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Verpufft die Energiesteuer?

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Rasche wirtschaftliche Expansion hat ihren Preis: Die Umwelt wird zunehmend geschädigt. Noch schlechter ergeht es den ökologischen Anliegen aber in Zeiten konjunktureller Flaute: Dann werden schnell Forderungen erhoben, Umweltmaßnahmen wegen ihrer angeblich hohen Kosten aufzuschieben. Ein Aufschub wird uns aber ebenfalls teuer zu stehen kommen.

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Rasche wirtschaftliche Expansion hat ihren Preis: Die Umwelt wird zunehmend geschädigt. Noch schlechter ergeht es den ökologischen Anliegen aber in Zeiten konjunktureller Flaute: Dann werden schnell Forderungen erhoben, Umweltmaßnahmen wegen ihrer angeblich hohen Kosten aufzuschieben. Ein Aufschub wird uns aber ebenfalls teuer zu stehen kommen.

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Die Forderung nach Aufschub geschah im Fall der Halleiner Papierfabrik, deren Fortführung und damit Erhaltung der Arbeitsplätze der deutsche Eigentümer unter anderem nur dann gewährleisten wollte, wenn er bestimmte Umweltschutzvorschriften nicht mehr erfüllen müsse.

Aufgrund der schlechten Konjunktur ist zu befürchten, daß die viel beschworene Ökologisierung des Steuersystems, die im Rahmen der nächsten Etappe der Steuerreform in ohnehin nur bescheidenem Ausmaß Fuß fassen sollte, recht fadenscheinig bleiben wird. Die österreichische C02-Kommission beim Ministerium für Umwelt, Jugend und Familie, die dieser Tage ihren Jahresbericht 1992 vorlegte, forderte daher entschiedenere Schritte zur Vorbereitung der Einführung einer Energiesteuer oder C02-Abgabe; die Einnahmen aus einer solchen Steuer sollen aufkommensneutral in geeigneter Weise eingesetzt werden.

Warum soll der Verbrauch von Energie und insbesondere der Ausstoß von C02 besteuert werden?

In den letzten Jahren sind die Bedrohungen, die sich aus dem sogenannten Treibhauseffekt und den dadurch verursachten klimatischen Veränderungen für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse ergeben könnten, zunehmend bewußt geworden. Dieser Treibhauseffekt wird im wesentlichen durch die Akkumulierung von CO,, aber auch anderer Gase, in der Atmosphäre verursacht und führt zu globaler Erwärmung und klimatischen Verschiebungen. COj und die anderen Treibhausgase wiederum entstehen groß-teils bei der Produktion und dem Verbrauch von Energie.

Die Konsequenzen der globalen Erwärmung sind teilweise nicht ganz geklärt; noch schwieriger sind quantitative Abschätzungen der möglichen Schäden. Im allgemeinen nimmt man an, daß eine Verdoppelung des C02-Ausstoßes (das erscheint viel, ist aber angesichts der zu erwartenden verstärkten Industrialisierung Chinas, Indiens und anderer noch weniger entwickelten Länder nicht unrealistisch) zu einer Erwärmung der Erdoberfläche um drei bis fünf Grad Celsius führen wird. Das zieht zunächst vermehrte Niederschlagstätigkeit und Dunstbildung in einzelnen Regionen nach sich, einen Anstieg des Meeresspiegels, Verschiebungen der Klimazonen zu den Polen hin, dadurch ausgelöste verstärkte Wanderungsbewegungen einzelner Bevölkerungsgruppen, und einige andere ungeklärte Konsequenzen, wie etwa den von Biologen befürchteten weiteren Verlust der Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt. Umgekehrt hat C02 jedoch auch einen gewissen Binde- und Fruchtbarkeitseffekt, zumindest in den klimatisch begünstigen Regionen.

Verschiedene Studien zeigen daher, daß von allen größeren Wirtschaftszweigen die Landwirtschaft wahrscheinlich am meisten von den Klimaveränderungen betroffen sein wird. Der Anstieg des Meeresspiegels wird küstennahe Regionen naturgemäß stark betreffen, wenn sich dieser Anstieg auch über viele Jahre hinweg vollziehen wird. Andere betroffene Zweige werden die Bau-, die Wasserwirtschaft, das Energiewesen und die Freizeitindustrie sein.

Vorsichtige Schätzungen sprechen jedenfalls davon, daß eine dreipro-zentige Erwärmung etwa ein Prozent des Weltsozialprodukts kosten könnte; dieser Wert steigt jedoch überproportional an,je größer die Erwärmung angenommen wird. Bei 4,5 Grad könnten es bereits vier Prozent des Weltsozialprodukts sein. Schwierig zu bewertende Schäden, wie erhöhte Krankheitsanfälligkeit bei Menschen, Verlust der biologischen Artenvielfalt und anderes sind darin allerdings nicht enthalten.

Umgekehrt wurde errechnet, daß man mit einem Einsatz von etwa zwei Prozent des globalen Produkts zur Schadstoffreduzierung die C02-Emissionen um 50 Prozent senken und damit die zu befürchtenden Entwicklungen entscheidend verzögern könnte. Die gesamten C02-Emissionen belaufen sich derzeit auf etwa acht Milliarden Tonnen pro Jahr; Österreich trägt rund 60 Millionen Tonnen bei.

Die meisten europäischen Länder sowie Japan, Kanada, Australien und Neuseeland haben sich daher Ziele zur Reduktion der C02-Emissionen gesetzt und diese Ziele teilweise in internationalen Abkommen, wie etwa dem sogenannten Toronto-Abkommen, festgelegt. Auch in der EG liegt seit einigen Monaten ein beschlußfähiger, ausgereifter Richtlinien-Entwurf vor, der sich mit der Energiebesteuerung befaßt. Die EG-Kommission, die diesen Entwurf erarbeitet hat, sieht zwei Ansatzpunkte vor:

1. eine generelle Energiesteuer auf alle Energieträger oder

2. eine spezielle Steuer abgestuft nach dem C02-Gehalt des jeweiligen Energieträgers. Die allgemeine Energiesteuer wäre effektiver im Hinblick auf die Effizienz des Energieeinsatzes überhaupt. Eine CO -Steuer würde zwar dem Ziel der Stabilisierung oder Reduktion der C02-Emissionen dienen, aber Kohle übermäßig belasten und die Atomenergie begünstigen, die zwar hinsichtlich C02 günstig abschneidet, aber bekanntlich andere Gefahren in sich birgt.

Die Kommission schlägt daher eine Kombination dieser beiden Aspekte vor: die Belastung des Energieverbrauchs soll vorerst im Verhältnis 50 zu 50 aus einer Energieverbrauchsund einer CO,

,2-Komponente bestehen. Dieses Mischverhältnis kann bei Bedarf verändert, alternative Energien könnten von der Energiekomponente befreit werden.

Die Besteuerung pro Barrel (ein Barrel = 159 Liter) soll drei US-Dollar betragen; dieser Wert wird dann, um eine vorsichtige und schockfreie Einführung zu gewährleisten, in den Folgejahren schrittweise auf zehn Dollar pro Barrel gesteigert. Die Erträge aus dieser Steuer sollen in die nationalen Budgets fließen, doch sollen daraus keine Erhöhungen der gesamten Steuerbelastung erfolgen. Das heißt, daß andere Steuern entsprechend zu senken sind - in welcher Form dies geschehen soll, bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen.

Umgerechnet auf Energiegehalt und C02-Intensität und in Schilling ausgedrückt würden sich gemäß diesem Vorschlag - ausgehend von der Basis von drei Dollar pro Barrel - Steuerbelastungen ergeben, wie sie auf obiger Tabelle dargestellt sind.

Die Belastungen werden sich also in bescheidenen Grenzen bewegen. Es ist auch nicht zu befürchten, daß es im Falle eines EG-Beitritts Österreichs aus diesem Titel zu plötzlichen Energieverteuerungen kommen wird. Die Kommission hält nämlich ausdrücklich fest, daß diese Regelungen erst dann eingesetzt werden sollen, wenn auch andere OECD-Länder (sprich vor allem Japan und die USA) vergleichbare Maßnahmen setzen. Mit anderen Worten, der Entwurf liegt vorerst auf Eis. Weniger bekannt ist vielleicht, daß einzelne Staaten wie vor allem die skandinavischen, bereits seit einiger Zeit Steuern ähnlicher Art mit gutem Erfolg verbucht haben.

Auch Österreich hat das erwähnte Toronto-Abkommen unterzeichnet und sich verpflichtet, die CO-Emis-sionen bis zum Jahr 2005 um 20 Prozent gegenüber dem Wert von 1988 zu senken -ein Ziel, das nach Ansicht der C02-Kommission unerreichbar ist, wenn nicht rasch Maßnahmen gesetzt werden. Natürlich kann - darauf wurde in der österreichischen Diskussion zu recht hingewiesen - die Energiebesteuerung und -Verteuerung allein das Problem nicht lösen, außer bei exorbitanten Sätzen, die aber niemand will. Eine wirkliche Verbrauchsreduktion kann wohl nur durch langfristig wirksame Maßnahmen erreicht werden, wenn Anlagen umgebaut, Motoren und Maschinen verändert werden, Bauwerke saniert, Kraftwerke effizienter gestaltet werden müssen und vieles andere. Die Energiebesteuerung ist aber ein wichtiger erster Anstoß (siehe dazu auch Dossier).

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