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Bald OPEC-abhängig?

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Die Talfahrt der Erdölpreise hat die Energie insgesamt verbilligt. Energiesparen scheint unrentabel, verliert an Attraktivität, wird weniger gefördert, bleibt aber dennoch eine der dringendsten Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben.

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Die Talfahrt der Erdölpreise hat die Energie insgesamt verbilligt. Energiesparen scheint unrentabel, verliert an Attraktivität, wird weniger gefördert, bleibt aber dennoch eine der dringendsten Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben.

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Die Lage zu Beginn des Jahres 1988 war gekennzeichnet durch

• eine gewisse Stabilität der Rohölpreise zwischen 16 und 18 Dollar je Faß (159 Liter) bei gleichzeitig weiterhin krisenhafter Lage in der Golfregion,

• durch eine nicht nur in den westlichen Industriestaaten zunehmende Skepsis gegenüber der Nukleartechnologie und

• durch ein weltweites Bestreben nach einer Reduzierung des spezifischen Energieeinsatzes (bessere Nutzung) und die Weiterentwicklung umweit- und ressourcenschonender Energietechnologien.

Die Gestaltung der künftigen Entwicklung wird die Erkenntnis berücksichtigen müssen, daß

• auf und über der Erde die Grenzen der reversiblen chemischen und physikalischen Belastungen erreicht, wenn nicht in manchen Bereichen bereits überschritten sind,

• das Ungleichgewicht der Verteilung der Erdölvorräte auf der Erdoberfläche in den nächsten Jahren zunehmen und zu politischen und wirtschaftlichen Spannungen führen wird und

• eine Reduzierung des Energieeinsatzes in allen Bereichen eine der größten ökonomischen Reserven für Privat- und Volkswirtschaften darstellt.

Das erwähnte Ungleichgewicht der Verteilung der Erdölvorkommen auf der Erde sei mit einigen Zahlen verdeutlicht:

Ende 1986 betrugen laut OPEC-Bericht die förderbaren sicheren Erdölvorkommen 138.248,3 Millionen Kubikmeter bei einer Jahres-Gesamtförderung von 3.263,0 Millionen Kubikmetern. Daraus wird oft der Schluß abgeleitet, daß ohne Berücksichtigung einer Entdeckung weiterer Lagerstätten bei gleichbleibendem Verbrauch der Weltbedarf ohnehin noch länger als 40 Jahre gedeckt werden kann. Eine derartige Beurteilung der Lage muß zu Fehlentwicklungen in der Energiepolitik führen.

Eine differenzierte Betrach-

tung führt nämlich zu einem ganz anderen Bild: In den Oststaaten liegen elf Prozent der Weltvorräte und würden bei gleichbleibender Förderung nach etwa 17 Jahren erschöpft sein, im Bereich der OPEC-Staaten liegen jedoch 74 Prozent der Weltvorräte, die bei Förderung wie im Jahre 1986 noch etwa 100 Jahre zur Verfügung stehen würden, während in der westlichen Welt 16 Prozent der Reserven lagern, die aber in 13,3 Jahren erschöpft sein werden.

Aus dieser Situation, die nicht dramatisch genug dargestellt

werden kann, haben viele Staaten Konsequenzen für ihre nationale Energiepolitik gezogen. Sie sind damit besser als Österreich gerüstet, den zu erwartenden Spannungen, Konflikten und Krisen zu begegnen.

Damit wird aber die Frage aufgeworfen, ob in Österreich überhaupt eine konsequente energiepolitische Linie zu erkennen ist.

Diese Frage muß aus österreichischer Sicht und auch in Relation zu den Bemühungen in anderen Industriestaaten klar mit „nein“ beantwortet werden. Dazu einige Indikatoren, die keinen anderen Schluß zulassen:

• Bisher wurde noch nicht einmal der Versuch unternommen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Kompetenzen teilweise sehr intensiven und erfolgreichen energiepolitischen Aktivitäten der Bundesländer zu koordinieren und die Erfahrungen bundesweit zu nutzen;

• im Zuge der „Budgetsanierung“ und der Steuerreform wurden und werden viele bisher vorhandene Förderungen für Energiesparmaßnahmen und den Einsatz umweltressourcenschonen-der Technologien gekürzt oder sogar ersatzlos gestrichen (zum Beispiel Fernwärmeförderung

oder steuerliche Freibeträge);

• eine unabhängige, objektive und auf hohem Wissens- und Kenntnisniveau stehende Energieberatung ist in Österreich stark unterentwickelt, weil bisher noch kein Schilling aus Bundesmitteln dafür aufgewendet wurde;

• dem auf eine Entscheidungshilfe bei der Wahl seines Heizsystems wartenden Bürger (oder zum Beispiel auch Wohnbauträger) hilft es nichts, wenn die Konkurrenz der Energieträger (und deren Werbung) als Ausdruck der „freien Marktwirtschaft“ gepriesen wird, obwohl es keine echten Marktpreise für Energieträger gibt; die Folgen werden - langfristig gesehen — vielfach Fehlinvestitionen sein.

Das realisierbare Energiesparpotential aus heutiger ökologischer und ökonomischer Sicht liegt in Österreich bei 30 bis 50 Prozent. Eine Reduzierung des Energieeinsatzes

• ist erste Voraussetzung zur Entlastung der Umwelt,

• sichert und schafft Arbeitsplätze,

• ist Vorbeugung gegen künftig unvermeidbare Energiepreissteigerungen und

• verringert die Abhängigkeit vom Ausland und entlastet die Handelsbilanz.

Zusammenfassend kann für die Energiesituation Österreichs gesagt werden, daß infolge einer hohen Auslandsabhängigkeit alle Entwicklungen am Welt-Ölmarkt nachhaltige Auswirkungen auf unser Land haben werden und daß auf die Steuerpolitik als mögliches Instrument einer zukunftsorientierten Energiepolitik zunehmend verzichtet wird. Und dies gerade in einer Situation, in der die vorhandenen Energiesparpotentiale bisher in weitaus geringerem Maße realisiert wurden als in den meisten anderen westlichen Industrieländern.

Professor Karl Fantl ist Präsident des Osterreichischen Instituts für Energiewirtschaft in Wien.

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