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Der Devisensparer

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Energie und Umweltschutz sind Themen, mit denen die österreichische Bevölkerung in letzter Zeit besonders häufig konfrontiert ist. Oft wird die Frage nach der Notwendigkeit neuer Kraftwerke gestellt, wo doch der Gesamtenergieverbrauch seit rund zwei Jahren ohnedies abnimmt.

Ein Vergleich der beiden ersten Halbjahre von 1983 und 1984 zeigt allerdings, daß der Gesamtenergieverbrauch in Österreich um 4,8 Prozent gestiegen ist, der Verbrauch an elektrischer Energie sogar um 6,3 Prozent zugenommen hat.

Dieser Verbrauchsanstieg führte vor allem in den Wintermonaten, wo nur ein relativ geringes Wasserdargebot vorhanden ist, zu vermehrten Stromimporten und damit erhöhter Auslandsabhängigkeit.

Wenn man die aus eingeführten Brennstoffen erzeugte Strommenge und eine Differenz von Stromimport und -export in Rechnung stellt, ergibt sich, daß Österreich in der kalten, „wasserarmen" Jahreszeit allein bei der Stromversorgung zu etwa einem Drittel vom Ausland abhängig war.

Die Abhängigkeit des österreichischen Gesamtenergiebedarfes hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Betrug sie 1955 noch rund 20 Prozent, lag sie 1982 schon bei 62 Prozent.

Spätestens seit dem ersten öl-schock von 1973 verstärkte sich weltweit der Trend, Erdölimporte zu verringern und öl, wo es möglich ist, durch andere Energieträger zu ersetzen.

Österreich ist zu annähernd der Hälfte seines Energiebedarfes vom Erdöl abhängig. Mehr als vier Fünftel kommen aus dem Ausland, der Rest wird in Österreich gefördert. Die heimischen

ölressourcen werden allerdings in 15 bis 20 Jahren erschöpft sein. Auch bei Energieeinsparungen steigen die Öl-Importkosten durch die ölpreissteigerungen laufend. 1979 zahlte Österreich noch 24,5 Milliarden Schilling, 1982 waren esschon über 50 Milliarden.

Von energiewirtschaftlicher Seite ist es notwendig, öl zu substituieren und andere Energieträger sinnvoll einzusetzen. Um teure Energieimporte zu reduzieren und die Handelsbilanz zu entlasten, ist es daher nötig, auf heimische Energiereserven zurückzugreifen und diese zu nützen.

Österreich ist in der glücklichen Lage, über ein relativ großes Wasserkraftpotential zu verfügen. Rund 60 Prozent der ausbauwürdigen Wasserkräfte werden heute energiewirtschaftlich genutzt. Die elektrische Energie aus Wasserkraft deckt etwa 70 Prozent des österreichischen Strombedarfes. Weitere sieben Prozent kommen aus Wärmekraftwerken, die mit heimischer Braunkohle betrieben werden. Der Rest muß großteils durch Import von Rohenergie zum Betrieb der öl- und gasbefeuerten Wärmekraftwerke und direkte Stromimporte gedeckt werden.

Die Erschließung des noch ungenützten Wasserkraftpotentials und die dadurch bedingte Reduzierung der Erdölimporte (etwa fünf Millionen Tonnen pro Jahr) brächte eine Verringerung der Importe um rund 15 Milliarden Schilling.

Bei einem koordinierten Ausbau der heimischen Wasserkräfte würden Investitionen von 250 Milliarden Schilling in die Wirtschaft fließen. Diese Investitionen kämen zu mehr als 90 Prozent der heimischen Wirtschaft zugute, wodurch in den nächsten 15 bis 20 Jahren etwa 30.000 Arbeitsplätze durchgehend gesichert werden könnten. Ein Zurückstellen des Wasserkraftausbaues hätte also nicht nur wirtschaftliche, sondern auch arbeitsmarktpolitische Auswirkungen, von denen vor allem die Bauindustrie arg betroffen wäre.

Forderungen von Landschaftsschützern und Naturschützern, die Landschaften von Kraftwerken zu verschonen, haben sicherlich teilweise Berechtigung, müssen aber auch volkswirtschaftlichen Interessen gegenübergestellt werden. Es soll hier nicht behauptet werden, daß der Kraftwerksbau kein Eingriff in die Natur wäre. Er ist aber ein wirtschaftlich notwendiger Eingriff, der in vielen Fällen sogar naturfördernde Ergebnisse bringt. Ganz abgesehen davon, daß das Produkt, der elektrische Strom, eine saubere und daher umweltfreundliche Energie ist. Und jede Kilowattstunde Strom aus Wasserkraft verringert die Umweltbelastung durch Schadstoffe in der Luft, — deren Reduktion wieder nur durch elektrisch betriebene Filter möglich ist.

Mit Kraftwerksbauten werden auch Kanalisationsnetze der Anrainergemeinden errichtet. Das Heben des Grundwasserspiegels in den Rückstauräumen der Laufkraftwerke bewirkt die Regeneration der Auwaldlandschaft. Diese wurde durch den Bau von Hochwasserschutzdämmen und durch Flußregulierungen lang vor dem Bau von Kraftwerken zum Aussterben verurteilt. Durch die Verminderung der Uferlängen und Flußbreiten und die damit verbundene Trennung von Fluß und Aulandschaft sind ein Großteil der ökologisch wesentlichen Strukturen ausgefallen. Dadurch verlor das so in zwei Teile gespaltene Ökosystem die Fähigkeit zur Selbstregeneration.

Die Vergrößerung der Kontaktzonen und die Reduzierung der Strömungsgeschwindigkeit auf das ursprüngliche, vor den Flußregulierungen vorhandene Mittelmaß ermöglicht die Rückent-wicklung der ökostrukturen. Die entstandenen Auwaldgebiete (z. B. Innauen) bieten einer Vielzahl von Tieren neuen Lebensraum. Nicht zuletzt werden durch die Nutzung der Wasserkraft jährlich Tausende Tonnen Schwemmgut und „Zivilisations-müll" aus den Flüssen beseitigt.

Es ist aus all den wirtschaftlichen, energiepolitischen, aber wohl auch aus gesamtökologischen Gründen wichtig, den Ausbau der Wasserkraft in Österreich zu verwirklichen. Es gilt daher, den bestmöglichen Konsens zwischen E-Wirtschaft und Umweltschutz zu finden, um eine energiegesicherte und umweltfreundliche Zukunft schaffen zu können.

Der Autor ist Generaldirektor der Oberösterreichischen Kraftwerke AG (OKA).

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