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Wirtschaft darf nicht von der Substanz leben - darüber herrscht Konsens. Welchen Beitrag die Politik durch entsprechende Steuerung leisten kann, untersucht eine interdisziplinäre Studie.

Die Pensionsreform ist derzeit das innenpolitische Thema Nummer eins. Es überschattet alle anderen Fragen, die für den Beschluss der Budgets 2003 und 2004 im Nationalrat anstehen. Vergessen sind die Debatten um die zaghaften schwarz-blauen Ansätze einer Ökologisierung des Steuersystems.

Damit versucht Österreichs Regierung ein Anliegen umzusetzen, das seit rund 15 Jahren die steuerpolitische Debatte beeinflusst: umweltbelastende Aktivitäten zu pönalisieren, umweltgerechtes Verhalten zu belohnen und die Wirtschaft damit auf Nachhaltigkeitskurs zu steuern.

Vorreiter auf diesem Gebiet waren die skandinavischen Länder, die seit Beginn der neunziger Jahre entsprechende Maßnahmen setzten. Österreich folgte mit einigen Jahren Verspätung. Allerdings beurteilt Michael Getzner, Professor für Ökonomie in Klagenfurt, die bisherigen österreichischen Bemühungen zurückhaltend. In der vom Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz herausgegebenen Studie (Umweltpolitische Steuerungsinstrumente) kommt er in seinem Beitrag zu dem Ergebnis: "Die Realisierung von Umweltsteuern kann als Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung bezeichnet werden (...) Die politische Praxis zeigt jedoch, dass selbst Beschlüsse auf Regierungsebene die Umsetzung einer ökologischen Steuerreform in Österreich nicht wesentlich vorantreiben."

Wer die Regeln bricht, zahlt

Gemeint ist die Tatsache, dass die Regierung in ihrer "Nachhaltigkeitsstrategie" zwar das Ziel "korrekte Preise für Ressourcen und Energie" bis 2005 fordert, aber weit davon entfernt ist, es auch nur annähernd zu erreichen.

Öko-Steuern sind allerdings keineswegs die einzigen Instrumente, um die Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu steuern. Die Palette der Maßnahmen ist groß: So griff man zunächst vor allem auf Vorschriften, Gebote und Verbote zurück, als man Anfang der siebziger Jahre die negativen Umweltfolgen des Wirtschaftens erkannte: Grenzwerte für Emissionen wurden festgelegt, bestimmte Herstellungsverfahren normiert und Produktstandards vorgegeben. Ihr Motto: Wer sich nicht an diese Spielregeln hält, hat mit Sanktionen zu rechnen. Dieser Zugang ist allerdings aufwändig, erfordert er doch einen staatlichen Kontroll-Apparat mit ausreichendem Know-How. Außerdem lässt er den wirtschaftlichen Akteuren kaum Handlungsspielraum.

Daher hielt man nach weiteren Instrumenten der Umweltpolitik Ausschau. Das Ergebnis: Ein System von Anreizen, die umweltgerechtes Verhalten fördern und schädigendes pönalisieren, ohne den Akteuren ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben. In diese Kategorie fallen die oben erwähnten Umweltabgaben, weiters Subventionen und der Handel mit Umwelt-Zertifikaten.

Reger Handel mit Abgasen

Bei letzteren legen die Staaten fest, in welcher Menge ein bestimmter Schadstoff insgesamt emittiert werden darf. In diesem Ausmaß bringt die öffentliche Hand dann käufliche Emissions-Zertifikate in Umlauf. Wer Schadstoffe an die Umwelt abgibt, muss im entsprechenden Ausmaß solche Zertifikate erwerben. Damit haben Unternehmen die Wahl, entweder umweltschonende Investitionen zu tätigen oder Rechte für die Umweltbelastung zu erstehen, je nach dem, was günstiger ist. Damit werden die Umwelt-Investitionen vor allem dorthin gelenkt, wo sie die größte Wirkung erzielen.

Dieses System wird derzeit vor allem für die Luftreinhaltung in Aussicht gestellt. In den Jahren 2005 bis 2007 soll in einem Pilotprojekt in Europa der Handel mit Treibhausgas-Emissionen getestet werden.

Schließlich gibt es eine Reihe von Instrumenten, die unter dem Sammelbegriff "freiwillig" laufen. Zu ihnen zählen unter anderem Umweltzeichen, Umwelt-Audits (die periodische Erfassung und Überprüfung der Umweltpolitik von Unternehmen) oder freiwillige Umweltvereinbarungen. Diese werden zwischen dem Gesetzgeber, einzelnen Unternehmen oder Branchen geschlossen.

In seinem Beitrag beurteilt Fritz Kroiss, Geschäftsführer desWiener Ökobüros, die in Österreich getroffenen Vereinbarungen eher ernüchternd: "Die Effizienz war bei zahlreichen Vereinbarungen enttäuschend." Denn ein großer Teil enthalte weder in Zahlen ausgedrückte Ziele, noch klare zeitliche Vorgaben. Auch fehle vielfach die rechtsverbindliche Form und die Festlegung von Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung. Es entstehe der Eindruck, dass die Wirtschaft auf diesem Weg bei neu auftretenden Problemen die Ausarbeitung gesetzlicher Vorschriften zumindest für einige Zeit zu verhindern versuche.

Wie halbherzig Österreichs Vorgehen auch in Sachen Umwelt-Steuern ist, zeigen übrigens die Daten eines Beitrags der Studie, die einen internationalen Vergleich der Situation in den OECD-Ländern wiedergibt. Mit 2,8 Prozent liegt der Anteil der Ökosteuern am Brutto-Inlandsprodukt in Österreich nur etwas über dem OECD-Durchschnitt. Auf diesem Gebiet nimmt Dänemark im Jahr 2000 mit 4,6 Prozent klar die Spitzenposition ein, gefolgt von den Niederlanden und der Türkei mit 3,6 Prozent. Die mit Abstand niedrigsten Abgaben (0,9 Prozent) werden - nicht ganz überraschend - in den USA eingehoben.

Im Jahr 2000 beliefen sich die Einkünfte aus Umweltsteuern im OECD-Raum auf 450 Milliarden Dollar. Den Löwenanteil dieser Einnahmen spielten die Abgaben auf Treib- und Brennstoffe sowie die Kfz-Steuern herein (über 90 Prozent). Eindeutig weniger ergiebig, dafür aber relativ weit verbreitet sind Abgaben für Abfallerzeugung. Der Flugverkehr, die Erzeugung von Lärm und die Herstellung umweltbelastender Stoffe werden fast überall steuerlich geschont.

Ökosteuern: Tendenz fallend

Eine weitere interessante Tatsache ist aus den OECD-Daten abzulesen: Der Anteil der Umwelt-Abgaben weist im Zeitraum 1994 bis 2000 keine einheitliche, im Durchschnitt aber eine fallende Tendenz auf. Die 1999 stark gestiegenen Erdölpreise haben wesentlich zu diesem Rückschlag beigetragen und viele Regierungen dazu veranlasst, bei der Umwelt-Besteuerung zurückzuste- cken.

Niels Axel Brathen von der OECD-Umweltsektion beleuchtet in seinem Beitrag das Dilemma vieler Staaten: "Es besteht ein erkennbares Interesse der Mitgliedsstaaten, die Bedeutung von Umweltsteuern zu erhöhen. Im Wesentlichen stehen diesem Anliegen zwei Hindernisse entgegen: Die Angst, in den am stärksten betroffenen Sektoren an internationaler Konkurrenzfähigkeit einzubüßen und die Vorstellung, dass umweltbezogene Steuern einen negativen Effekt auf die Einkommensverteilung haben könnten."

Sozialpolitisch bedenklich

Im Gegensatz zur Einkommensbesteuerung wirken sich Umweltsteuern tatsächlich sehr unterschiedlich aus, sowohl auf die Wirtschaftssektoren wie auf die Haushalte. Manche ressourcenintensive oder verschmutzende Bereiche können sehr stark betroffen sein. Sie leisten verständlicherweise Widerstand - und zwar oft mit Erfolg, weil es sich häufig um große Unternehmen mit Einfluss auf die Interessenvertretungen handelt.

Widerstand wird oft auch aus sozialpolitischer Sicht angemeldet, fällt doch auch die Belastung der Haushalte unterschiedlich stark aus. Sie trifft besonders die Bewohner einkommensschwacher und dünn besiedelter Regionen, die schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln versorgt sind, und alle Haushalte, die einen großen Teil ihres Einkommens für Beheizung aufwenden, aber nicht über die Mittel verfügen, veraltete durch zeitgemäße Anlagen zu ersetzen. Ökosteuern bedürfen daher entsprechender Begleitmaßnahmen.

Im Interesse einer nachhaltigen Wirtschaft sollten solche Widerstände jedoch die Einführung solcher Abgaben nicht verhindern. Von einer stärkeren Besteuerung der Ressourcen ist nämlich nicht nur eine Verringerung der Umweltbelastung zu erwarten, sondern auch eine Verbesserung der Lage auf den Arbeitsmärkten.

Dank eines höheren Wachstums im Zeitraum 1993 bis 2002 verzeichneten nämlich die Vorreiter-Staaten in Sachen Umwelt-Abgaben auch eine günstigere Entwicklung auf den Arbeitsmärkten als der EU-Durchschnitt. Damit aber spürbare Lenkungseffekte eintreten, wird man die immer noch zu niedrigen Sätze anheben und auf andere Bereiche als den Verkehrssektor ausweiten müssen.

Umweltpolitische Steuerungsinstrumente. Wissenschaft & Umwelt Interdisziplinär 6, Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz (1060 Wien, Mariahilfer Str. 77-79), Wien 2003, 114 Seiten.

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