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Energieversorgung umweltfreundlich

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Debatten über die Energiepolitik entzünden sich vielfach an konkreten Kraftwerkprojekten: Hainburg - ja oder nein, Zwentendorf - pro und contra. Das ist zu kurz gegriffen. Es geht um Grundsätzliches.

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Debatten über die Energiepolitik entzünden sich vielfach an konkreten Kraftwerkprojekten: Hainburg - ja oder nein, Zwentendorf - pro und contra. Das ist zu kurz gegriffen. Es geht um Grundsätzliches.

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Energieerzeugung ist ' kein Selbstzweck. Sie wird nur im Hinblick auf ihre Verwendung sinnvoll. Für welche Zwecke benötigen wir alier Energie? Wir wollen Räume angenehm temperieren, Maschinen betreiben, uns mit Fahrzeugen von einem Ort zum anderen begeben, etwas beleuchten ... Um diese „Energiedienstleistungen“ geht es also und nicht um eine abstrakte Größe namens Energieverbrauch, die festen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt.

Erste Aufgabe jeder Energiepolitik muß es daher sein, auf möglichst lange Sicht dafür zu sorgen, daß die Menschen ihren Bedarf nach Energiedienstleistungen befriedigen können. Wie ging man dabei bisher vor?

Wie für jedes Produkt, so sollte auch für die Energie das Marktgeschehen, also Angebot und Nachfrage, die Entwicklung steuern. Da es viele Energieträger gibt (etwa Kohle, Strom oder Erdöl), sollte sich im Wettbewerb der jeweils preisgünstigste durchsetzen.

Um richtig disponieren zu können, müssen die Anbieter den Verbrauch prognostizieren. Denn vielfach tätigen sie Investitionen, die erst nach Jahren Erträge liefern, wie etwa beim Bau von Kraftwerken. So wurde die Prognose des Energieverbrauchs nach Energieträgern, etwa die des Stromverbrauchs, zur entscheidenden Größe der Energiepolitik.

Prognosen sind ihrem Wesen nach aber konservativ. Sie übertragen, auf mehr oder weniger komplizierte Art, die Konstellation der Vergangenheit in die Zukunft. In Zeiten tiefgreifender Veränderungen wird die Prognose jedoch zum untauglichen Wegweiser.

Gerade im Energiebereich gab es aber im letzten Jahrzehnt solche Veränderungen. Sie zeigten folgende Schwächen unserer bisherigen Vorgangsweise auf:

• Österreichs Energieversorgung ist extrem auslandsabhängig (60 bis 70 Prozent unseres Primärenergiebedarfs wird importiert). Das ist problematisch, weil in jeder Industriegesellschaft ein — auch nur kurzfristiger — Versorgungsausfall verheerende Folgen hat.

• Energieerzeugung und -Verwertung produzieren Umweltbelastungen, die mittlerweile ein existenzbedrohendes Ausmaß angenommen haben (siehe Seite 18). Das gut sowohl für die Atomenergie (offenkundig jedenfalls seit Tschernobyl) als auch für fossile Energieträger (insbesondere Kohle und Erdöl). Diese decken derzeit rund 80 Prozent unseres Energiebedarfs. Sie stehen weltweit zwar in enormen, dennoch nur endlichen Mengen zur Verfügung.

Welche Lehren waren aus diesen Einsichten zu ziehen? Energie sollte möglichst aus erneuerbaren, inländischen Quellen fließen, umweltverträglich sein und möglichst wirksam eingesetzt werden. Denn Energie ist weitaus wertvoller, als die Marktpreise anzeigen.

Würden wir sonst so großzügig Energie verschwenden, wie es derzeit geschieht? Ein Blick auf die Energiestatistik zeigt nämlich, daß zwischen dem, was an Energie in Kohle, Erdöl oder Flüssen steckt, und dem, was der Konsument an Energiedienstleistungen tatsächlich verwertet, eine riesige Lücke klafft: * 1983 gingen rund 66 Prozent der. Energie verloren. Nur ein Drittel des Einsatzes wurde genutzt! (FURCHE 25/1986)

Wollen wir also die Energiedienstleistungen sicherstellen (oder sogar leicht erhöhen), so kann dies entweder wie bisher mit großer Energievergeudung geschehen oder durch bessere Nutzung. Weniger Energieverbrauch heißt bei der zweiten Option daher nicht frieren und im Dunkeln sitzen. Es heißt einfach wirksamere Nutzung und weniger Verschwendung. ,

Bemühungen in diese Richtung bringen außerdem: weniger Auslandsabhängigkeit, weniger Umweltbelastung.

Wo könnte man da ansetzen? Am besten dort, wohin die meiste Energie wandert, also bei der Raumwärme (laut Schätzungen der Energieverwertungsagentur 35 Prozent).

Rund die Hälfte der heute verheizten Energie ließe sich (laut Öko-Institut in Freiburg/BRD) einsparen - ohne die Temperatur abzusenken! Das bedeutet: Mauern viel besser isolieren, Fenster abdichten, überdimensionierte Heizungen durch angemessene ersetzen.

Das wäre aber nicht die einzige sinnvolle Sparmöglichkeit. Eine zweite bietet sich an: Fernwärme statt Kohle, Erdöl, Strom oder Erdgas in den privaten Haushalten. Heute leisten wir uns bei der Stromerzeugung in kalorischen Kraftwerken einen riesigen Luxus: Energie wird nur zur Erzeugung von Elektrizität genutzt Der Großteil verpufft als Wärme in der Umwelt.

Typisches Beispiel: das Kraftwerk Dürnrohr. Mit allen technischen Finessen gelingt es, 41 Prozent der Energie, die in den Brennstoffen enthalten ist, in Elektrizität umzusetzen (an sich eine bemerkenswerte Leistung). Die übrigen 59 Prozent aber werden in die Donau abgekühlt. Das sind immerhin jährlich 600.000 Tonnen Kohle! Schade.

Um wieviel sinnvoller ist da ein System, das auch die Wärme nützt. Kraftwerke mit Kraft-Wärmekopplung erreichen eine Ausbeute von 80 Prozent, also doppelt so viel. Und bei den kleineren Blockheizkraftwerken kommt man sogar auf Werte von 90 Prozent! Das sind keine Spekulationen, sondern funktionierende Anlagen, etwa in Heidenheim oder Ingolstadt (BRD).

Die sukzessive Umstellung,auf ein solches System der Wärmeversorgung ist der beste Ansatz, fossile Brennstoffe zu sparen und damit Umwelt zu schonen. Außerdem ist es viel einfacher, Filteranlagen und eine effiziente Feuerung nur in einem Kraftwerk als in vielen Haushalten einzurichten. Mit diesem Argument wirbt die E-Wirtschaft ja auch für die Verwendung von Strom zu Heizzwecken.

In der derzeit verwendeten Form zieht dieses Argument jedoch nicht. Denn mit 60 Prozent Verlusten aus Wärme Strom zu erzeugen, um diesen unter weiteren Verlusten wieder in Wärme zurückzuverwandeln, ist extrem ineffizient. Um die direkte Abwärmenutzung geht es.

Auch der Ansatz, mit dem Strom aus Wasserkraftwerken zu heizen, ist keine gute Lösung, selbst wenn in diesem Fall die Energieerzeugung noch umweltfreundlicher (weü ohne Luftverschmutzung) ist. Selbst das Argument, daß dabei eine erneuerbare Energiequelle genutzt wird, ist nicht stichhältig. Warum?

Geheizt wird nun einmal im Winter. In dieser Jahreszeit führen die Flüsse aber wenig Wasser. Lauf- und Speicherkraftwerke liefern daher deutlich weniger Strom (die Relation zwischen Erzeugung im Juni und im Februar kann bei 2:1 liegen). Diesen Strom sollte man dann jenen Verwendungen zuführen, bei denen er konkurrenzlos ist: für öffentliche Verkehrsmittel, Licht, Antrieb von Maschinen und Geräten...

Weil wir also im Winter mit der Wasserkraft allein nicht auskommen, wird eine zukunftsträchtige Stromversorgung daher zunächst auf eine Umrüstung der Wärmekraftwerke (Nutzung von Kraft und Wärme) abstellen müssen. Und im Sommer reicht die Wasserkraft ohnedies sogar für Exporte.

Das bedeutet: Künftig keine Riesenprojekte a la Dürnrohr mehr. Ein Kraftwerk dieser Größe könnte zwar 200.000 Haushalte versorgen. Aber welche gigantische Infrastruktur müßte da entstehen, über welche Entfernungen die Wärme transportiert werden! Immerhin hegt Dürnrohr 40 Kilometer von Wien entfernt.

Da ist es viel sinnvoller, in örtlicher Nähe von Kleinstädten kleinere Kraftwerke einzurichten: Für jede Bezirksstadt eines mit Kraft-Wärmekopplung wäre ein Ansatz, plus Blockheizkraftwerke für kleinere Einheiten.

Keine Frage: Ein solches Konzept würde enorme Investitionen erfordern. Schon allein die Einrichtung des Zuleitungssystems und die Umstellung der angeschlossenen Haushalte auf Zentralheizung wären sehr aufwendig.

Diese Investitionen würden aber gerade unserer ohnedies notleidenden verstaatlichten Industrie zugute kommen, die wir derzeit mit Milliarden-Subventionen über Wasser halten. Wäre es nicht klüger, diese Unternehmen in ein Umrüstungsprogramm unserer Energieversorgung einzuspannen, als uns weiterhin über zweifelhafte Exporte in zahlungsunfähige Länder zu freuen? Diese Exporte sind ohnedies nur möglich, weil wir uns via Kontrollbank das Geld von einer Tasche in die andere stecken.

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