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Sparen: beste Energiequelle

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„Los vom importierten Erdöl, Bau von Kraftwerken im Inland!", lautet die Parole der Energiepolitik. Man könnte auch andere Wege gehen: Einfach konsequent Energieverschwendung bekämpfen ...

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„Los vom importierten Erdöl, Bau von Kraftwerken im Inland!", lautet die Parole der Energiepolitik. Man könnte auch andere Wege gehen: Einfach konsequent Energieverschwendung bekämpfen ...

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Was die Energiepolitik betrifft, wird die bisherige Entwicklung als „harter Weg" bezeichnet. Seine Charakteristika sind: Die Wachstumsraten des Energieverbrauchs in der Vergangenheit werden auch für die weitere Zukunft angenommen, erhöhte „Energiedienstleistungen" werden mit erhöhtem Energieeinsatz angestrebt, und es kommt zu einem rascheren Verheizen der Energievorräte.

Der Druck auf die Ressourcen nimmt zu, Verteilungskonflikte zwischen armen und reichen Ländern verschärfen sich, die Zerstörung der Umwelt eskaliert, und die letzte Hoffnung der Energieversorgung wird in die Kernenergie, insbesondere in schnelle Brutreaktoren und damit in eine Plutoniumwirtschaft gesetzt.

Die Alternative dazu, der „sanfte Weg" der Energieversorgung, hat als oberstes Prinzip eine optimale Energienutzung. Er ist ziel-und nicht mittelorientiert. Er geht davon aus, daß die Menschen ja nicht Kilowattstunden brauchen, sondern eine behagliche Wohnumwelt, Warmwasser, Beleuchtung und Mobilität. Zahlreiche detaillierte Studien zeigen heute, daß es möglich ist, eine Beibehaltung oder gar Erhöhung der Energiedienstleistungen bei gleichzeitiger dramatischer Verringerung des Primärenergieeinsatzes zu ermöglichen.

Es gibt heute eine ganze Reihe technisch ausgereifter Möglichkeiten, mit einem bestimmten Kapitaleinsatz mehr Energie einzusparen als zusätzliche bereitzustellen. Das heißt, die eingesparte Energieeinheit ist billiger als die zusätzlich erzeugte. Nach Univ.-Prof. Stefan Schleicher beträgt derzeit der Preis einer eingesparten Kilowattstunde etwa zehn Groschen.

Die Energieeinsparung (ohne Einbußen an Energiedienstleistungen) verbindet mehrere Vorteile miteinander:

• Die eingesparte Energie schädigt die Umwelt nicht.

• Es kommt zur Einsparung von Energiekosten.

• Statt wachsende Kapitalmengen für Energieimporte ins Ausland abfließen zu lassen, werden im Inland dauerhafte Investitionen getätigt und sinnvolle Einrichtungen geschaffen.

• Es werden längerfristig für sinnvolle Aufgaben zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen, und zwar dezentral, was bedeutet, daß auch Zwangsmobilität von Pendlern abgebaut werden kann.

Das größte Sparpotential, das auch am leichtesten auszuschöpfen ist, liegt auf dem Gebiet der Raumheizung, auf das in Österreich beinahe 80 Prozent des gesamten Energieaufwandes der Haushalte fällt. Zirka 50 Prozent der Österreicher wohnen in Ein-oder Zweifamilienhäusern, die sich im Durchschnitt mit einer Investition von etwa 200.000 Schilling (Aufbringung von Sfechs bis acht Zentimeter Dämmaterial an den Außenflächen sowie Fenstersanierung) auf einen besseren Wärmestandard tringen ließen.

Bei einer Energieersparnis von etwa 15.000 Schilling pro Heizsaison beträgt die Amortisationszeit ungefähr zehn bis 15 Jahre. Im Laufe einiger Jahrzehnte ließen sich insgesamt in Österreich Energiemengen von mehr als 100 Peta-joule (derzeitiger Verbrauch der

Haushalte 210 Petajoule) an Primärenergie auf dem Heizsektor einsparen. Dazu kommen noch beachtliche Möglichkeiten der Abwärmenutzung von Kraftwerken bzw. der dezentralen Kraftwärmekupplung.

Andere erfolgversprechende Möglichkeiten der Energieeinsparung liegen in der Anwendung von Wärmetauschern (z. B. bei Gebäudelüftung), im Straßenverkehr durch Verlagerung von Transporten auf die Schiene bzw. durch vorrangige Förderung des öffentlichen Verkehrs gegenüber dem privaten Automobil.

Die Umstellung auf benzinsparende Automobile kann ebenfalls einen wesentlichen Beitrag leisten. Nach einer Studie der Firma Shell aus dem Jahr 1979 machte die ökonomisch einzusparende Energiemenge beinahe 30 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs aus. Seither sind die öl-preise merklich gestiegen und gegenwärtig veranschlagt Schleicher das ökonomisch mögliche Einsparpotential auf mehr als 40 Prozent.

Energiesparende Maßnahmen erfordern nicht nur technische Grundlagen, sondern auch legislative und fiskalische Lenkungsmaßnahmen, die die Energieverschwendung benachteiligen und Energiesparen belohnen bzw. überhaupt erst ermögHchen. Erst wenn der Energiebedarf auf ein vernünftiges Maß verringert wird und sinnlose, ökologisch nachteilige Verschwendung abgebaut ist, werden die mannigfaltigen Möglichkeiten zur Erzeugung von Alternativenergien in größerem Umfang den Bedarf decken können.

Die Entwicklung von Modellanlagen ist aber bereits heute höchst wertvoll und in vielen Fällen auch wirtschaftlich. Das trifft beispielsweise für die Erzeugung von Warmwasser mit Flachkollektoren zu. So betrug 1976 die installierte Kollektorfläche zur Sonnenenergienutzung 2300, 1981 aber bereits 95.200 Quadratmeter. Der überwiegende Teil dieser Kollektoren dient der Warmwasserbereitung in Haushalten, zirka 30 Prozent der Beheizung von Schwimmbädern.

Diese Anlagen sind derzeit noch ziemlich teuer und haben lange Amortisationszeiten von etwa 20 Jahren. Es ist daher der Lebensdauer höchstes Augenmerk zuzuwenden. Allerdings lassen sich die Anlagenkosten durch Eigenleistung wesentlich verringern.

Eine wichtige Quelle von alternativer Energie ist die Nutzung von Biomasse in verschiedensten Formen, möglichst in kleinen lokalen Anlagen zur Verringerung des Transportaufkommens.

Große Fortschritte macht derzeit die Entwicklung von photoelektrischen Zellen, und der Preisverfall auf diesem Gebiet läßt ihre wirtschaftliche Anwendung zur Stromerzeugung in größerem Maßstab bereits zum Ende dieses Jahrzehnts erwarten. Eine grundsätzliche Forderung bei der dezentralen Erzeugung von Elektrizität ist die Möglichkeit der Ein-speisung in das Verbundnetz, wobei die Zähler sich rückwärts drehen sollten.

Der sanfte Weg der Energieversorgung ersetzt den immer rascheren Verschleiß der Energievorräte und Rohstoffe durch einen Übergang auf die Energieströme. Der sanfte Energieweg hat eine offene Zukunft und steht im Einklang mit zahlreichen Aktivitäten, die eine umweltverträgliche Wirtschaft und Technik nach dem Maße des Menschen zum Ziel haben.

Der Autor ist Mitarbeiter am Institut für Umweltwissenschaften und Naturschutz der österreichischen Akademie der Wissenschaften, der vorliegende Beitrag ein Auszug aus dem Heft 2/3/1983 des Club Niederösterreich zum Thema: „Wirtschaft und Umwelt-Versuch einer Versöhnung"

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