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DERZEIT FALSCHE POLITISCHE SIGNALE

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FURCHE: Seit Jahren wird von Umweltsteuern gesprochen. Wie sieht diesbezüglich derzeit die Situation aus?

STEFAN SCHLEICHER: Österreich ist weit davon entfernt, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Die Skandinavier sind diesbezüglich schon viel weiter.

FURCHE: Was hat sich in Skandinavien in dieser Hinsicht getan?

SCHLEICHER: Die skandinavischen Länder haben emsthafte Schritte gesetzt, um aus den bisherigen Energiestrategien herauszukommen. In diesen Ländern ist Energie ganz kräftig teurer geworden. Gegenüber den alten Steuersätzen sind ungefähr 30 Prozent dazugekommen. Fossile Energie wird hoch besteuert - und zwar alle fossilen Energieträger. Es wird bei der Besteuerung auch nach Abnehmergruppen unterschieden. Kritisch ist natürlich wie überall die Besteuerung der Energie für die industrielle Verwendung. Auf diesem Sektor gab es in Skandinavien großzügige Übergangsregelungen.

FURCHE: Seit wann wird diese neue Energiepolitik betrieben?

SCHLEICHER: Ausgangspunkt war die Erfahrung mit Tschernobyl. Damals kam es zum politischen Entschluß, innerhalb der nächsten 20 Jahre kontrolliert aus der Kernenergie auszusteigen. Weiters soll der Einsatz fossiler Energien so verringert werden, daß die C02-Emmissionen in den nächsten IS Jahren um 25 Prozent verringert werden. Außerdem soll es keine zusätzliche Nutzung von Wasserkraft in Großprojekten geben. Das sind ganz eindeutige und enge Rahmenbedingungen für die Energiepolitik. Damit wird die Forschungsund Entwicklungstätigkeit auf die emeuerbaren Energieträger und auf die Steigerung der Energieeffizienz gelenkt.

FURCHE: Wie ist die Situation in Österreich?

SCHLEICHER: Wir waren bis vor kurzem Vorreiter bei Konzepten für die Energiebesteuerung. Seit den siebziger Jahren gibt es bei uns auf diesem Sektor intensive Überlegungen. Reformvorstöße zur stärkeren Energiebesteuerung wollten eine Umschichtung bringen: Weniger Einkommen, und/oder Mehrwertsteuer und deutliche Belastung der Energie. Seit Mitte der achtziger Jahre gab es in Österreich außerdem eine Diskussion, wie man durch eine Energiesteuerreform fossile Energie zugunsten von Biomasse zurückdrängen könnte. Da waren wir einige Jahre europaweit führend.

FURCHE: In Österreich wurde nur theoretisiert und nichts verwirklicht?

SCHLEICHER: In einigen Bereichen der Biomassenutzung gab es schon beachtliche praktische Erfolge. In den letzten Jahren konnte die Biomasse stärker expandieren als die Wasserkraft. Das verdanken wir aber durchwegs Einzelinitiativen.

FURCHE: Und wie steht es mit politischen Signalen in Österreich?

SCHLEICHER: Da sind durchwegs gegenteilige Signale zu beobachten. Interessenskonflikten haben sich da sehr negativ ausgewirkt. Es gab vor allem Interventionen aus der E-Wirt-schaft und der Grundstoffindustrie. Diese Sektoren meinten, daß sie durch eine solche Steuerreform in große wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen würden.

FURCHE: Wird bei uns Energie überhaupt nicht besonders besteuert?

SCHLEICHER: Doch. Diese Besteuerung ist stückweise entstanden. Sie erfaßt vor allem mineralische Treibstoffe. Und es gibt eine Mehrwertsteuer von 20 Prozent auf Energie. Die Festsetzung dieser Steuern erfolgte aber durchwegs aus fiskalischen Motiven. Dahinter stand keine energiepolitische Konzeption. Das steht im Gegensatz zur Situation in einigen anderen Ländern.

FURCHE: Energiesteuern gibt es also nicht nur in Skandinavien?

SCHLEICHER: Nein, auch in Deutschland. Wahrscheinlich war es ein großes Versäumnis, daß wir heuer bei der Erhöhung der Mineralölsteuer in Deutschland nicht mitgezogen sind.

FURCHE: Müßten wir dieses Versäumnis jetzt rasch nachholen?

SCHLEICHER: Ich würde mir dringend wünschen, daß wir zuerst eine wirtschaftspolitische Diskussion beginnen. Sie sollte klären, welche Art von Wirtschaft wir in den nächsten zehn, 20 Jahre betreiben wollen. Erst daraus leitet sich dann ein Konzept für den Energiesektor ab. Diesbezüglich möchte ich aber anmerken: Österreich ist den internationalen Toronto-Vereinbarungen beigetreten. Das verpflichtet uns, innerhalb der nächsten 15 Jahren um ein ganzes Drittel weniger fossile Energieträger als heute zu verwenden! Auf der Ebene der Politik scheint es kaum Erinnerungen an diese Absichtserklärung zu geben. Um dieses Ziel zu erreichen, sind einschneidende Maßnahmen überfällig.

FURCHE: Welche etwa?

SCHLEICHER: Etwa eine Strategie, den Treibstoffverbrauch der Pkw bis zur Jahrtausendwende auf drei Liter pro 100 Kilometer zu reduzieren. Am Beispiel der Einführung von Katalysatoren haben wir gelernt: Es ist sinnvoll ein technisches Ziel vorzugeben. Die Automobilhersteller sind durchaus fähig, es zu verwirklichen. Ein zweiter wichtiger Bereich ist der der Raum wärme: Innerhalb der nächsten zehn Jahre müßte angepeilt werden, den Energieverbrauch für Raumheizung ohne Komfortverlust um die Hälfte zu reduzieren. Das ist möglich.

FURCHE: In der Marktwirtschaft erwartet man sich marktkonforme Signale. Wie würden diese aussehen?

SCHLEICHER: Da wäre zunächst die Evaluierung von Bauvorhaben zu nennen: Bei jedem Bau müßte ein energetisches Gutachten vorgelegt und Mindeststandards erfüllt werden. In der Schweiz geschieht das schon Oder: Man müßte für mehr Wettbewerb im Energiesektor sorgen.

FURCHE: Was heißt das konkret?

SCHLEICHER: Ein Beispiel: In Österreich sind neue Wasserkraftwerke im Entstehen, die Strom liefern, der im Schnitt pro Kilowattstunde bis zu 2,50 Schilling kostet. Und dabei gäbe es andere Investitionen im Energiebereich - etwa den Bau von Kleinkraftwerken mit Kraft-Wärme-Kupplung oder die Nutzung von industrieller Kraft-Wärme-Kupplung -, bei denen die bereitgestellte Kilowattstunde nur die Hälfte kosten würde! Hier sorgt kein Wettbewerb dafür, daß zuerst die kostengünstigeren Projekte verwirklicht werden. Zu diesen institutionellen Maßnahmen müssen marktkonforme Preissignale kommen. Das heißt gezielte Besteuerung fossiler Energieträger. Mit dem Professor für Nationalökonomie an der Universität Graz sprach Christof Gaspari.

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