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Heiße Luft aus Politikermund

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Lautstark kümmern sich Politiker aller Parteien um die ozongefährdeten Bürger. Bei der Umsetzung geeigneter Maßnahmen sind sie schon zurückhaltender.

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Lautstark kümmern sich Politiker aller Parteien um die ozongefährdeten Bürger. Bei der Umsetzung geeigneter Maßnahmen sind sie schon zurückhaltender.

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In Osterreich schreibt das „Ozongesetz” Maßnahmen zur Reduktion der Ozonvorläufersubstanzen vor. Dabei wird zwischen Sofort- und langfristigen Maßnahmen unterschieden. Erstere werden nach Auslösung der Wamstufe I oder II von jeweiligen Landeshauptmann des betroffenen (Ozonüberwachungs-)Ge-bietes erlassen. Wann werden die Warnstufen ausgelöst? Vereinfacht ausgedrückt, wenn zu erwarten ist, daß der entsprechende Warnwert ( 0,300 beziehungsweise 0,400 mg Ozon pro m5 Luft), als Dreistundenmittelwert, in den nächsten 24 Stunden überschritten werden könnte, also keine Wetteränderung in Sicht ist. Die dann zu treffenden Maßnahmen sehen das Aufrufen zu freiwilligen Verhaltensweisen und Anordnungen zur Reduktion der Ozonvorläufersubstanzen vor. Das soll vor allem durch Beschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs, des Einsatzes von Lösungsmitteln und die Drosselung oder Stillegung von Anlagen geschehen.

Diese Sofortmaßnahmen sind vom Gesetzgeber nur als kurzfristige „Notmaßnahmen” zum akuten Schutz der Gesundheit vorgeschrieben. Folglich sind sie weder vorgesehen noch geeignet, die hohe Grundbelastung an Ozon nachhaltig zu senken! Dies geht auch schon daraus hervor, daß Ozonkonzentrationen, welche ein Auslösen der Warnstufen in Österreich bedingen würden, selbst in den beiden „Jahrhundertsommern” 1992 und 1994 nicht erreicht wurden. Aus diesem Grund wurde auch noch nie eine der beiden Warnstufen ausgelöst.

Um die Ozonbelastung langfristig zu senken, sieht das Ozongesetz hingegen die etappenweise Beduktion der Emissionen der Ozonvorläufersubstanzen (siehe Seite 16) vor. Bis 31. Dezember 1996 soll eine Herabset - zung um mindestens 40 Prozent, bezogen auf bestimmte Jahre, erreicht werden (Stickstoffoxide: 1985, flüchtige Kohlenwasserstoffe: 1988).

Besonders bei den Kohlenwasserstoffen ist das Erreichen dieses Zieles fraglich; 1988 wurden österreichweit 432 000 Tonnen emittiert, 1993 immer noch 388 000 Tonnen (was einer Beduktion um nur etwas mehr als zehn Prozent entspricht).

Obschon die Beduzierung der Ozonbelastung durch Zurückschrauben der Emission der Vorläufersubst-stanzen als eine (gesetzlich verankerte) Notwendigkeit gesehen wird, ist die Durchführung der konkreten Maßnahmen zum Teil heftig umstritten. Ein besonderes Problem kommt hinzu: Es gibt keine einzelne, große Maßnahme, die sofort zum ersehnten Erfolg führt. Erst durch eine Beihe von „kleinen” Beiträgen zur Emissionsverminderung kann das angestrebte Ziel erreicht werden.

Jeder kann helfen, Ozon zu vermeiden

Um sinnvolle Möglichkeiten ausfindig machen zu können, ist es notwendig, sich einmal vor Augen zu führen, wer die Hauptemittenten der fraglichen Stoffe sind:

Bei den Stickstoffoxiden (NOx) ist dies leicht beantwortet: Je nach Jahreszeit werden durch den Verkehr grob zwischen zwei Drittel und drei Viertel der Emissionen verursacht. Der Anteil der Industrie beträgt rund

20 Prozent. Von den durch den Verkehr verursachten Emissionen entfällt mehr als die Hälfte auf Lkws und Busse und rund ein Drittel auf Pkws. Der Best wird durch Baumaschinen und landwirtschaftliche Fahrzeuge verursacht. Durch die Einführung des Katalysators bei Pkws und schadstoffarmen Lkws sind die Emissionen bei Kraftfahrzeugen rückläufig, obwohl die Gesamtzahl der Fahrzeuge und der gefahrenen Kilometer steigt.

Sinnvoller Verzicht auf das Auto

Doch trotz der Einführung des Katalysators gilt: Der effizienteste Beitrag, den jeder Einzelne leisten kann, ist der

Verzicht auf Fahrten mit dem Pkw. Zusätzlich wäre ein generelles, strenges Tempolimit mindestens während des ganzen Sommerhalbjahres wünschenswert. Diese Maßnahme würde erstens keine großen Investitionen benötigen, dem Einzelnen Geld sparen (durch verringerten Treibstoffbedarf) und zudem nachgewiesenermaßen die Unfallhäufigkeit drastisch reduzieren (was bei rund 1.700 Verkehrstoten pro Jahr schon allein eigentlich Grund genug wäre, sich dafür einzusetzen).

Die Einführung eines Tempolimits mit dem Argument abzulehnen, es brächte insgesamt nur einige Prozent Reduktion an NOx-Emissionen, ist unsinnig. Keine andere Einzelmaßnahme ließe sich zu vergleichbar geringen Kosten in kurzer Zeit durchführen und würde die entstehenden „Lasten” gleichmäßig verteilen. Dieses Thema ist offensichtlich emotionell so belastet, daß mit entsprechenden Regelungen derzeit (noch) nicht zu rechnen ist. Das zeigen die politischen Auseinandersetzungen der letzten Wochen ganz deutlich. Dabei wurde zum Beispiel über die Einführung von Tempolimits lediglich bei Erreichen sehr hoher Ozonwerte (bei Ausrufung der Vorwarnstufe) diskutiert, also unter dem Titel „Sofortmaßnahmen”.

Die Reduktionen von Ozonvorläufersubstanzen sind nur dann am wirkungsvollsten, wenn sie großflächig und langfristig gesetzt werden. Kurzfristige und lokal begrenzte Maßnahmen bringen, wie auch ein im Vorjahr im Raum Heilbronn durchgeführter Großversuch gezeigt hat, keinen durchschlagenden Erfolg.

Bei den Emissionen der flüchtigen Kohlenwasserstoffe

sind Kleinverbraucher, Lösungsmitteleinsatz und der Verkehr die Hauptverursacher. Auch hier kann nur eine Summe von Einzelmaßnahmen zum gewünschten Erfolg führen. Dabei sind vor allem folgende Maßnahmen sinnvoll:

1. Der Verzicht auf Lacke, die organische Lösungsmittel enthalten (statt dessen Verwendung von Lacken auf wasserlöslicher Basis). Um dem Konsumenten dies zu erleichtern, wäre eine eindeutige Kennzeichnung von Arbeitsstoffen, die Lösungsmittel enthalten, sinnvoll und wünschenswert.

2. Volle Umsetzung der Lösungsmittelverordnung und einer Lackieranlagenverordnung.

Wird Sommerbenzin ein „Alibi”?

Im Verkehrsbereich ist zum Beispiel die Einführung des Sommerbenzins eine zwar kleine, aber sinnvolle Maßnahme. Sie müßte allerdings flächendeckend, während des ganzen Sommerhalbjahres, für alle Benzinsorten durchgeführt werden. Nur so hat das einen merklichen Einfluß auf die Ozonbildung. Keinesfalls sollte das Tanken von Sommerbenzin als „Alibi” verstanden werden, welches nun vor weiteren Maßnahmen zur Beduktion der Ozonvorläufersubstanzen wie Verzicht auf Fahrten mit dem Pkw entbindet und für ein reines Gewissen sorgt (die Emissionen von Stickoxiden werden durch die Verwendung von Sommerbenzin nicht beeinflußt).

Mit dem Nachlassen der sommerlichen Ozonbelastungen ist also erst dann zu rechnen, wenn einschneidende nationale und internationale Maßnahmen zur Beduktion der Vorläufersubstanzen verwirklicht werden.

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