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FÜR NEUAUSRICHTUNG DER ENERGIEPOLITIK
Die Grundvoraussetzung für den Einsatz von Alternativen ist das gezielte Energiesparen
Die Grundvoraussetzung für den Einsatz von Alternativen ist das gezielte Energiesparen
(cg)-Der Vorstellung, eine Neugestaltung des Energiesystems sei nicht zu verwirklichen, muß man entgegentreten. Bei der Energieversorgung geht es um unsere Überlebenschancen. Daher bleibt nichts anderes, als immer wieder die bekannten Argumente zu wiederholen:
□ Das derzeitige System der Energieversorgung ist umweltzerstörend (FURCHE 2, 13/1990). Seine Struktur muß daher neu konzipiert werden. Insbesondere muß man die Verbrennungsprozesse massiv einschränken. Diese erzeugen - neben anderen negativen Folgen - notwendigerweise Kohlendioxid (C02), ein Gas, das zum Glashauseffekt und damit zur Erwärmung der Atmosphäre beiträgt. Zwar peilt die Bundesregierung an, diese Emissionen bis 2005 um 20 Prozent zu reduzieren, derzeit steigen sie aber noch.
□ Der Verbrauch fossiler Brennstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas) macht Österreich außenabhängig (zwei Drittel des Energieaufkommens werden importiert). Auf lange Sicht ist die Versorgung mit inländischen Energieträgern anzupeilen.
□ Da die Endlagerung von Atommüll nach wie vor ungelöst ist und Österreich nicht über Uranvorkommen verfügt, ist Atomenergie keine Alternative.
Was ist also zu tun? Es geht um eine konzertierte und konzentrierte Umorientierung der Energiepolitik: Weg vom „lais-sez faire" und hin zu gezielten Maßnahmen, die auf Energieeinsparung zielen:
Da gibt es ein weites Betätigungsfeld, denn immer noch geht fast die Hälfte der eingesetzten Energie durch den niedrigen Wirkungsgrad ihrer Nutzung verloren. Das bedeutet vor allem: Wo durch Verbrennung Strom erzeugt wird, muß auch die anfallende Wärme genutzt werden und umgekehrt. Das allein brächte eine Verdoppelung des Wirkungsgrades der eingesetzten Energie.
Dieses Konzept läßt sich nicht in Großanlagen verwirklichen, sondern bedarf einer Dezentralisierung der kalorischen Elektrizitätserzeugung. Stichwort: Blockheizkraftwerke in alle mittleren Agglomerationen.
Eine ganze Reihe weiterer Einsparungen können ohne Komfortverlust stattfinden: bessere Isolierung von Häusern und bessere Nutzung der Sonneneinstrahlung, technische Verbesserung bei Geräten (Seite 14), geringerer Treibstoffverbrauch bei Autos...
Andere Einsparungen werden Verzicht erfordern: Weniger Pkw-Fahr-ten (umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel, gemeinschaftliches Betreiben von Kfz), niedrigere Raumtemperaturen, Schluß mit den Wegwerfgüter (z.B. Verpackung)...
Sparen ist also Grundvoraussetzung aller Überlegungen über alternative Energiequellen. Eine Studie der Österreichischen Gesellschaft für Ökologie rechnet allein bei Endenergie mit möglichen Einsparungen von 45 Prozent bis 2011 (unter Berücksichtigung effizienterer Technik bei der Energieumwandlung läßt sich bei Primärenergie noch erheblich mehr einsparen). Allerdings bedarf es gezielter Anstrengungen. Ohne das geht es nicht!
Erst dann lohnt es sich, auf neue Energieträger zu setzen, etwa auf die Sonnenenergie (in Hochlagen, sowie im Osten und Süden Österreichs günstiger als im Rest des Bundesgebietes): Die technische Entwicklung bei Kollektoren zur Warmwasserbereitung hat ein hohes Maß an Effizienz erreicht. Durch die Verwendung von Wärmepumpen, deren technischer Entwicklungsstand ausgereift ist, kann ein beachtlicher zusätzlicher Gewinn an Niedrig-Temperatur.-Wärme erreicht werden. Derzeit rechnen sich aber die Wärmepumpen nicht.
Elektrizität aus Sonnenenergie
Technisch weiterentwickelt werden müßten hingegen photovoltaische Anlagen (direkte Umsetzung von Sonnenenergie in Strom). Da hofft man auf eine Verdoppelung des Wirkungsgrades. Eine Studie von Gerhard Faninger (Forschungszentrum Seibersdorf) stellt folgende Überlegung über den Einsatz von Solarzellen an: Würde man die in Österreich verfügbare Fläche auf Dächern von rund 22 km2 nutzen, könnte man bei der heutigen Solarzellentechnik rund drei Prozent unseres Strombedarfs, mit einer fortgeschrittenen Technik sogar 7,5 Prozent decken. Würde außerdem jede Gemeinde eine Fläche in der Größe eines Fußballfeldes diesem Zwecke widmen, so ergäbe dies weitere vier Prozent Strombedarfsdek-kung.
Solange es jedoch keine effiziente Möglichkeit der Stromspeicherung gibt, kann diese überwiegend im
Sommer (und selbstverständlich tagsüber) anfallende Energie nicht für die kalte Jahreszeit bewahrt bleiben. Hier bedarf es weitergehender Forschungsarbeit.
Ausbaufähig ist weiters die Nutzung von Biomasse als Brennstoff (Seite 16). Der Anbau von Energiepflanzen ist auch agrarpolitisch sinnvoll. Um Biomasse in großem Umfang zu nutzen, bedarf es technischer Entwicklungen zur Optimierung der Verbrennungsprozesse (Seite 12). Einige Konzepte funktionieren schon in Pilotanlagen (FURCHE 20/1987, 13/1990). Außerdem ist darauf zu achten, daß beim Anbau von Energiepflanzen nicht durch intensive Produktionsweisen die Umwelt geschädigt wird.
Die Biomasse bietet sich jedenfalls als idealer Brennstoff für dezentrale Blockheizkraftwerke an. Das bei ihrer Verbrennung erzeugte CO, erhöht nicht - wie bei fossilen Brennstoffen -den Glashauseffekt, da das dabei frei werdende C02 der Atmosphäre ja vorher im Zuge des Pflanzenwachstums entzogen, wurde.
Solarkraftwerke-(siehe Bild) werden in Österreich wegen der Sonnenscheindauer voraussichtlich nicht zum Einsatz kommen. Sie bewähren sich heute teilweise schon in sonnenreichen Ödlandgebieten (etwa in Kalifornien). Sie funktionieren nach verschiedenen Prinzipien: Als Aufwindkraftwerke, durch verschiedene Formen der Bündelung der Sonnenstrahlen. Versuche gibt es auch mit direkter Stromerzeugung.
Ob das für uns relevant sein kann? Wenn wir nicht außenabhängig sein wollen, nein. Sonst wäre es schon denkbar, Sonnenenergie aus der Wüste zu importieren. Sibylle und Ernst Schiaich rechnen, daß man mittels Umwandlung in Wasserstoff den Energiebedarf der Bundesrepublik mit 0,38 Prozent der Saharafläche decken könnte.
Klarerweise bedarf eine Umstellung auf erneuerbare Energie gezielter politischer Förderung. „Ins Gewicht fallende Veränderungen in der Energieerzeugung werden sich einstellen, sobald erneuerbare Energie konkurrenzfähig im Einsatz sein wird", vermerkt ein Leitartikel der Zeitschrift „Science".
In einem dezentralen Wirtschaftssystem muß es auch so sein. Nur: Wie erreicht man diesen Zustand? Auch das wurde schon mehrfach abgehandelt -nur leider nicht verwirklicht. Dabei gibt es umfassende Studien zu diesem Thema. Ihr Kern: Verteuerung der nicht erneuerbaren Energieträger Kohle, Gas, Öl durch Besteuerung. Dadurch wird es rentabel, in die Erforschung und Nutzung erneuerbarer Energieformen zu investieren. Das ist kein systemwidriger Eingriff in den freien Markt. Damit wird den fossilen Energieträgern eigentlich nur zugerechnet, was sie an Umweltschäden erzeugen: Beim jetzigen Stand der Dinge schätzt man diese Kosten auf einen Schilling pro Kilowattstunde (Kwh). Die unabsehbaren Folgen einer Klimaveränderung kann ohnedies niemand wirklich bewerten.
So wird offenkundig: Ein Umstieg auf eine umweltverträglich Energieversorgung ist überlebensnotwendig. Er ist auch möglich. Man muß ihn nur ernsthaft wollen, in ihn investieren. Möglich müßte das sein, wenn man an die Milliarden denkt, die in die Atomforschung gegangen sind, um heute matte drei Prozent des Weltenergiebedarfs mit ihr zu decken.
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