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Sprit, der auf unseren Feldern wachsen könnte

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Unerschöpflich scheint die Treibstoffmenge, die aus der Zapfsäule sprudelt: Erdöl scheinbar ein Überschußprodukt. Wo sind die Zeiten, in denen man sich vor einer bevorstehenden Verknappung dieses Energielieferanten Nummer eins fürchtete?

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Unerschöpflich scheint die Treibstoffmenge, die aus der Zapfsäule sprudelt: Erdöl scheinbar ein Überschußprodukt. Wo sind die Zeiten, in denen man sich vor einer bevorstehenden Verknappung dieses Energielieferanten Nummer eins fürchtete?

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Die OPEC, einst ein mächtiges Erdölkartell, hat enorm an Bedeutung verloren. Erdöl aus der Nordsee hat Europa von Zulieferungen aus dem arabischen Raum weniger abhängig gemacht.

Dennoch zeigt eine nüchterne Bestandsaufnahme der Situation auf dem Erdölsektor, daß die „goldenen Jahre” nicht ewig währen werden. Die International Energy Agency weist darauf hin, daß sich seit 1973

■ die Lücke zwischen Produktion und Nachfrage stetig verringert,

■ der Energiebedarf der NichtOECD-Länder enorm ansteigt (siehe China-Graphik) und

■ die Ölreserven in der Nordsee spätestens 2010 erschöpft sein werden.

Daraus ergibt sich, daß Europa größtes Interesse daran hat, alternative Treibstoffe zu forcieren - selbst wenn es weiterhin auf große Erdgasvorkommen zurückgreifen kann.

Darüber hinaus ist zu bedenken, daß die Verwendung von fossilen Treibstoffen nachweisbar negative Umwelteffekte hat. Trotz einiger technischer Neuerungen (der Einbau von Katalysatoren in Kfz) gibt vor allem der starke Anstieg des Verkehrsaufkommens Anlaß zur Sorge. Die dem Transportsektor zuzurechnende Belastung der Atmosphäre nimmt laufend zu. Lag vor zehn Jahren der Beitrag des Verkehrs zur Erhöhung des Treibhauseffektes in der Atmosphäre noch unter 20 Prozent, so ist er mittlerweile auf über 25 Prozent gestiegen.

Nun wird gerade im Zusammenhang mit der Östöffnung und mit der Intensivierung der internationalen wirtschaftlichen Austauschbeziehungen in Europa mit einer weiteren starken Verkehrszunahme gerechnet. Will man aber die in den Klimaschutz-Erklärungen vereinbarten Abgasverringerungen erreichen, wird man den Einsatz biologischer Treibstoffe forcieren müssen. Weil ihr Einsatz nach bisherigen Erfahrungen in gängigen Dieselmotoren ohne weiteres möglich ist, ließe sich das auch verwirklichen.

Wie wird Biosprit erzeugt? Zunächst wurde er als Raps-Methyl-

Ester (RME) entwickelt. Mittlerweile läßt sich Biodiesel aber auch aus verschiedenen pflanzlichen und tierischen Ölen und Fetten herstellen. Am Beispiel Raps sei die Produktion illustriert: Ein Hektar Raps liefert eine Ernte von etwa drei Tonnen Rapskörnern. Sie werden in einer Ölmühle zu rund 1.400 Litern Biodiesel und zwei Tonnen Bapsschrot verarbeitet. Letzteres stellt ein ausgezeichnetes, heimisches Eiweißfuttermittel dar. Weiters fällt bei der Herstellung Gly-cerin an, das in der Pharmaindustrie Verwendung findet.

In Nicaragua dient nicht Raps als

Ausgangsprodukt. Dort wird der Treibstoff im Rahmen eines von Österreich ausgehenden Projektes aus der Purgiernuß gewonnen. Sie ist eine gelbe Frucht mit schwarzen Samen. Die rund 1.000 Hektar Fläche, auf denen das Projekt seit etwa drei Jahren läuft, liefern jährlich etwa 1.700 Tonnen Öl, das preislich mit dem aus Erdöl gewonnen konkurrieren kann.

Was spricht für den Einsatz von Biodiesel? Am Beispiel Österreich sei dies illustriert:

■ Raps ist ein erneuerbarer Energieträger, der nicht importiert werden muß.

■ Der Rapsanbau könnte der heimischen Landwirtschaft vor allem im Osten des Landes eine Einkommensquelle bieten. Er liefert ein Substitutionsprodukt für Getreide, das ohnedies im Überschuß erzeugt wird.

■ Damit wäre Österreichs Außenabhängigkeit bei der Energieversorgung zu reduzieren. Die Wertschöpfung bliebe im Inland und Arbeitsplätze könnten geschaffen werden.

■ Der Kohlendioxid-Kreislauf wäre geschlossen. Die Menge des bei der Dieselverbrennung abgegebenen CO.? wird beim Wachstum der Rapspflanzen auf dem Feld wieder gebunden. Es kommt nicht zu einem Anstieg der C02-Konzentration (sie ist für den Glashauseffekt, also die atmosphärische Erwärmung, mitverantwortlich).

■ Biodiesel enthält keinen Schwefel und erzeugt um 50 Prozent weniger Bußausstoß.

■ Nicht unbedeutend ist auch die Tatsache, daß Biosprit - im Gegensatz zu den Erdölderivaten - eine relativ geringe Wassergefährdung darstellt. Er eignet sich daher besonders gut für die Schiffahrt und für den Einsatz bei Bauarbeiten in Wasserschutzgebieten. 99,6 Prozent des Biodiesels werden innerhalb von nur drei Wochen biologisch abgebaut.

■ Bio- und herkömmlicher Diesel sind beliebig mischbar.

Weiterer Ausbau

1995 wurden in der EU über 350.000 Tonnen Biodiesel produziert, obwohl eine Kapazität für 800.000 Tonnen vorhanden gewesen wäre. Für die kommenden Jahre zeigen vor allem Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien und Österreich Interesse an einem stärkeren Ausbau der Produktion. Außerhalb von Europa werden größere Mengen in Malaysia (Palmöl-Methyl-Ester), in Nicaragua (Purgiernuß) und in den USA (Soyaöl-Me-thyl-Ester sowie Öl aus Abfallölen und -fetten) gewonnen.

Wie werden nun Biotreibstoffe eingesetzt? In Italien wird PME als Heizöl extra leicht vermarktet. In Frankeich wird es dem fossilen Diesel zugemischt (meist fünf, aber auch bis zu 30 Prozent). In Deutsehland und Österreich wird der 1 OOprozentige Einsatz propagiert. Er könnte dadurch begünstigt werden, daß VW und Audi ihre Fahrzeuge generell für Biodiesel freigegeben haben.

Die Europäische Kommission prognostiziert einen Marktanteil von zwölf Prozent für Biotreibstoffe im Verkehr für 2020. Das ergäbe einen Wert von 45 Millionen Tonnen, was eine gigantische Steigerung im Vergleich zu den 1995 vorhandenen Kapazitäten bedeuten würde. Dieses Ziel wäre an sich realistisch: Durch Pflanzenzüchtung ließe sich der Hektarertrag von Bapsöl von derzeit 1,4 bis 2015 auf 2,9 Tonnen erhöhen. Untersuchungen für Deutschland ergeben, daß für eine Million Tonnen Biodiesel etwa 400.000 Hektar (drei Prozent der Agrarfläche) benötigt würden. Damit würden etwa 7.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Was verhindert aber derzeit den stärkeren Einsatz von Biotreibstoffen? Der viel zu niedrige Preis der fossilen Treibstoffe. Erdöl ist einfach zu billig, vor allem weil die vielen externen (insbesondere die Umwelt-)Kosten, die durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe entstehen, einfach unter den Tisch fallen.

Nur als kleines Beispiel solcher Nebenkosten sei erwähnt, daß Erdöl derzeit in großen Mengen aus politisch instabilen Regionen, insbesondere dem Vorderen Orient kommt. Eine Studie im Auftrag von 14 US-Gouverneuren ergab, daß die laufenden Kosten der militärischen Präsenz der USA im Golf - legt man sie auf das dort geförderte Erdöl um - elf Dollar pro Barrel ausmachen, allerdings ohne die Erdölpreise zu belasten.

Noch etwas bleibt unberücksichtigt: Der Erdölimport belastet unsere Handelsbilanz enorm. Um wieviel sinnvoller wäre es, diese I^eistung im Inland, jedenfalls aber innerhalb der EU zu erbringen, noch dazu in einer wirtschaftlichen Situation, in der die Schaffung von Arbeitsplätzen immer drängender wird. Welche Macht müssen internationale Erdöl-Konzerne haben, daß sie die Verwirklichung einer seit Jahren als sinnvoll erkannten und realisierbaren Politik verhindern können!

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