"Jedes Haus ein Mini-E-Werk"

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Ein Umstieg auf erneuerbare Energie? - Chancenlos. So sehen es viele. Im folgenden Gespräch mit Stefan Schleicher, Professor für Ökonomie in Graz, geht es dennoch um die Voraussetzungen und Möglichkeiten eines solchen Weges.

Die Furche: Schneidet man das Thema Erneuerbare an, sagen viele: eine interessante Variante - aber keine wirkliche Lösung des Energieproblems. Was kann man darauf antworten?

Stefan Schleicher: Wir haben mit fossiler Energie große Schwierigkeiten, vor allem bei Erdöl und Erdgas, zunächst weil die Förderung in Europa zurückgeht. Dazu kommen Probleme der Versorgungssicherheit, Stichwort Terrorismus. Außerdem kommen die Importe aus politisch instabilen Regionen. Neu ist, dass China vom Selbstversorger zum Netto-Importeur geworden ist. Würde China pro Kopf ähnlich viel Erdöl verbrauchen wie Europa, würde das die Erdölnachfrage verdoppeln. Auch die größten Optimisten in Sachen Erdölreserven sind sich darüber im Klaren, dass dies außerhalb der Möglichkeiten liegt.

Die Furche: Also doch eine Sternstunde für die erneuerbare Energie?

Schleicher: Viele sagen allerdings: Mit erneuerbaren Energien lassen sich die demnächst fehlenden Mengen nicht ersetzen. Also sind sie keine Alternative. Die erste Aussage muss man wohl oder übel akzeptieren. Auch ich kann mir nicht vorstellen, dass wir den derzeitigen Energieverbrauch mit Erneuerbaren abdecken können...

Die Furche: ... heißt also Energie sparen?

Schleicher: Für eine Wirtschaft, die schwerpunktmäßig auf erneuerbarer Energie basiert, brauchen wir Technologien, die Energie mindestens viermal, wenn nicht zehnmal so wirksam nutzen, wie dies heute der Fall ist (Faktor 4-, bzw. Faktor 10-Technologien). Schaffen wir das nicht, gelingt der Umstieg nicht.

Die Furche: So viel zu sparen - ist das nicht reine Utopie?

Schleicher: Etwa ein Drittel der Energie wird in den Haushalten für Wärme und Beleuchtung verbraucht. Dort sind wir heute imstande, Null-, ja Plus-Energie-Häuser zu bauen. Letztere liefern mehr Energie, als sie verbrauchen. Wir haben in Österreich fantastische Beispiele dafür, dass dieses Konzept funktioniert.

Die Furche: Beim Verkehr steigt jedoch der Verbrauch massiv. Keine Rede von Faktor 4...

Schleicher: Die heutigen Trends lassen sich nicht fortsetzen. Es können nicht dauernd mehr Autos unterwegs sein, es geht nicht, dass immer längere Strecken zurückgelegt und pro Kilometer immer mehr Kraftstoff verbraucht wird. Das zu ändern, erfordert aber eine tiefgreifende Veränderung der Wirtschaftsstruktur.

Die Furche: Die rot-grüne Regierung in Deutschland hat erste Versuche in diese Richtung gemacht. Wie ist das zu beurteilen?

Schleicher: Es gab bemerkenswerte Weichenstellungen: zunächst die enorme Ausweitung der Photovoltaik. Wer sich in Deutschland derzeit eine solche Anlage kaufen will, muss einjährige Lieferfristen in Kauf nehmen. Ihr Preis ist stark gefallen, die Unternehmen verfügen flächendeckend über das notwendige Know-How. Deutschland hat beachtliche Akzente bei der Kraft-Wärme-Kopplung gesetzt. Geradezu vorbildlich ist das neue Regierungsviertel in Berlin. Dort werden die öffentlichen Gebäude durch besondere (Cogeneration-) Anlagen mit Wärme, Strom und Kühlung versorgt und mit Pflanzenöl betrieben.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die Situation in Österreich?

Schleicher: Seit Jahren gibt es hier keine energiepolitische Diskussion. Was in Richtung erhöhter Energie-Effizienz getan werden könnte, wird kaum überlegt.

Die Furche: Aber es sind doch immerhin Einspeise-Tarife für Erneuerbare beschlossen worden...

Schleicher: Stimmt. Sie sind aber ein Musterbeispiel dafür, was schief laufen kann, wenn kein umfassendes energiepolitisches Konzept vorliegt. So hat man etwa die Photovoltaik beschränkt - ohne triftigen Grund. Und es wurden zu wenige Impulse für die Entwicklung fortgeschrittener Biomasse-Technologie gesetzt. Dabei besitzen wir auf diesem Sektor einen international anerkannten Vorsprung. Wir könnten auf dem Weltmarkt da eine ähnliche Spitzenposition einnehmen wie Dänemark bei der Windkraft.

Die Furche: Könnte Biomasse den Wärmemarkt in Österreich abdecken?

Schleicher: Ich wiederhole: So lange wir nicht die Energie-Effizienz erhöhen, ist es nicht sinnvoll extrem in die Bereitstellung erneuerbarer Energie zu investieren. Man muss Sparen und Umsteigen gleichgewichtig vorantreiben.

Die Furche: Welche Schwerpunkte bieten sich da an?

Schleicher: Ein Überblick über den Stand der Technologie bei den Erneuerbaren zeigt Folgendes: Bei der Windkraft ist der Standard sehr weit fortgeschritten. Da geht die Entwicklung in Richtung Off-Shore-Anlagen. Das sind die idealen Standorte. In unseren Gegenden haben wir nur bedingt geeignete Standorte. Bei der Biomasse gibt es aber noch gewaltige Entwicklungsmöglichkeiten - vor allem bei mittleren und kleineren Anlagen. Das heißt: Überall, wo Wärme gebraucht wird, sollte auch Elektrizität erzeugt werden.

Die Furche: Selbst in Heizungsanlagen für Mehr-Familien-Häuser?

Schleicher: Sicher. Pellets-Heizungen sollten auch Strom erzeugen, schon bei Kleinanlagen.

Die Furche: Ist die E-Wirtschaft auf so etwas vorbereitet?

Schleicher: Da haben wir sicher Probleme. Die E-Wirtschaft setzt, soweit ich das beurteilen kann, auf Großkraftwerke, siehe Gas-Kraftwerk bei Graz.

Die Furche: Österreichs E-Wirtschaft konkurriert mit mächtigen ausländischen Konkurrenten. Kann sie da überhaupt anders handeln, als sie dies derzeit tut?

Schleicher: Diese Diskussion greife ich gerne auf: So klar ist es nicht, dass dezentrale Technologien im nicht industriellen Bereich sich nicht rechnen. Immerhin gibt es diese Systeme in Deutschland, in Holland, in der Schweiz. Warum nicht in Österreich? Ich vermute, wir sind da noch Gefangene der Geschichte der österreichischen Elektrizitätswirtschaft. Sie hat Strukturen übernommen, die aus dem 2. Weltkrieg stammen. Und selbst wenn sich solche Technologien jetzt nicht rechnen sollten - was zweifellos für die Photovoltaik gilt -, so könnte es durchaus sinnvoll sein, die Erträge der Energiesteuern heranzuziehen, um die neuen Techniken marktreif zu machen. Außerdem könnte man diesen Strom als Tagespitzenstrom fahren, das heißt die Erzeugung von Wärme - sie lässt sich leicht speichern -, auf Früh, Mittag und Abend, wenn die höchste Stromnachfrage herrscht, zu konzentrieren. Auf diese Weise kommt ein hoher Einspeistarif zustande. In der Energiepolitik ist heute eben Kreativität und Umdenken gefordert.

Das Gespräch führte Christof Gaspari.

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