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Energie aus Biomasse

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Die Diskussion um die Strate- gien unserer Energieversorgung begleitet uns spätestens seit dem ersten Ölschock und wird in abseh- barer Zeit nicht von uns weichen. Eines ihrer wichtigsten Teilergeb- nisse war das inzwischen von fast allen geteilte Bekenntnis zur ver- stärkten energetischen Nutzung von Biomasse.

Neben der ökologisch nicht immer unbedenklichen Wasserkraft stellt diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt die einzige wirtschaftliche Lösung dar, die Sonnenenergie indirekt zu nutzen, ohne eine Ausbeutung be- grenzter Ressourcen voranzutrei- ben. Egal in welcher Form - sei es Rapsöl, Hackgut, Stroh, Treibgut (!) oder organischer Abfall - bei thermischer Nutzung von Biomas- se wird Energie frei, die von der Sonne zuvor zum Aufbau jedweder organischer Struktur bereitgestellt wurde.

Im Zuge des Photosynthesepro- zesses entziehen Pflanzen der At- mosphäre Kohlendioxid und Was- ser, und bauen daraus unter Aus- nutzung des Sonnenlichtes Mole- küle, deren Gesamtheit wir „Bio- masse" nennen. Wird diese laufend gezielt produziert und zu einem späteren Zeitpunkt thermisch ge- nutzt, so besteht bezüglich Kohlen- dioxid und Wasser ein geschlosse- ner Kreislauf, zumal diese als Gase frei werden, welche zuvor der Atmosphäre entnommen wurden.

Diese Tatsache erhält im Hin- blick auf die drohende Erwärmung der Atmosphäre als Resultat des Treibhauseffektes besonderen Stel- lenwert. Im Gegensatz zur Verbren- nung fossiler Brennstoffe, deren Rückstände eine Zusatzbelastung der Atmosphäre sind, bleibt bei der Biomassenutzung die Stoffbilanz ausgeglichen.

Das Potential der Biomassenut- zung, zur Deckung des gesamten, inländischen Energiebedarfes bei- zutragen, beträgt rund 15 Prozent (zur Zeit sind es acht). Das entsprä- che dem derzeitigen Anteil der Wasserkraft am österreichischen Gesamtenergieverbrauch. Ange- sichts der Schwierigkeit, ökologisch verträgliche Primärenergieressour- cen zu erschließen und der nach wie vor kritischen Situation der einhei- mischen Landwirtschaft bietet sich durch die Forcierung der Biomas- senutzung ein Lösungsansatz für beide Problemkreise.

Voraussetzung dafür ist jedoch auch eine Umorientierung seitens der Pflanzenzüchtung, des Agrar- managements und der Landwirt- schaft im allgemeinen.

Anders als bei der traditionellen Landwirtschaft steht bei dem Ziel der Biomassenutzung nicht die Frucht oder ein anderes leicht ernt- bares Organ (Rübe, Knolle, usw.) im Vordergrund, sondern die Pflan- ze als Ganzes. Die stetig steigenden landwirtschaftlichen Erträge haben aber ihre Ursache nicht primär in einer größeren Gesamtbiomasse sondern in einem steigenden Anteil des geernteten Organs an dem Gewicht der Gesamtpflanze.

Die züchterische Bearbeitung un- serer Feldfrüchte war auch ganz auf das Erreichen dieses Effektes ausgerichtet. Die Grundeigenschaft pflanzlicher Organismen, einen möglichst großen Teil der genutz- ten Sonnenenergie den Speicheror- ganen oder Früchten in Form von Photosyntheseprodukten zukom- men zu lassen, wurde durch geziel- te Zuchtwahl und Kreuzungen op- timiert. Für die Biomassenutzung hat das zunächst folgende Vorteile:

• Die Erntetechnologien aus der traditionellen Landwirtschaft kön- nen übernommen werden.

• Die getrennt von der Restpflanze geernteten Speicherorgane oder Früchte können zu einem „intelli- genten" Energieträger, wie Biodie- sel oder Biosprit weiterverarbeitet werden.

• Eine vielseitige Verwendbarkeit und flexible Nutzung des Produk- tes ist von vornherein gewährlei- stet. Zumal im Bedarfsfall das Ern- tegut auch traditionell verarbeitet werden kann.

Dem Ziel des maximalen Korn- ertrages steht jedoch das Postulat nach einer möglichst effizienten Umwandlung der Sonnenenergie in Biomasse gegenüber. Das ist sicher der Kerngedanke dieser neuen Tendenz. Es wird also weniger in- teressieren, wieviele Tonnen Zuk- kerrüben, Weizenkörner oder Mais- kolben geerntet werden können, sondern wie viele Prozent der ein- gestrahlten Sonnenenergie man am Ende der Vegetationsperiode in der gesamten Biomasse vorfindet.

Das impliziert auch eine gewisse Umorientierung pflanzenzüchteri- scher Zielsetzungen. Wird nämlich neben der Frucht auch der „Rest" der Pflanze zu einem interessanten Produkt, so ist das Verbleiben eines höheren Energieanteils im Stroh und damit verbundener geringer (Frucht-)ertrag nicht mehr als Makel anzusehen.

Eine Maissorte, die relativ gerin- gen Kornertrag, dafür jedoch hohe Effizienz bei der Umwandlung von Sonnenenergie in Biomasse auf- weist, könnte den Vorzug gegen- über einer Hochertragssorte mit geringerer Effizienz erhalten.

Bei Ölfrüchten (Raps, Sonnen- blume...) wird, auch wenn sie der energetischen Nutzung zugeführt werden sollen, klarerweise die Frucht im Mittelpunkt stehen, das Zuchtziel also unbeeinflußt blei- ben. Das gewonnene Öl stellt ein sehr vielseitig verwendbares Pro- dukt dar, dessen Weiterverarbei- tungskosten gering sind.

Bei Hülsenfrüchten (Lupine, Bohne, Soja...) ist auch das Stroh, also das vormals „unedle" an der Pflanze, reich an Ölen und hat demnach hohen Brennwert.

Die kurz vor der Ernte in den Pflanzen stattfindende Verlagerung der Öle in die Früchte ist ein Pro- zeß, der Energie kostet und daher bei einer thermischen Nutzung der Gesamtpflanze unerwünscht ist. Diese Tatsache hat sowohl Auswir- kungen auf den Erntezeitpunkt als auch auf die Züchtung.

Groß erscheint das züchterische Potential bei den Gehölzen, die für Energieholzplantagen in Betracht kommen (Pappel, Weide et cetera). Hier ist der Nachholbedarf bezüg- lich agrarwissenschaftlicher Bear- beitung groß.

Die gegenwärtigen ökologischen Probleme der Landwirtschaft wer- den mit einem Bekenntnis zur Bio- massenutzung leider nicht kleiner. Die Pflanzenschutz- und Dünge- maßnahmen werden nach wie vor zur Anwendung gelangen müssen. Zusätzlich unterbleibt bei der Ganzpflanzennutzung die Rück- führung von Pflanzenmaterial in den Boden vollständig, Bodenver- dichtung und Schwächung des ohnehin gepeinigten Agrarökosy- stems wären zu befürchten.

Umso wichtiger werden Aspekte wie Fruchtwechsel, Brache, Boden- bearbeitung oder Wahl der Feld- frucht. Unter diesem Aspekt erlan- gen die Hülsenfrüchte wie die Lupine mit ihrem geringen Dün- ger- und Herbizidbedarf sowie ih- rem positiven Einfluß auf die Bo- denstruktur zusätzliche Aufmerk- samkeit.

Ferner besteht Bedarf nach ei- nem den geänderten Zielsetzungen angepaßten Agrarmanagement, das entsprechend der Bezuasgröße „Biomasseertragspotential geän- derte Entscheidungskriterien be- züglich Standorts- und Feldfrucht- wahl heranziehen muß.

Zumal über kulturtechnische Maßnahmen sowohl Nährstoff- als auch Wasserversorgung auf nahe- zu jedem Boden gewährleistet wer- den können, sind es die Klimafak- toren, vornehmlich Temperatur und Sonneneinstrahlung, die das Er- tragspotential eines Standortes bedingen.

Der Schlüssel zu einem der po- stulierten Kriterien liegt demzu- folge in den Wechselwirkungen zwi- schen den klimatischen Umwelt- faktoren und den physiologischen Prozessen und Phänomenen, die pflanzliches Wachstum bedingen.

Die energetische Nutzung von Biomasse in allen Variationen stellt ein unverzichtbares Potential dar, das gemeinsam mit den längst not- wendigen Einsparungsmaßnahmen wesentlich zur Entspannung der Energieversorgungssituation bei- tragen wird. Der damit einherge- hende Wertewandel im Agrarma- nagement erfordert jedoch weitrei- chendes Umdenken auf allen Ebe- nen des landwirtschaftlichen Be- reiches.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Pflanzenphysiologischen Institut der Uni- versität Wien.

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