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Der Produktionsfaktor Natur ist wesentlich

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Unter Alternativenergien versteht man im allgemeinen nichtnukleare und nichtfossile Energien; auch hydraulische Energie wird, wenn sie in kleinen Anlagen genutzt wird, oft den Alternativenergien zugezählt. Sie unterscheiden sich von konventioneller Energie wesentlich dadurch, daß sie zeitlich anfallende Energiequellen darstellen: Die anfallende oder die verwertbare Energie wird immer auf ein gewisses Nutzungsgebiet, wie einige Quadratmeter Kollektorfläche oder einige Hektar Bodenfläche (Energie wälder usw.) sowie auf einen bestimmten Zeitraum, wie eine Stunde oder ein Jahr, bezogen.

Abgesehen von Wasserkraft stellen demgegenüber die konventionellen Energien Eigenschaften von Stoffen dar, die der Natur entnommen werden und die diese Stoffe, die „Primärenergieträger", bei der, Nutzung verlieren. Als Beispiel sei angeführt, daß die Energie der gesamten sicheren und wahrscheinlichen Kohlenvorräte Österreichs jener entspricht, die jährlich auf etwa ein Prozent der Gesamtfläche Österreichs von der Sonne eingestrahlt wird. Wesentlich in einer solchen Gegenüberstellung ist dabei, daß die Sonnenenergie nicht aufgebraucht werden kann, Kohle aber schon.

Dieser Vergleich mag nun zu einer sehr optimistischen Einschätzung des Potentials der Sonnenenergie in ihren verschiedenen Erscheinungsformen verleiten. Deshalb ist hier sogleich festzuhalten, daß es bei der Energienutzung nicht nur auf die Menge, sondern sehr wesentlich auch auf die Qualität der bereitgestellten Energie ankommt. Beispielsweise verlangen 'verschiedene industrielle Prozesse eine Zufuhr von Wärme sehr hoher Temperatur, die aus konventionellen Energieträgern sehr einfach, aus Alternativenergiesystemen aber nur sehr schwierig gewonnen werden kann.

Mit Ausnahme der Wasserkraft stellen also die konventionellen Energieträger der Natur entnommene Stoffe dar, die eine hohe Energiedichte und -qualität besitzen, in der Regel leicht transportierbar und speicherbar (genau gesagt: bevorratbar) sind und zur Bereitstellung von Nutzenergie in einfacher Weise herangezogen werden können.

Diese spezifischen Eigenschaften der konventionellen Energieträger haben ihren Widerhall in den technischen und ökonomischen Strukturen der Energienutzung gefunden: Es entwickelten sich Energietransportsysteme (z.B. Eisenbahnlinien und Pipelines), Veredelungs- und Umwandlungszentren (z.B. Raffinerien und Kraftwerke) und Verteilungssysteme (z.B. Stromnetze und Tankwagenflotten). Die Zuteilung der Energieträger in einzelne Regionen wurde zum Aufgabenbereich nationalen und insbesondere internationalen Handels, dessen sich transnationale Konzerne und Interessenvereinigungen annahmen.

Einem steigenden Energieeinsatz waren sowohl aus regionaler wie auch aus globaler Sicht kaum Schranken gesetzt, solange die Energiebereitstellung lediglich durch die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit bestimmt schien. Da durch Energieeinsatz menschliche Komfortansprüche befriedigt werden können und da in einem hohen Maß an Komfort hoher Lebensstandard erblickt wird, wurde in der Vergangenheit eine Energieverbrauchszunahme als positiver Indikator für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gewertet, f

Erst vor wenigen Jahren, im Gefolge des vielzitierten „ölschocks", wurde aber auch größeren Bevölkerungskreisen bewußt, daß die Bereitstellung der herkömmlichen Energieträger nicht ausschließlich durch die klassischen Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit, sondern sehr wesentlich auch - wie der deutsche Energiefachmann Bernd Stoy ausführt - durch den „Produktionsfaktor Natur" bestimmt ist: Eine Fortschreibung der vergangenen Entwicklung in die Zukunft würde uns in absehbarer Zeit an die Grenzen des physischen Vorhandenseins der heute noch vorwiegend verwendeten konventionellen Energieträger bringe. Folglich bemüht man sich allerorts um „Alternativen".

Die Einbindung der Alternativenergien in unsere Energieversorgungssysteme ist aber äußerst schwierig: Denn die technischen und wirtschaftlichen Systeme der Energienutzung haben sich in Funktiqn der konventionellen Energieträger entwickelt, sie haben sich an die spezifischen Eigenschaften der hauptsächlich verwendeten Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas angepaßt. Folglich passen Alternativenergien nicht in diese konventionellen Strukturen.

Da demgegenüber die Kernenergieträger wesentliche Eigenschaften, wie Speicherbarkeit und Transpor-tierbarkeit, mit den konventionellen fossilen Energien teilen, sind sie mit den Strukturen der Nutzungssysteme konventioneller Energien gut in Einklang zu bringen. Darin ist wohl einer der wesentlichen Gründe dafür zu sehen, daß in die Machbarkeit der Kernenergie seitens der politischen und technischen Strategen mehr Hoffnung gesetzt wird als in jene der Alternativenergien. Denn die in Funktion der konventionellen Energien gewachsenen Strukturen der Energieversorgungssysteme stellen insbesondere für kurz- bis mittelfristige energiepolitische Entscheidungen den Motivationshorizont der Entscheidungsträger dar.

Sonnenenergie und die meisten anderen Alternativenergien sind aber als solche nicht transportier-, Speicher- und verteilbar, sie können kaum vermarktet werden und sind somit als Handelsobjekt ungeeignet. In der Folge ist ihre quantitative Nutzung mit Systemen konventioneller Struktur nicht möglich. Deshalb ist die These mancher Alternativener-gieproponenten nicht haltbar, daß man - überspitzt ausgedrückt - einfach lieber Sonnenenergie statt Kernoder fossiler Energie nehmen solle, und daß ein solcher Austausch ohne weitreichende Änderung unserer gesamten wirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Systeme durchführbar wäre.

Wie Arbeiten von Häfele und Mar-chetti vom Internationalen Institut für Systemanalyse in Laxenburg ausweisen, vollzieht sich die Umstellung von einer bestimmten Energieversorgungsstruktur auf eine andere in einem Zeitraum von mehr als 50 Jahren. Eine Abkehr von den konventionellen Energieträgern und eine Zuwendung zu Alternativenergien kann also nicht von heute auf morgen erfolgen. Die Weichen für die neue Energiezukunft sind aber schon heute zu stellen. Wie kann diese Weichenstellung aussehen?

Kurz- bis mittelfristig scheinen hier in erster Linie Maßnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs durch Verbesserung von Wirkungsgraden, Erhöhung der Wärmedämmung und dergleichen durchführbar. Parallel dazu werden wohl auch Maßnahmen zur „Konventionalisierung der Alternativenergien" nötig sein, damit diese im derzeitigen Wirtsdhaftsge-schehen überhaupt einmal Fuß fas-

Solche Maßnahmen umfassen sämtliche Entwicklungen von Nutzungssystemen alternativer Energiequellen mit dem Ziel, sie für den Konsumenten konkurrenzfähig mit konventionellen Systemen zu machen. Ohne Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln wird das kaum möglich sein. Steigenden Preisen der konventionellen Energieträger kommt hier sicher eine bedeutende katalytische Wirkung zu; diese Wirkung könnte gegebenenfalls durch Einhebung einer für die Entwicklung von Alternativenergiesystemen zweckgebundenen Energieabgabe verstärkt werden.

Im Sinne einer langfristigen Strategie wird eine quantitativ bedeutende Nutzung von Alternativenergien aber wohl nur über den Weg einer Anpassung der technisch-ökonomischen Strukturen an die eingangs erwähnten spezifischen Eigenheiten der Alternativenergien wie geringe Energieflußdichte, geringe oder nicht vorhandene Transportier-barkeit und Vermarktbarkeit möglich sein.

Der derzeit teilnahmslos mit Energie versorgte Bürger wird wieder mehr Eigenverantwortung für die Bereitstellung der für seine Lebenshaltung notwendigen Energie übernehmen müssen, er wird seine Energie in höherem Maße aus seiner Umgebung und weniger von einem Versorgungszentrum zu beziehen haben. Der sachkundige und einfallsreiche Ingenieur möge ihn dabei unterstützen.

Der Umstellungsprozeß wird von uns allen Engagement und auch gewisse Einbußen an herkömmlichem Komfort erfordern. Er sollte planvoll und zügig in Angriff genommen werden, bevor eine mögliche globale Verknappung - sei sie nun politisch oder natürlich bedingt - unsere auf die Nutzung konventioneller Energieträger ausgerichteten Einrichtungen obsolet macht.

Dr. WernerFiala ist Oberassistent am Institut für Energiewirtschaft der Technischen Universität Wien.

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