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Neue Energiequellen in Österreich

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Österreich ist als kohlenarmes Land auf möglichste Ausnützung seiner Wasserkräfte angewiesen, deren Energie bekanntlich in Form des elektrischen Stromes den Verbrauchern zugeführt wird. Nun läßt sich elektrische Energie unmittelbar nicht speichern. Will man den zeitlichen Unterschied zwischen dem Anfall der Wasserkraft und dem Bedarf der Verbraucher überbrücken, dann muß das Wasser selbst in Staubecken gespeichert oder der elektrische Strom in andere, speicherfähige Energiearten umgewandelt werden. Leider sind die Möglidikeiten, Staubecken anzulegen, geographisch beschränkt, sie erfordern einen hohen Aufwand an Kosten und Material und — wie im Fall des ötztaler Projektes — pft die Preisgabe wertvollen Ackerlandes, an dem in Österreich kein Uberfluß besteht. Nach Beendigung des Ausbaues der speicherfähigen Wasserkräfte werden wir bald dem Beispiel der Schweiz folgen und an den Ausbau der Laufwasserkräfte an Inn, Enns, Mur und Donau schreiten müssen, die kaum mehr speidierfähig sind. Die Aufnahmefähigkeit der Industrie für Nacht- und Sommerstrom ist beschränkt. Man kann es keinem Unternehmen zumuten, auf die Dauer zu produzieren, wenn es nicht weiß, wieviel Energie es im kommenden Monat erhalten wird, wieviel Arbeiter es dann beschäftigen und welche Produktionsmenge es ausstoßen kann. Es bliebe noch die Möglich-

keit, einen Ausgleich über die Bundessammel-schiene zu suchen und die Überschußenergie Tirols nach Wien zu liefern, dessen Wärmekraftwerke die Spitzendeckung übernehmen sollen. Dieser Verbundbetrieb mag privatwirtschaftlich Vorteile bieten. Ist es aber vom Standpunkt der gesamtösterreichischen Energiewirtschaft aus betrachtet richtig, wenn Kohle vom Norden über Wien nach den westlichen und südlichen Bundesländern transportiert wird und Eisenbahnfrachtraum beansprucht, um am Bestimmungsort mit zehn bis fünfzehn Prozent Wirkungsgrad in den Haushaltungen verfeuert zu werden, während aus. derselben Kohle in den Wärmekraftwerken Wiens mit Abdampfverwertung die drei- bis vierfache Energiemenge gewonnen und gleichzeitig diese Kraftwerke voll ausgenützt werden können? Die Beantwortung dieser Fragen wird davon abhängen, ob es möglich ist, eine andere, wirtschaftlidie Speichermöglichkeit für elektrische Energie zu finden, die es uns vor allem ermöglicht, Devisen für Kohle aus dem Ausland zu sparen und Wasserkräfte auszunutzen, die während eines großen Teiles des Jahres heute noch gar nicht verwertet werden können.

Es liegt nun der Gedanke nahe, da elektrische Energie doch wieder in andere Energieformen umgewandelt werden muß, die notwendige Energiespeicherung in diese Umwandlung einzuschalten. Nachdem nun in Haushalt und Industrie über

90 Prozent des gesamten Energiebedarfes in Form von Wärme benötigt wird, kann es sidi nur um die Aufgabe handeln, Großraumspeicher für Wärmeenergie zu schaffen, zum Beispiel durch Aufheizung von Wasser durch Hochspannungselektroden und Verteilung der Wärmeenergie zu den Verbrauchsstellen mittels Fernheizanlagen.

Nützung der Luftschutzstollen

Solche Projekte scheiterten bisher stets an der Kostenfrage. Nun sind uns aus der Konkursmasse dieses Krieges außer zerstörten Häusern und Arbeitsstätten auch Luftschutzstollen übriggeblieben, die zu einem Teil als Lagerräume verwendet werden, zum größten Teil brachliegen. Diese, in vielen Alpenstädten in gewachsenen Fels gesprengten, Stollen eignen sich nun außerordentlich gut zur Anlage von Großraumspeichern, so daß der wichtigste Kostenpunkt, die Errichtung der Speicher selbst, in Fortfall kommt.

In unserem kohlenarmen Land mögen Fernheizanlagen eine ungewohnte Einrichtung sein, denen mancher Ingenieur mit einer gewissen Skepsis entgegentritt. Die Elektrizitätswerke sind seit Jahren mit Erfolg bemüht, ihren Nachtstrom durdi Förderung des Anschlusses von Heißwasserspeichern unterzubringen. Nun steht aber der Aufwand an Apparaten, Arbeit und Kosten, bezogen auf die unterzubringende Energiemenge, in keinem Verhältnis zu dem Aufwand an Pumpen und Rohrleitungen, die zum Anschluß eines Großraumspeichers an vorhandene Zentralheizungen benötigt werden. Ist es außerdem volkswirtschaftlich zu verantworten, in unserem verarmten Österreich neue Bedürfnisse zu wecken, solange wir nicht in der Lage sind, eines der primitivsten Erfordernisse des menschlichen Lebens, die B e-h e i z u n g unserer Wohnungen, sicherzustellen und solange wir für diesen Zweck wertvolle Devisen an das Ausland für Kohle abgeben müssen, während zur Nachtzeit in vorhandenen Wasserkraftwerken das Wasser unausgenutzt über die Wehre rinnt?

Fernheizanlagen

In den Kohlengebieten Amerikas und Mitteleuropas sind Fernheizanlagen für Orte von der Größe der österreichischen Landeshauptstädte zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sie ersparen den Teilnehmern die Einlagerung und den Transport von Kohle und Asche, die Bedienung und Reinigung von Feuerungen und sind so beliebt, daß die Stadtverwaltungen mit dem Ausbau der Anlagen den Anforderungen gar nicht nachkommen konnten.

Welche Energiemengen in Luftschutzstollen untergebracht werden können, wurde am Beispiel Innsbrucks durchgerechnet: Allein in zwei Stollenanlagen am Stadtrand können Energiemengen gespeichert werden, die ausreichen, um etwa 20 Prozent der Innsbrucker Wohnungen mit Abfallenergie zu heizen. Zu diesem Zweck würden fünf bis zehn Prozent der heutigen — weitgehend steigerungsfähigen — Energieerzeugung Tirols benötigt werden, und zwar nur Abfallenergie, während Edelenergie als begehrter Ausfuhrartikel wertvolle Devisen einbringen könnte. Selbst wenn Rohrleitungen und Isoliermaterial aus dem Ausland eingeführt werden müssen, ist der Devisenaufwand hiefür geringer, als die Fernheizanlage in einem halben Jahr an Devisen für Kohlen ersparen würde. Auf Basis der heute geltenden Kohlenpreise kann ferner für den Abfallstrom ein Preis gezahlt werden, der sich im Rahmen der heute vom Ausland gezahlten Preise für Edelenergie bewegt.

Dieses überraschende Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsrechnung ist jedoch nur auf die Verwendung der Luftsdiutzstollen zurückzuführen. Müßte man diese Speicher erst bauen, dann könnte eine elektrisch betriebene Fernheizung niemals mit Kohlenheizung in Konkurrenz treten, solange die derzeitigen Kohlenpreise gelten.

Mögen nun diese Luftschutzstollen, die im Krieg unser Leben bewahrten, in Friedenszeiten dazu beitragen, durch weitesgehende Ausschaltung von Rauch und Schornsteinen unsere Städte gesünder und schöner zu madien und mögen sie helfen unserer heimischen Wirtschaft durch rationelle Ausnützung der heimischen Energiequellen in großem Umfang Devisen zu ersparen!

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