Die EU setzt auf Sonne

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Die Weichen sind in Richtung erneuerbare Energie gestellt. Jetzt sind die Länder am Zug, die ambitionierten Vorgaben zu verwirklichen. v

Die Zukunft der europäischen Energieversorgung muss auf der Sonne aufbauen - andernfalls hat Europa selbst keine Zukunft. Sonnenenergie meint hier freilich nicht nur die direkte Sonnennutzung, sondern auch Wasser, Wind und Biomasse - also all jene Energiequellen, die durch den Kreislauf der Sonne entstehen und in unbegrenztem Ausmaß vorhanden sind.

Für die direkte Nutzung der Sonne als Energiequelle gibt es drei Möglichkeiten: Am einfachsten ist die passive Sonnennutzung, die jahrhundertelang selbstverständlich war: Häuser wurden mit der Vorderfront nach Süden ausgerichtet, um den Sonnenschein als Wärmespender zu nutzen. (Seite 16)

Die thermische Solarenergie wiederum nutzt die Wärme der Sonnenstrahlen, die von einer dunklen Fläche absorbiert wird. Die Photovoltaik schließlich, die bereits vor 150 Jahren entdeckt wurde und wahrscheinlich zu den größten Erfindungen der Menschheitsgeschichte überhaupt gehört, verdankt ihre Entwicklung der Raumfahrt: Die weltumkreisenden Satelliten beziehen ihre Energie ausschließlich über Photovoltaikmodule. Aus Licht wird auf diese Weise Kraft erzeugt.

EU sehr importabhängig

Bei Energieimporten liegt die Abhängigkeit der Europäischen Union derzeit bei 50 Prozent. Ohne entsprechende Maßnahmen in den nächsten 20 Jahren droht sie auf gefährliche 70 Prozent anzusteigen. Dass etwas geschehen muss, haben alle drei relevanten Entscheidungsgremien der EU, das Parlament, die Kommission und der Rat, klar erkannt. 1999 hat die EU daher ein 60 Seiten umfassendes Weißbuch unter dem Motto "Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger" beschlossen. Es soll der energetischen Nutzung von Sonne, Wasser, Wind und Biomasse zum Durchbruch verhelfen.

Die Eckdaten: Der Anteil der "Erneuerbaren" an der Energieversorgung der EU soll bis zum Jahr 2010 von sechs Prozent auf zwölf Prozent verdoppelt werden. Bei Verwirklichung dieses Ziels rechnet man neben 500.000 bis 900.000 neuen Arbeitsplätzen in der Union auch mit einem Exportvolumen in der Höhe von 17 Milliarden Euro pro Jahr ab 2010. Dadurch könnten weitere 350.000 Arbeitsplätze entstehen. Dem Weißbuch, das nur die Richtung vorgibt, müssen nun europaweit gültige Verordnungen und Richtlinien zur Durchsetzung folgen.

20 Prozent sauberer Strom

Grundsätzlich hat die EU ihre Hausaufgaben gemacht und brauchbare Durchführungsgesetze erlassen, die europaweit Gültigkeit haben. Wichtigste Punkte sind faire Einspeisetarife für Strom aus Erneuerbaren Energiequellen, vorrangiger Netzzugang und die Kennzeichnung der Energiequelle. Letzteres erlaubt es dem Endverbraucher, sich am freien Strommarkt zu entscheiden, ob er Atomstrom oder sauberen Strom beziehen möchte.

Im Strombereich ist ferner eine Erhöhung des Anteils von derzeit 13,9 Prozent auf 22,1 Prozent bis zum Jahr 2010 angepeilt. Dazu wurden den Mitgliedsstaaten individuelle Ziele vorgegeben. So soll Österreich den Anteil von sauberem Strom von derzeit 70 auf 78,1 Prozent erhöhen, Deutschland von 4,5 auf 12,5 Prozent, Frankreich von 16 auf 21 Prozent, England von 1,7 auf zehn Prozent.

So weit, so gut. Der Teufel liegt jedoch, wie stets, im Detail. Zwar sind die EU-Vorgaben für einen mittelfristigen Durchbruch erneuerbarer Energieträger durchaus brauchbar, sie sind jedoch in wesentlichen Teilen vorläufig nicht verbindlich und der Weg zur Erreichung dieser Ziele wird den Mitgliedsstaaten überlassen.

Ende Oktober zum Rapport

Kommt die EU-Kommission allerdings zur Ansicht, dass die Maßnahmen - diese werden vorwiegend in brauchbaren Einspeisetarifen für sauberen Strom bestehen - nicht ausreichen, um die Zielvorgaben zu erreichen, kann sie einschreiten und die zwingende Erfüllung der Vorgaben veranlassen.

Auf jeden Fall müssen die Mitgliedsstaaten laut der seit Herbst 2001 in Kraft befindlichen "Richtlinie zur Förderung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern" bis Ende Oktober 2002 jene Maßnahmen darlegen, die zur Verwirklichung der Richtziele auf nationaler Ebene ergriffen werden.

Die Fördersysteme für sauberen Strom in den einzelnen Mitgliedsstaaten sind so unterschiedlich, dass eine Auflistung ganze Bände füllen würde. Es gibt lokale, regionale und nationale Regelungen, die wiederum die Energiequellen Sonne, Wind, Wasser und Biomasse jeweils verschieden bewerten. Grundsätzlich kann man zwischen folgenden Maßnahmen unterscheiden: solchen, bei denen die Errichtung von Anlagen gefördert wird, und solchen, wo höhere Preise für den Strom bezahlt werden. Einen echten Entwicklungsschub bringt nur die zweite Methode.

Was Österreich betrifft, so hat es mit dem novellierten Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) bundesweit einheitliche Einspeisetarife beschlossen. Damit gehören komplizierte und für jedes Bundesland unterschiedliche Regelungen der Vergangenheit an. Spätestens Anfang 2003 muss die Höhe der Tarife festgelegt werden. Ein erster Vorstoß der Stromaufsichtsbehörde E-Control ist allerdings skandalös niedrig und daher unbrauchbar für den Ausbau Erneuerbarer Energiequellen.

In Deutschland dagegen hat das Erneuerbare Energie-Gesetz (EEG), das neben einem 100.000-Dächer-Förderprogramm für Photovoltaik Tarife in der Höhe von 50,62 Cent festsetzt, zu einem gigantischen Boom geführt. Der Anteil der Erneuerbaren ist von 5,2 Prozent (1998) auf knapp 7,5 Prozent (2001) gestiegen, womit ein Umsatz von 6,5 Milliarden Euro erwirtschaftet wurde. Darüber hinaus wurden 120.000 Arbeitsplätze geschaffen.

Griechenland führend

Dass politische Faktoren und nicht das geographisch bedingte Angebot über die Nutzung erneuerbarer Energie entscheiden, lässt sich anhand verschiedenster Beispiele belegen. So ist etwa Griechenland bei den thermischen Solaranlagen führend und Österreich an zweiter Stelle, während Spanien, Portugal und Italien trotz hohen Potenzials an Sonnenenergie nur über wenige Solarthermieanlagen verfügen.

Umgekehrt spielt die Windenergie in Griechenland keine bedeutende Rolle, obwohl dieses Land über 60.000 optimale Standorte für die Windnutzung besitzt. Dänemark und Deutschland dagegen stellen in dieser Sparte Rekorde auf.

Der direkten Sonnennutzung kann man eine große Zukunft voraussagen. Der Umstieg wird wesentlich eine Frage der politischen Rahmenbedingungen sein. Diese gelten neben dem Vorbildland Deutschland in Spanien, Italien, Portugal und im Ansatz sogar im Atomstromland Frankreich als gut.

Im Jahr 2001 wurde in der EU die magische Grenze von zehn Millionen Quadratmeter thermischer Solarkollektoren überschritten. Dadurch können jährlich sechs bis sieben Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden. Pro Jahr werden eine Million Quadratmeter an Solarthermieanlagen in der EU installiert, vor allem in Griechenland, Österreich und Deutschland. Durch gezielte Aufklärung und Förderung wäre in den übrigen EU-Ländern eine Vervielfachung des Marktes möglich.

Die Photovoltaik ist die Königsdisziplin unter den Erneuerbaren. Zwar ist die Stromgewinnung aus Sonnenlicht aufgrund der bislang fehlenden Absatzmengen noch relativ teuer (in Deutschland kommt man mit einem Einspeisetarif von 50,62 Cent über die Runden) und spielt mengenmäßig bis dato keine große Rolle. Sie ist aber aus technischen Gründen dazu prädestiniert, einen wichtigen Beitrag für die Stromversorgung im 21. Jahrhundert zu leisten. Licht ist im Überfluss vorhanden und kann über brach liegende Flächen wie Hausdächer oder Lärmschutzwände "geerntet" werden.

Die Photovoltaik wird zweifelsfrei die Nische der umweltbewegten Anwender durchbrechen. Ziel der Europäischen Union ist es, bis zum Jahr 2010 eine Million Photovoltaik-Anlagen am Netz zu haben. Wie sehr sich die einzelnen Mitgliedsstaaten um entsprechende politische Rahmenbedingungen bemühen, wird für das Gelingen entscheidend sein.

Der Autor ist Energieexperte und EU-Abgeordneter.

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