Osten abdeckt, ist besorgt um die Sicherung seines rapid steigenden Energiebedarfes. Russland möchte ab 2005 zumindest sechs Prozent des chinesischen Ölbedarfs decken (bisher nur vier Prozent).

Pipeline nach China

Immerhin ist der Export in diesem Jahr schon um 70 Prozent nach oben geschnellt. Auch wenn es nicht zur geplanten Unterzeichnung eines Abkommens über den Bau einer Pipeline vom sibirischen Angarsk im Irkutsker Gebiet nach Dacin in China gekommen ist, bleibt das ein Ziel. Am Vorhaben des Pipeline-Baus wird weiter gebastelt. Abgesehen vom Öl führt derzeit auch der russische Gasgigant "Gasprom" gemeinsam mit "Shell" Gespräche mit China über höhere Lieferungen und Transportmöglichkeiten.

Der größte Abnehmer für Russland bleibt freilich Europa, dessen Energiebedarf Russland zu einem Fünftel deckt. Dieser Tage hat "Gasprom" die Planung einer neuen Gasleitung auf dem Grund der Ostsee entlang von Finnland nach Deutschland angekündigt. Mit der knapp sechs Milliarden teuren Pipeline will Gasprom nach Ansicht von Beobachtern die Probleme beim Gastransport über Weißrussland, die Ukraine und Polen beheben. Die Pipeline könnte 2007 in Betrieb genommen werden und ab 2009 jährlich zusätzlich bis zu 30 Millliarden Kubikmeter russisches Erdgas nach Europa liefern.

Gasprom möchte zum marktführenden Erdgaslieferanten in Nord- und Mitteleuropa werden. Offen ist für den Pipeline-Bau freilich die Finanzierung. Unzureichende Offenlegung der Firmenbilanzen machen ein Engagement der Osteuropabank EBRD und der Europäische Investitionsbank derzeit unwahrscheinlich.

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