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Manches läuft schon in NO

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Um 340.000 Schilling Heizölkosten zu sparen, beschloß der Gemeinderat von Sitzendorf im Weinviertel eine neue Lösung für die Heizung der Volksschule: Erster Schritt war eine gezielte Wärmedämmung des Gebäudes, und als zweiter war die Anschaffung einer Biomasse-Heizung vorgesehen. Die großen ungenutzten Mengen an Stroh, die rundum auf den Feldern anfielen, legten die Einrichtung einer Strohverbrennungsanlage nahe.

Auf Initiative des Bürgermeisters Werner Withalm wurde diese auf 750 Kilowatt (kW) ausgelegt, mehr, als die Volksschule brauchte. Der Hintergedanke: Später könnten die Hauptschule, ein Kinderheim und Privathäuser mit Fernwärme versorgt werden. Seit Dezember 1985 läuft das Werk in der ersten Ausbaustufe zur vollen Zufriedenheit mit einer dänischen Anlage. Die Auflage der Umweltbehörde, einen Filter einzubauen, verteuerte das Projekt um 500.000 Schilling auf drei Millionen. Allerdings funktioniert die Anlage jetzt zur vollen Zufriedenheit der Anrainer.

Bei einem Strohpreis von 60 Groschen je Kilo gab es sofort 44 interessierte Lieferanten. Mittlerweile sind es 52. Durch den Strohverkauf gibt es in der Gemeinde eine zusätzliche Wertschöpfung von 100.000 Schilling im Jahr. Nächstes Jahr sollen es 300.000 Schilling sein. Dann wird die vorgesehene zweite Ausbaustufe in Betrieb gehen. Heuer im Sommer werden nämlich Kunststoff-Rohrleitungen um 2,5 Millionen Schilling verlegt werden. Die Abnehmer werden 65 Groschen für die kWh zu bezahlen haben.

Bei Vollauslastung muß zwei-bis dreimal täglich Stroh geliefert werden. Es wird gewogen und seine Feuchtigkeit gemessen. Vom Zerreißer wird es in den Silo geblasen, von wo es eine Stockerschnecke in den Ofen, der durch eine besondere Schleuse von der Umgebung getrennt ist, befördert. All das erfolgt ebenso wie die Verbrennung und die Austragung der Asche vollautomatisch.

Weil es sich um ein Pilotprojekt gehandelt hat, sind dem Bürgermeister einige Finanzierungskunststücke gelungen. Das war auch nötig, denn der niedrige öl-preis hätte die ursprünglich errechnete Amortisationszeit von sieben bis zwölf Jahren deutlich verlängert.

Stroh und Biogas

3.200 Tonnen Stroh verheizt die „Kartoffelverwertung Holla-brunn“ jährlich, um ihren Betrieb mit Energie zu versorgen. Sie betreibt damit seit 1982 eine Pionieranlage für industrielle Zwecke. Das von den Landwirten in Hochdruck- oder Großballen angelieferte Stroh wird in eine „Strohbox“ (Fassungsraum 60 Prozent des Tagesbedarfs) gekippt und automatisch mittels Förderband unzerkleinert über eine Brennstoffschleuse in den Feuerraum verfrachtet, wo es auf einem beweglichen Rost so verbrannt wird, daß keine Schlacke anfällt.

Die anfallende Asche ist ein besonders kali-hältiger Dünger. Vom Aspekt der Umweltverträglichkeit ist auch hier der Wegfall von Schwefeldioxid zu erwähnen. Allerdings wird die absehbare Verschärfung der Staubgrenzwerte den Einbau zusätzlicher Staubfilter erfordern.

Besondere Aufmerksamkeit verdient in HoUabrunn eine zweite, die Biogas-Anlage. Bei der Kartoffelverwertung fallen große Abwassermengen an (entsprechend einer Stadt mit 25.000 Einwohnern). Um diese aufzubereiten, wurde eine Biogasanlage eingerichtet, die die Verunreinigung um 85 bis 90 Prozent mindert.

Sie arbeitet unter völligem Luftabschluß mit zwei Reaktoren. Ein Sieb und ein Absetzbecken sorgen für die Trennung in flüssige und schlammige Abwässer.

Spezielle Bakterien wandeln die organischen Substanzen in Biogas um, das vorwiegend aus Methan besteht und brennbar ist. Ein System von Kammern sorgt für die Umwälzung der Abwässer und die Abtrennung des Gases von Schlamm. Dieser eignet sich dank seines hohen Bakteriengehaltes besonders gut als Dünger.

Das so gewonnene Biogas wurde ursprünglich ebenfalls verfeuert, dient aber heute dem Antrieb eines Gasmotor-Generators zur Erzeugung von 1,2 Millionen kWh Strom (Leistung 380 kW). Im Betrieb wird der Strom für die Tiefkühlung der Produktion verwendet.

Die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme wird für Heißwasser (80 Grad) und die Tempe-ratiu- der Abgase mittels einer in Osterreich entwickelten Absorptionsanlage für die Tiefkühlung umgesetzt. In HoUabrunn findet man das Musterbeispiel für optimale Energienutzung, die es ermöglicht, jährlich 800.000 Liter Heizöl zu sparen.

Rindenheizung

Seit 1983 ist im Stift Zwettl ein vom Wissenschaftsministerium und dem Land Niederösterreich gefördertes Rindenheizwerk in Betrieb. Es heizt das Stift, das Bildungshaus, die nahegelegene Schule, das Hallenbad, die Taverne, es liefert Warmwasser und dient zur Trocknung landwirtschaftlicher Produkte im Sommer.

Die Rinde stammt von umliegenden Sägewerken: 14.000 Raummeter liefern 5.600 MWh Energie, was jährlich 565 Tonnen Heizöl schwer (und damit nicht nur Schwefeldioxidabgase) erspart. Ein Vorratslager deckt den Verbrauch von drei bis vier Monaten ab, muß aber gut betreut werden, weil feuchte Rinde Gärung. Hitze und somit Brandgefahr bedeuten kann. Ist die Rinde zu feucht, gibt es dunklen Rauch.

Waren die Sägewerke zunächst froh, die Rinde loszuwerden, so hat sich dafür mittlerweile dank gestiegener Nachfrage ein Preis gebildet. Dennoch bleiben auch heute die Heizkosten etwa auf der Hälfte dessen, was eine Ölheizung kosten würde.

Einzelheizungen

Automatische Biomasseheizungen gibt es heute auch für Einfamilienhäuser. Allerdings liegen ihre Anschaffungskosten zwei- bis dreimal so hoch wie die von Heizungen mit herkömmlichen Brennstoffen.

Die Kosten für Biomasse-Heizungen sind steuerlich absetzbar, was die Attraktivität dieser Variante erhöht.

Fernwärmenetz

Schon verlegt ist das Leitungsnetz der Strohverbrennungsanlage im niederösterreichischen Seibersdorf. Es hat eine Trassenlän-ge von 4.300 Meter und wurde in nur neun Wochen verlegt.

Die Wärme stammt aus einer ebenfalls aus Dänemark importierten Anlage mit einer Leistung von 2,2 MW, die automatisch durch Kesselthermostate und Zeitschaltuhren gesteuert ist.

Ein abgestimmtes System von Luftzuführung sorgt für die geeignete Verbrennung, die bei Stroh nicht ganz einfach zu gewährleisten ist, will man Schlak-kenbildung vermeiden. Auch in Seibersdorf wird die Asche (ein guter Dünger) automatisch in einen Silo befördert.

Betrieben wird das Werk von einer eigens gegründeten Genossenschaft der Wärmeabnehmer. Sie leisten pro Jahr vier Akontozahlungen, die am Ende der Heizperiode aufgrund des gemessenen Wärmeverbrauchs abgerechnet werden.

15 Landwirte der Marktgemeinde liefern die 700 bis 800 Tonnen Stroh, die pro Jahr benötigt werden. Jeder kommt etwa dreimal in der Saison an die Reihe. Pro Kilo Stroh werden 50 Groschen verrechnet, wobei es bei mehr als 16 Prozent Feuchtigkeit zu Preisabzügen kommt. Die Lagerung im Freien hat sich heuer als ungünstig erwiesen.

Im Endausbau sollen 100 Gebäude an die zentrale Versorgung angeschlossen sein. Derzeit sind es etwa 60.

Bei der Verwirklichung des Projektes leistete die vom Land ins Leben gerufene Beratungsfirma für Fragen der Biomasseverwertung für Energiezwecke .Agrarplus“ einen wertvollen Beitrag. Sie soll die Aufgabe eines Katalysators überall dort übernehmen, wo Interesse an Energie aus Biomasse besteht, aber nicht ausreichend Know-how vorhanden ist. Ihre Beratungstätigkeit kostet etwas nixr im Falle des Zustandekommens eines Projektes. Folgendes wird bei allen Projekten deutlich: Sie wurden von besonders motivierten Personen initiiert und getragen, stehen im Interesse örtlich überschaubarer Einheiten, sind maßgeschneidert auf deren Gegebenheiten und bedürfen eines vielfältigen Wissens, das durch geeignete Beratung gefördert wird.

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