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Mit Holz, Stroh oder Gras statt nur mit Erdöl heizen

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Die Biomasse, das Produkt einer ökologischen Kreislaufwirtschaft, wäre unter Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten heute schon der billigste Energieträger. Die Preise für Biomasseprodukte sind exakt kalkulierbar und weisen seit Jahrzehnten die geringste Schwankung auf. Eine rasche Durchsetzung der Biomasse von der Preisseite her wird es aber nicht geben, solange man nicht den Mut hat, den fossilen Brennstoffen die von ihnen verursachte Umweltzerstörung (ein Schilling pro Kilowattstunde (kWh)) und die Schwächung der österreichischen Wirtschaft durch die hohe Importbelastung anzurechnen.

Wenn es uns nicht gelingt, den an und für sich Schadstoff freien Brennstoff Biomasse auch ohne Schadstoffbildung zu verbrennen, werden auch in Zukunft - trotz der C02-Problematik - Öl, Gas und Strom den Wärmemarkt beherrschen.

Aufgrund dieser Erkenntnis befaßt sich das Institut für Alternative Energienutzung-Biomasse in Graz seit zirka fünf Jahren intensiv mit der Biomasseverbrennung und der Entwicklung von automatischen Biomasseheizgeräten in jeder Größenordnung.

Das Verbrennen von Biomasse in veralteten Anlagen wird von Fachleuten mit Recht kritisiert, da bei schlechter Verbrennung verstärkt äußerst giftige Kohlenwasserstoffverbindungen im Abgas auftreten können. Die Biomasse besteht - im Unterschied zur Kohle -nicht vorwiegend aus Kohlenstoff, sondern aus nur etwa 50 Prozent Kohlenstoff, sieben Prozent Wasserstoff und 43 Prozent Sauerstoff. Bei unvollständiger Verbrennung kommt es also nicht nur zur Kohlenoxid-Bildung, sondern aufgrund des Wasserstoffanteils auch zur Bildung von zum Teil krebserregenden Kohlenwasserstoffverbindungen.

Bei der Erwärmung von Holz, zu Beginn des Verbrennungsvorganges, entweichen 70 Prozent der Holzsubstanz gasförmig, wodurch sich lange Flammen ergeben. Schlagen diese langen Flammen an gekühlten Heizflächen an, wird der Ausbrennvorgang unterbrochen und es verbleiben unverbrannte Schadstoffe im Rauchgas.

Für eine vollständige Verbrennung des Kohlenstoffanteils im Holzgas zu Kohlendioxid und des Wasserstoffanteils zu Wasser, sind vier wichtige Forderungen einzuhalten und bei der Ausführung von Heizungsanlagen vom Einzelofen bis zur Dorf Zentralheizungsanlage zu berücksichtigen:

• Hohe Brennraumtemperaturen,

• lange Verweilzeiten der Verbrennungsgase bei diesen Temperaturen

• Verwirbelung der Verbrennungsgase (Turbulenzen)

• ausreichende Sauerstoff zufuhr. Bei einer Feuerraumtemperatur von 1.000 Grad Celsius wird für eine vollständige Verbrennung der vergasten Holzteile eine Verweilzeit von einer Sekunde benötigt. Die hochentwickelten Öl- und Gasbrenner zeigen uns, daß diese Verweilzeiten durch Ver-wirbelungen in der Flamme nahezu beliebig verkürzt werden können.

Zu großes Glutbett, gekühlte Roste und Feuerräume, fehlender Nachverbrennungsraum, fehlende Sekundärluf tf ührung und fehlende Wirbelelemente sind die Hauptfehler der bestehenden alten Ofensubstanz.

Hackschnitzel: Das Hackgut der Holzverarbeitung wird jetzt schon vielerorts verwendet

Bei der Errichtung des 3.000 Kilowatt (kW) Biomasse-Dorfzentralheizungskessels in Wildon wurden 1988 erstmals die theoretischen Verbrennungsbedingungen eingehalten. Einer konventionellen, hydraulisch betriebenen Schrägrostverbrennungseinheit wurden labyrinthf örmige, schamot-tierte und gut isolierte Verbrennungszonen nachgeschaltet. Die Verbrennungsgase brauchen nur eine Sekunde, um dieses Labyrinth zu durchwandern und gelangen erst dann in den üblichen Rohrwärmetauscher.

Die Emissionswerte dieser Anlage übertrafen alle Erwartungen. Die strengen Emissionswerte des neuen Luftreinhaltegesetzes konnten nicht nur eingehalten, sondern etwa um einen Faktor 100 (außer bei Staub und bei den Stickoxiden) unterschritten werden. In der Zwischenzeit wurden mindestens 30 weitere Großanlagen mit ähnlich guten Emissionswerten errichtet.

Eine moderne 3.000 kW Heizanlage für ein ganzes Dorf hat einen Schadstoffausstoß, der geringer ist als jener eines kleinen Pkw mit Katalysator oder einer Kohlezentralheizung für ein Ein-Familien-Haus.

Da Großkessel gewöhnlich unkontrolliert mit den unterschiedlichsten Biobrennstoffen beschickt werden, waren immer noch häufig händische Nachregulierungen am Kessel notwendig. Finanziert vom Wissenschaftsministerium wurde ein 3.000 kW Kessel zur Fernwärmeversorgung von Großarl in Salzburg mit einer speziellen Glutbettregelung und einer speziellen Steuerung der Luftzuführung (über die Feuerraumtemperatur) wie auch mit einer speziellen Steuerung der Verbrennungsluft bei Lastwechsel ausgestattet. Es wurde auf diese Art erreicht, daß die Anlage - mit Ausnahme der üblichen Reinigungsarbeiten - praktisch wartungsfrei und ohne die sonst bei Lastwechsel üblichen Emissionsspitzen arbeitet.

Bei den dezentralen Kleinanlagen (Hauszentralheizungen von fünf bis 50 kW), aber auch bei Anlagen für Gewerbebetriebe (Tischlereien bis 200 kW) erreichte die Entwicklung von Unterschubre-tortenfeuerungen mit Glutbettabtastung, Aschenkühlung und automatischer Aschenaustragung sowie einer Hochtemperatur- und Hoch-turbulenznachverbrennung einen hohen technischen Stand. Voraussetzung für den automatischen Betrieb dieser Anlagen sind spezielle, zerkleinerte Brennstoffe (Hackschnitzel, Säge- und Hobelspäne) sowie entsprechende Brennstoffvorratsbehälter (Tages- oder Wochenbehälter) oder Vorratsräume mit Raumaustragung für eine automatische Beschickung über Zeiträume von mehreren Monaten.

Räumlichkeiten für derartige Heizanlagen beziehungsweise für eine derartige Brennstoffbevorratung mit Sicherheit nicht gegeben. Hier hat sich eine neue Entwicklung, die automatische Brikettheizung, be-* reits bewährt:

Ein Einfamilienhaus oder eine 100-Quadratmeter-Wohnung haben einen maximalen Leistungsbedarf von zehn kW und einen Energiebedarf von 15.000 kWh pro Jahr und können mit drei Tonnen Holzbriketts vollautomatisch beheizt werden. Für diese Menge an Holzbriketts braucht man ein Lagervolumen von vier bis fünf Kubikmeter. Die automatische Brikettheizung selbst ist mit einem Vorratsbehälter von einem Kubikmeter versehen, sodaß mit einer Füllung ein vollautomatischer Heizbetrieb von 30 bis 50 Tagen erreicht wird. Der Aschenbehälter faßt 50 Liter und muß alle zwei bis drei Monate geleert werden. Die Brikettheizung funktioniert praktisch genauso wie die Hackschnitzelheizung, nur ist die Austragsschnecke aus dem Vorratsbehälter speziell gelagert und als Frässchnecke ausgebildet.

Die Emissionen solcher Anlagen entsprechen jenen guter Gasheizungen. Bei einem Sommerbriketteinkauf werden derzeit so günstige Preise erzielt, daß eine automatische Brikettheizung im Betrieb um zwei Drittel billiger kommt als konventionelle Extraleichtöl-Zen-tralheizungsanlagen. Einziger Wermutstropf en ist, daß die Kessel alle zwei bis vier Wochen gekehrt werden müssen, da sie durch den Aschegehalt im Holz doch verstauben. Um auch diesen letzten Nachteil bei Festbrennstoff-Biomasseheizungen zu beseitigen, entwickeln wir derzeit einen Kessel, der sich mittels bewegter Heizflächen ständig selbst reinigt.

Für den bäuerlichen Haushalt, aber auch für jene Haushalte, die in Zukunft mit Solarstrom ihr Auslangen finden wollen, haben wir einen automatischen Tischherd in Entwicklung, der über das ganze Jahr Warmwasser liefert, im Winter die Haus- oder eine Etagenheizung versorgt und für den Kochbereich ßinen.voll wertigen E-Herder-stzJdaMteiit. Er ist so konzipiert, daß auch bei reinem Kochbetrieb im Sommer keine unnötige Raumwärme entsteht. Mit einem in den Küchenbereich integrierten Vorratsbehälter von zirka 200 Liter Füllraum wird in der Heizperiode ein wartungsfreier Betrieb über zwei Tage erreicht. Im Sommerbetrieb (Gluterhaltung, Warmwasserbereitung und Kochen) reicht eine Behälterfüllung mit Hackschnitzel für zirka 14 Tage. Wird der Behälter mit verdichteten Briketts oder Pellets gefüllt, so erhöhen sich die jeweiligen wartungsfreien Betriebszeiten um das Fünffache.

Für Kachelofenliebhaber

Weiters haben wir ein dem Tischherd ähnliches Gerät am Prüf stand, das für Kachelofenliebhaber konzipiert ist. Dieses Gerät heizt einen Raum von zirka 100 Kubikmeter eine Woche vollautomatisch bei einwandfreien Emissionswerten. Das Äußere dieser Anlagen kann wie auch sonst bei Kachelöfen völlig individuell gestaltet werden. Darüber hinaus kann dieses Gerät auch mit einem Wasserwärmetauscher versehen werden, sodaß auch anliegende Räume über Zentralheizungskörper beheizt werden können. Auch ist damit die Warmwasserversorgung möglich.

Je kleiner die geforderte Leistung, umso schwieriger ist es, eine einwandfreie Biomasseflamme mit perfekter Nachverbrennung zu gestalten. Die Entwicklung eines Einzelofens mit reinem Pelletsbetrieb, als Ersatz für die zahlreichen Einzel-Extraleichtölöfen, wurde von uns vor einem Jahr abgeschlossen, jedoch ist die Umsetzung in die Serienproduktion noch nicht vollzogen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß es praktisch in jeder Größenordnung bei der Biomasseverbrennung Entwicklungen gibt, die einen komfortablen, umweltfreundlichen und auch preisgünstigen Betrieb ermöglichen.

Mit den Biomassedorfzentral-heizungeri beziehungsweise mit der Versorgung von Fernwärmenetzen durch Biomasseheizungen wird der höchste Komfort mit der höchsten Versorgungssicherheit bei geringster Umweltbelastung erreicht.

Gasheizungen sind im Vergleich zwar auch umweltfreundlich, jedoch bleiben dort folgende Probleme bestehen: die Importabhängigkeit, die C02-Problematik und die Explosionsgefahr.

Einzelraum- beziehungsweise Hauszentralheizungen lassen sich mit erhöhtem Aufwand bereits so komfortabel gestalten wie Ölheizungen. Große Lagerräume mit automatischer Raumaustragung sind dabei Voraussetzung.

Preisgünstig wird aber ein mit Öl- und Gasheizungen vergleichbarer Komfort bei.Biomassehauszentralheizungen dann erreicht, wenn sich bäuerliche Gruppen oder Gewerbebetriebe (Brennstoffhandel) finden, die sich - vertraglich gebunden - um den einwandfreien Betrieb der Heizungen und deren wöchentliche bis monatliche Versorgung mit Brennstoffen (Hackschnitzel im ländlichen Bereich, Briketts im städtischen Bereich) kümmern. Die Asche wird mehrmonatig vom Brennstofflieferanten zurückgenommen und im landwirtschaftlichen Betrieb als vollwertiger Mineraldünger eingesetzt.

Mit zunehmendem ökologischen Grundwissen in der Bevölkerung werden sich Biomasseheizungen von unten her verstärkt durchsetzen. Eine rasche Verbreitung wird aber nur durch gerechte Brennstoffpreise (gesteuert von oben) und entsprechende Finanzierungshilfe beim Umstieg auf umweltfreundliche Biomasseheizungen erfolgen.

Univ. Doz. August Raggam leitet das Institut für Alternative Energienutzung der Technischen Universität Graz.

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