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Aspekte österreichischer Elektrizitätsversorgung

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Wenn ein Elektrizitätsunternehmen der im Verband der E-Werke zusammengeschlossenen neun Landes-, Fünf städtischen und acht Sondergesellschaften mit der bisherigen Preisgestaltung „nicht mehr durchkommt", wendet es sich an die Preiskommission im Handelsministerium. Dort beurteilen die Vertreter des Arbeiterkammertages, der Bundeswirtschaftskammer, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern und des Finanzministeriums den Antrag in einem Vorprüfungsverfahren.

Unter Federführung der Sektionen 3 und 5 wird dann in einem Gutachten über die grundsätzliche Berechtigung des Antrags auf eine Erhöhung befunden (oder sie wird abgelehnt). Erst mit dem Bescheid des Handelsministers ist die Genehmigung Für eine bestimmte Erhöhung des Tarifes wirksam.

Aber dann kann noch ziemlich viel Zeit verstreichen bis der bewilligte Prozentsatz in die Tarifgestaltung Eingang gefunden hat: Im Falle der letzten Preiserhöhung dauerte das vom I. Jänner bis Mitte des Jahres.

Der Grund Für diese langwierigen und zum Teil auch umständlichen Rechnereien liegt in der Art, wie sich der Tarif zusammensetzt. Der Abnehmer zahlt nämlich nicht einfach pro Kilowattstunde verbrauchter Energie, sondern es wird ihm ein Mischpreis aus folgenden drei Komponenten verrechnet:

• der Grundpreis in Schilling pro Monat als Fixer Satz Für die Bereitstellung der elektrischen Leistung,

• ein Meßpreis, der ebenfalls monatlich in Schilling zu bezahlen ist und mit 1,5 % des Wiederbeschaffungswertes Für die Bereitstellung der Meß-, Steuerund Schaltgeräte verrechnet wird, sowie den eigentlichen Verbrauch als

• Arbeitspreis in Groschen pro Kilowattstunde (kWh).

Dazu kommt, daß diese Tarifkomponenten je nach Landesteil und Gesellschaft unterschiedlich hoch berechnet werden müssen.

So kann z. B. der Grundpreis zwischen 3,70 S in Tirol und 16,60 S in Niederösterreich schwanken, und der Abnehmerpreis zwischen 73 Groschen je kWh (in Tirol) und 112 Groschen (in Niederösterreich) ausmachen.

Solche Differenzen haben ihren Grund in der unterschiedlichen Wirtschaftlichkeit der Erzeuger. Im Westen Österreichs wird überwiegend Strom aus Wasserkraftwerken angeboten, die zum Teil schon abgeschrieben, also komplett ausbezahlt sind, während man im Osten und Süden vielfach teurer mit Kohle und anderen fossilen Brennstoffen feuern muß. Außerdem sindvieleostösterreichischeKraftwerksanlagen .jünger" und deshalb noch mit höheren RUckzahlungs- und Abschreibungsquoten belastet.

Wenn nun der Finanzminister seine Mehrwertsteuererhöhung auf Strom durchzieht, so keineswegs zur Freude der Stromerzeuger. Dieser Durchlaufposten engt nämlich ihren Spielraum bei der Tarifkalkulation erheblich ein.

Obwohl unsere Stromerzeugung nur 15,9 Prozent des gesamten Energieverbrauchs ausmacht, bekommt sie immer mehr an Gewicht; immerhin werden 60 Prozent der benötigten Strommengen aus heimischer Wasserkraft gewonnen.

Da bei Kohle und anderen fossilen Brennstoffen, die auch zur Stromerzeugung benötigt werden, große Auslandsabhängigkeit besteht, hat der Gedanke, Kleinwasserkraftwerke in die öffentliche Versorgung einzubeziehen, in den letzten Jahren zunehmend an Attraktivität gewonnen.

Nach den letzten verfügbaren Angaben gibt es bei uns 1274 Kleinkraftwerke, die mit einer Leistung von 5000 bis 10000 Kilowatt eine bisher ungenützte Reserve darstellen. Nach Berechnungen des Verbandes der Kleinkraftwerksbesitzer wäre ein Anschluß ans öffentliche Netz durchaus rentabel, denn diese Werke liefern schon jetzt 1,5% des Gesamtstromverbrauches. Ihr volkswirtschaftlich hoher Stellenwert ergibt sich aus der Tatsache, daß diese Werke besonders billig produzieren, weil sie meist kleine Laufkraftwerke an Flüssen und Bächen sind.

Während in anderen Ländern wie in der VR China 80000 Kleinkraftwerksbauten in den nächsten Jahren geplant sind, in der Türkei 11000 und in Pakistan 3000, aber auch Schweden ein Kleinkraftwerksprogramm für die nächsten 20 Jahre besitzt, scheitern bei uns die Diskussionen vor allem am Problem der Abgabe des Stroms an das öffentliche Netz. Auch die Förderung dieser Kleinkraftwerke ist noch umstritten.

Derzeit besteht zwar die Möglichkeit, für die Errichtung und den Betrieb solcher Anlagen Kredite und Zuschüsse zu bekommen, die Gesetzeslage bevorzugt aber Großkunden, wie Industrieunternehmen mit ihren Eigenanlagen noch immer im Vergleich zu Kleinstwerken. Diese wären insbesondere in ländlichen Gebieten mit schwacher Netzdichte am Ort zu errichten und könnten sowohl zeitweise als auch auf Dauer sinnvoll und zugleich umweltfreundlich arbeiten.

Ein Ausbau dieses Energiepotentials würde in den nächsten 20 bis 30 Jahren Investitionen von 30 bis 40 Milliarden erfordern. Sie kämen aber nicht nur der Stromversorgung zugute, sondern würden auch Arbeitsplätze sichern. Denn gerade in Osterreich haben sich einige Firmen auf den Bau von Kleinwasserkraftwerksturbinen und anderes Zubehör spezialisiert und exportieren diese Erzeugnisse in alle Welt. Wäre es nicht vernünftig, sich endlich auch beim Verbundkonzern darüber Gedanken zu machen, wie man diese „Reserveenergie" zu einem vernünftigen Preis erwerben könnte?

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