Holz als Energieträger der Zukunft

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Die Gemeinde Güssing gilt als Beispiel für Energieunabhängigkeit. Jetzt gelang sogar die Herstellung von "Erdgas" auf Holzbasis.

Das Thema Güssing und die dort erforschte und bereits gelebte Energiepolitik der Zukunft geistern jedes Jahr mehrmals durch die Medien. Zuletzt Anfang Jänner, als es einem schweizerisch-österreichischen Forschungskonsortium gelang, die Produktion von synthetischem Erdgas aus Holz zu demonstrieren. Grund genug für die FURCHE, sich diese Pionieranlage einmal live anzusehen. Umweltschonend benutzen wir für die Anreise ein öffentliches Transportmittel: Mit dem Bus erreicht man von Wien aus in knapp drei Stunden das burgenländische Güssing. Autobahnen sieht man auf diesem Weg meist nur in weiter Ferne, nach vielen kleinen Städten und Gemeinden erreichen wir unser Ziel: das "Öko-Energieland".

Christian Keglovits, Projektkoordinator beim Europäischen Zentrum für erneuerbare Energie, fährt uns zum Kraftwerk. Und da stehen wir nun vor einem Kubus aus Röhren, für das ungeschulte Auge eine Art Raffinerie in Miniatur-Format. Und so soll die neuartige Energieproduktion aussehen? Die Vorstellung der schönen sauberen Energie der Zukunft passt so gar nicht in das Bild, das man hier vor Augen hat. Keine glänzend geputzten Glasfassaden oder weiße Laborräume werden uns vorgeführt, sondern Technik pur, ohne Schnörkel, schmutzig und ehrlich.

Thermische Holzvergasung

Das von TU-Wien Professor Hermann Hofbauer entwickelte Biomasse-Kraftwerk erzeugt durch thermische Holzvergasung Gas, das weiter mittels eines Gasmotors Strom erzeugt. Als Nebenprodukt fällt sehr viel Wärme an. Oft wurde Güssing in der Vergangenheit als energieautark bezeichnet, doch diese Bezeichnung hört man in der 4000 Einwohner zählenden Stadt nicht mehr gern. "Wir befinden uns nicht auf einer Insel der Seligen, abgekoppelt von der Außenwelt", so Keglovits. Fakt ist, dass die erzeugte Energie in öffentliche Netze eingespeist wird, und man sich aus diesem Pool den Verbrauch zurückholt. Die Gegenüberstellung von erzeugter Energie am Standort und verbrauchter Energie ist schließlich der Grund für Güssings Vorbildwirkung als Energie-Gemeinde der Zukunft, und nicht ihre Autarkie. Die Stromproduktion betrug noch vor den kürzlich zugezogenen Industriebetrieben 130 bis 150 Prozent des örtliches Verbrauches, bei der Wärme wurden 100 Prozent des Verbrauches produziert.

Das Biomassekraftwerk im Wert von rund dreizehn Millionen Euro hat eine elektrische Leistung von zwei Megawatt und eine thermische Leistung von 4,5 Megawatt. Betrieben wird die Anlage mit Holz aus der Region. Vorwiegend wird im Umkreis von 30 Kilometer Durchforstungsholz eingekauft, das in Form von Hackschnitzeln zum Einsatz kommt. Knapp 50 Prozent des Bezirkes sind bewaldet und verwendet wird derzeit nur die Hälfte des jährlichen Nachwuchses (je ein Drittel entfällt auf Energieproduktion, Bauholz und Sägeindustrie). Diese Nachhaltigkeit ist den Projektbetreibern sehr wichtig, schließlich wollen die Güssinger die dezentrale Energieproduktion forcieren, und zu diesem Zwecke kommen nur jene Rohstoffe zum Einsatz, die sich in ausreichendem Maße in einer Region finden. Darüber hinaus solle es zu keiner Konkurrenz zwischen der Energieproduktion und der Lebensmittelproduktion kommen. Daher kommt nur Biomasse zum Einsatz, die nicht zum Verzehr geeignet ist. Dieser Ansatz wird ebenso verfolgt, wenn Gemeinden auf das Europäische Zentrum für Erneuerbare Energie zukommen und um eine Machbarkeitsstudie bitten.

Know-how Export aus Güssing

Hier gehen die Experten so vor, dass zunächst die Art und Größe des Verbrauches ermittelt wird, dann wie viel Energie eingespart werden kann, und mit diesem Ausgangswert wird darangegangen, den Energieproduktionsmix zu erstellen, wiederum aufbauend auf den bereits vorhandenen Energieträgern der Region. Nun stellt sich die Frage, warum Güssing nicht noch viel mehr Nachahmer hat als derzeit, wenn die Burgenländer ihr Know-how ohnehin bereits unter die Gemeinden im In- und Ausland streuen. Keglovits erwähnt die Initiative der E5-Gemeinden, eine Plattform energieeffizienter Gemeinden Österreichs. Doch das reicht uns als Antwort nicht, denn in einem so waldreichen Land wie Österreich müsste dieser Weg doch vielerorts möglich sein, und nicht nur in einer Handvoll Gemeinden. Keglovits glaubt, dass es vor allem am Willen fehle, denn große Energieunternehmen wollen ihre Energie zentral verkaufen und setzen nicht auf Dezentralisierung. Dazu komme, dass diese meist gute Kontakte zu Politik und Wirtschaft pflegen und ebenso Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Weiters ist man in Güssing auf das Ökostromgesetz nicht gut zu sprechen, die damit geschaffenen Rahmenbedingungen seien schlecht für die nachhaltige Erzeugung von Energie. Wirtschaftliche Interessen stehen aber ebenso auf der Pro-Seite, denn Güssing gab mit seiner Energiewende einen Impuls für den Wirtschaftskreislauf der gesamten Region. Nicht nur, dass Waldbesitzer wieder einen Abnehmer für ihr Holz finden. In den vergangenen 15 Jahren haben sich rund 50 Betriebe angesiedelt, von denen nur einige etwas mit erneuerbarer Energie zu tun haben wie Blue Chip Energy, die Solarzellen für Photovoltaik-Anlagen erzeugen. Viele Betriebe siedelten sich an, da sie die Gemeinde mit günstiger Wärme versorgen kann. Denn die Gewinnmaximierung steht bei der Erzeugung von Wärme nicht im Vordergrund. Diese öffentliche Dienstleistung soll mit möglichst niedrigen Preisen die Abwanderung von Menschen und Betrieben aus der Region verhindern helfen.

Dies war aber erst der Beginn, denn die Zukunft soll der synthetischen Erzeugung von Erdgas gehören. Das Schweizer Paul Scherer Institut wurde auf das Güssinger Holzgas aufmerksam, da es in einem derart hohen Reinheitsgrad erzeugt wird, dass es auf der Welt kaum einen besseren Ort gibt, um angewandte Forschung zur Herstellung von erdgasähnlichem Gas auf der Basis von Holzgas zu betreiben. Im Demonstrationsversuch gelang dies bereits mit einem Methananteil von 95 Prozent, das entspricht der Qualität von herkömmlichem Erdgas. Im Frühling steht der Dauerbetrieb der Ein-Megawatt-Methanisierungsanlage an. Das Konsortium aus Schweizer und österreichischen Forschern (TU Wien, Repotec Umwelttechnik, Paul Scherer Institut und Conzepte Technik Umwelt) ist zuversichtlich, dass der Dauerbetrieb möglich sein wird. Erst dann wird abschätzbar sein, in welchen Größenordnungen sich derartiges "Holz-Erdgas" herstellen lässt. Göteborg hat an dieser Technologie bereits Interesse bekundet und plant eine 100-Megawatt-Anlage zu errichten.

Hoher Wirkungsgrad

Der Wirkungsgrad spricht für die Aufbereitung von Holzgas auf Erdgasqualität. Wird die im Prozess anfallende Wärme zusätzlich zur Stromproduktion oder zur Speisung von Fernwärmenetzen eingesetzt, lässt sich ein Gesamtwirkungsgrad von über 80 Prozent erreichen. Die Vision des Güssingers Reinhard Koch gab den Startschuss für die Energiewende in der Kleinstadt. Koch erkannte nach dem EU-Beitritt die Möglichkeiten, die sich durch die Fördergelder des Ziel-1-Gebietes Burgenland auftaten und fand im Güssinger Bürgermeister Peter Vadasz einen veritablen Mitstreiter. Heute ist die in Güssing erzeugte Energie (Strom und Treibstoff) ohne Subvention noch nicht wettbewerbsfähig, so lange es günstiger ist, Erdöl und Erdgas zu verbrennen. Dies gilt jedoch nicht für die Wärmeerzeugung. Erst wenn Öl- und Gaspreise langfristig empfindlich steigen, wird die Energie auf Basis von Holzgas eine gangbare Alternative für viele Gemeinden sein. Wobei Keglovits einschränkt: "Der private und öffentliche Energie- Verbrauch ist mit Kraftwerken nach unserem Modell sicherlich zu decken, aber die Industrie können wir mit dem derzeitigen Stand der Technik nicht ausreichend bedienen. Deswegen muss die Forschung weiter forciert werden." Güssing hat nicht die Lösung schlechthin für sämtliche Energiefragen der Zukunft, aber auf dem Weg zurück nach Wien bleibt ein gewisses Gefühl der Hoffnung.

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