Treibhausgase an die Börse

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Ab 2005 wird in der EU mit Klimagasen gehandelt. Die Unternehmen bekommen Abgas-Kontingente. Wer mehr in die Luft bläst, als ihm zusteht, muss das Recht dazu bei der klimaschonenden Konkurrenz einkaufen.

Angelpunkt der Klimaschutzmaßnahmen ist das Abkommen von Kyoto. Dort hat sich die EU verpflichtet, bis 2010 den Ausstoß von Treibhausgasen um acht Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 zu reduzieren. Den größten Anteil an den Treibhausgasen hat Kohlendioxid (CO2), das bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen entsteht. Hauptverursacher sind der Straßenverkehr, Privathaushalte und Industriebetriebe.

Österreich hat sich innerhalb der "EU-Lastenaufteilung" zu einer Reduktion von 13 Prozent verpflichtet. Bis jetzt ist man diesem Ziel aber keinen Schritt näher gekommen. Im Gegenteil, die CO2-Emissionen in unserem Land steigen und steigen. Besonders markant war der Anstieg im Jahr 2001. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Zuwächse im Straßenverkehr. Will Österreich also die Klimaschutzauflagen erfüllen, müssen die Emissionen um über 20 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden.

Schützenhilfe bekommt Österreich von der EU. Sie möchte den CO2-Ausstoß mit einer neuen Methode nach unten drücken. Keine Ökosteuern oder Appelle an die Einsicht der Verursacher, sondern die Marktkräfte sollen den Ausstoß der Klimakillergase minimieren. Möglich werden soll das durch den Handel mit Emissionsrechten. In Zukunft ist vorgesehen, Emissionskontingente von Treibhausgasen wie andere Produkte an internationalen Börsen zu handeln.

Damit will man sicherstellen, dass die erforderlichen Investitionen in Richtung umweltfreundlichere Wirtschaft dort erfolgen, wo sie am wenigsten kosten. Das Ziel ist also, mit den geringsten Kosten den größtmöglichen Umweltnutzen zu erzielen.

Theoretisch ist diese Aufgabe schon lange gelöst. Vor einem Vierteljahrhundert entwickelte der Amerikaner John Harkness Dales den Mechanismus des "Cap und trade - deckeln und handeln". Deckeln bedeutet, dass der Staat jedem Emittenten, beispielsweise einem Wärmekraftwerk, ein Verschmutzungskontingent zuteilt, eine genau definierte Lizenz zu Inanspruchnahme der Umwelt.

Handeln meint, dass die Lizenzinhaber ihre Verschmutzungsrechte verkaufen können. Und das werden sie auch tun, wenn sie die Rechte nicht benötigen. Als Käufer kommen Emittenten in Frage, für die es billiger ist, zusätzliche Lizenzen zu erwerben, als selbst die Emissionen zu reduzieren.

In der Praxis wurde der Mechanismus bereits erprobt. In den USA erhielten zwischen 1995 und 2000 die Betreiber von Wärmekraftwerken handelbare Kontingente für den Ausstoß von Schwefeldioxid zugeteilt. Ziel war, durch eine Senkung dieser SO2-Emissionen etwas gegen den sauren Regen zu tun. Das Verfahren funktionierte, der SO2-Ausstoß ging drastisch zurück. Und auch die Kosten der Emissionsreduktion blieben weit unter der prognostizierten Höhe.

Nun hat auch die EU diese Methode übernommen und im Dezember 2002 eine Richtlinie zum Emissionshandel beschlossen. Für bestimmte Industriebranchen (Zementfabriken, Kokereien, Kalkwerke, Glasfabriken, Zellstoff- und Papierfabriken, Mineralölraffinerien, Energieerzeugung) wird ab 2005 der Emissionshandel "verordnet". In diesen Branchen soll in Hinkunft der Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen wirtschaftlich zu Buche schlagen.

Saftige Strafen

Industriebetriebe und Energieerzeuger erhalten in der Anfangsphase - sie dauert von 2005 bis 2008 - ein bestimmtes Emissionskontingent kostenlos vom Staat zugestanden. Wenn sie weniger als zugeteilt benötigen, dürfen sie den Rest verkaufen. Umgekehrt müssen Betriebe, die mit dem zugewiesenen Kontingent nicht das Auslangen finden, zusätzliche Lizenzen erwerben. Wer die zugestandenen Emissionsmenge überschreitet, hat mit saftigen Strafzahlungen zu rechnen.

"Die Emission von CO2 bekommt für den Betrieb einen ökonomischen Wert und beeinflusst damit unternehmerische Entscheidungen", sagt Manfred Stockmayer vom Beratungsunternehmen KWI. Durch dieses Einbeziehen der Treibhausgase in die betriebliche Kalkulation erwarten sich viele Experten eine Reduktion des Ausstoßes. Sie erhoffen sich davon eine "ökologische Treffsicherheit". Ein "Höchstmaß an unternehmerischer Freiheit" werde dadurch garantiert. Von einer "neuen Ära" der Klimapolitik wird gesprochen.

Für den Ökonomen und Klimaexperten Stefan Schleicher ist das eine zu optimistische Sichtweise. Generell werde der Emissionshandel in seinen Auswirkungen für den Klimaschutz überschätzt. "Hier kümmert man sich um ein paar Großemittenten in der Industrie. Doch da sind die Probleme mit den CO2-Emission relativ gering." Die wirklichen Klimakiller, so Schleicher, seien der Straßenverkehr und die Privathaushalte. Doch in diesen Bereichen sehe die EU-Richtlinie keine Maßnahmen vor.

Nachteilig für Österreich

In Österreich sind die Vorarbeiten für den in eineinhalb Jahren startenden Emissionshandel voll im Laufen. Derzeit müssen die Emissionsdaten der betroffenen 280 Betriebe ermittelt werden. Sie müssen bekannt sein, um über die Höhe der benötigten Lizenzen Klarheit zu gewinnen. Davon ausgehend soll Ende 2003 den Unternehmen ein erster Vorschlag über die Höhe der Schmutzkontingente unterbreitet werden. Daraus soll dann ein "Allokationsplan" entwickelt werden, in dem die effektiven Kontingente festgelegt sind. Die Zuteilung erfolgt durch das Umweltministerium.

Die österreichische Industrie hat sich zur Kooperation bei der Erreichung der Klimaschutzziele bereit erklärt. Allerdings hat die Industriellenvereinigung eine Reihe von Bedenken geäußert. Da ist einmal die Unzufriedenheit mit den ambitionierten Klimaschutzzielen unseres Landes. Im Gegensatz zu Österreich haben sich nämlich andere EU-Mitglieder nur zu einer viel geringeren bzw. überhaupt keiner Reduktion bereit erklärt. Manche EU-Staaten dürfen ihre Treibhausgasemissionen sogar weiter erhöhen.

"Das ist eine Wettbewerbsverzerrung zuungunsten der österreichischen Industrie. Wir haben im Vergleich zu direkten EU-Konkurrenten höhere Auflagen zu erfüllen", ärgert sich Dieter Drexel, Energieexperte der Industriellenvereinigung. Er befürchtet, dass den heimischen Betrieben nicht genug Emissionsberechtigungen zugeteilt würden. Die Folge: Sie müssten sich die Berechtigungen auf dem Weg des Emissionshandels dort beschaffen, wo sie nicht benötigt werden. "Nämlich in den EU-Staaten, wo die Auflagen geringer sind. So fließt Kapital an unsere direkten europäischen Konkurrenten", kritisiert Drexel.

Der Industrievertreter glaubt auch nicht, dass österreichische Betriebe im Stande sein werden, Emissionslizenzen zu verkaufen: "Der Spielraum dafür ist nicht vorhanden. Österreich wird im Klimaschutzbereich ein Nettokäufer sein." Die wahrscheinliche Folge seien verringerte Investitionstätigkeit und Betriebsverlagerungen in günstigere Standorte.

Die vom Emissionshandel betroffenen Betriebe beklagen auch die Unsicherheit bezüglich der Kontingente. "So lange nicht bekannt ist, wie viel wir emittieren dürfen, können wir nur unterschiedliche Szenarien entwickeln, aber keine konkreten Maßnahmen ergreifen", sagt Markus Schinerl, Umweltmanager der Papierfabrik Neusiedler im niederösterreichischen Hausmening. Das Unternehmen sei nicht grundsätzlich gegen den Emissionshandel, verlange aber faire Konkurrenzbedingungen innerhalb Europas.

Gegen den Emissionshandel, wenn auch aus anderen Gründen, ist auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Der Emissionshandel ist ein sehr teures System. Der Handel mit den Lizenzen wird an der Börse abgewickelt. Das kostet Geld. Und auch die mit dem Handel verbundene Kontrolle erfolgt nicht kostenlos", erläutert Greenpeace-Klimaexperte Erwin Mayer.

Zudem würden nur die Großemittenten erfasst. "Die wirklich großen Einsparpotentiale liegen anderswo, nämlich bei den Autofahrern und der Energie, die beim Beheizen unserer Häuser verschwendet wird. Doch da greift der Emissionshandel nicht ein." Greenpeace propagiert statt dessen eine andere Methode des Klimaschutzes, die CO2-Steuer.

Trotz dieser Schwachpunkte sei der von der EU forcierte Ansatz aber als Signal sehr wichtig, resümiert Stefan Schleicher. "Hier geht es um eine deutliche Kurskorrektur in Richtung Nachhaltigkeit." Das Ziel sei, mehr Wohlstand mit weniger Energieverbrauch zu erzielen. Ganz offensichtlich versuche man in der EU, durch den Emissionshandel den Verbrauch von fossilen Energieträgern deutlich zu reduzieren. Für Schleicher ein richtiger Weg: "Das ist durchaus vernünftig, wenn man sich vor Augen führt, in welche Abhängigkeit Europa durch den Erdölimport kommt."

Der Autor ist freier Journalist.

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