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Steigt die Abhängigkeit vom Ausland?

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Langfristige Prognosen auf dem Gebiet der Energie sind mit Vorsicht zu genießen. Das räumen auch die Herausgeber der von der BP Austria Aktiengesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Münchener IFO-Institut für Wirtschaftsforschung erstellten Studie „Energie 2000 für Österreich“ ein, betonen aber nichtsdestoweniger die Notwendigkeit einer solchen Studie, „da teilweise Jahrzehnte verstreichen, bis sich die Optionen für einzelne Energieträger mit Hilfe entsprechender energiepolitischer Strategien am Energiemarkt niederschlagen“ und „weil immense Mittel in Entwicklungen investiert werden, die sich kaum mehr rückgängig machen lassen“. Somit scheinen derartige Untersuchungen gerechtfertigt, mögen ihre Ergebnisse auch Widersprüche auslösen.

Was sagt nun die BP-Studie über den Energiebedarf beziehungsweise über die Energieversorgung Österreichs im Jahr 2000? Zunächst wird darin eine weiter zunehmende Produktionstätigkeit erwartet, allerdings mit sinkenden Steigerungsraten, wobei Langzeitprodukte und Recycling eine Rolle spielen. Das Bruttosozialprodukt dürfte durchschnittlich um zirka 3 Prozent pro Jahr wachsen, wegen des Trends zur Automation und Rationalisierung prognostiziert man einen entsprechend höheren Energiebedarf. Aus verschiedenen Gründen, nicht zuletzt aus einem ausgeprägteren Energiekostendenken, wird eine Steigerungsrate des Energieverbrauchs unter jener des Produktionswachstums erwartet.

Bei den Verbrauchssektoren - die Studie unterscheidet hier zwischen Haushalte/Kleinverbrauch, Industrie und Verkehr - kommt man zu dem Schluß, daß sich der .Energieverbrauch im Sektor Haushalte/Kleinverbrauch bis zur Jahrtausendwende verdoppeln wird, während die Industrie dafür fast fünf Jahre und der Verkehrsbereich etwa zwölf Jahre mehr benötigen werden. Der Anteil am Gesamtenergieverbrauch wird daher beim Sektor Haushalte/Kleinverbrauch für das Jahr 2000 auf 49 statt derzeit 43 Prozent geschätzt, während man bei der Industrie einen Rückgang von 37 auf 33 Prozent und beim Verkehr von 20 auf 18 Prozent schätzt.

Daß sich der für den Bereich Haushalte/Kleinverbrauch mit derzeit 10,7 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (SKE) angegebene Energiebedarf pro Jahr um durchschnittlich 3,2 Prozent steigern und im Jahr 2000 die heute gigantisch anmutende Zahl von fast 22 Millionen Tonnen SKE betragen wird, scheint eher fraglich. Denn da ist etwa von „einer nahezu stagnierenden Bevölkerung“ die Rede, was nur unter der Voraussetzung stimmt, daß der gegenwärtige Geburtenrückgang überwunden wird, ein „weiter gleichgewichtig wachsendes Einkommen“ soll zur Verfügung stehen, was man hoffen, aber nicht garantieren kann, und außerdem will man „ohne einschneidende Beschränkung der Konsumfreiheit“ und „ohne spürbaren Komfortverzicht“ auskommen. Gleichzeitig wird betont, daß allen Prognosedaten bereits eine rationellere Energieverwendung zugrunde liegt, die durch diverse Maßnahmen gefördert werden soll, „nicht zuletzt durch das gute Beispiel im staatlichen Bereich“.

Die Verbrauchssteigerung beruht in erster Linie auf dem Nachholbedarf bei der Wohnungsausstattung (Heizungen, Waschmaschinen, Küchen-und Unterhaltungsgeräte) und auf dem Freizeit- und Hobbysektor. Die Studie verschweigt“ nicht, daß verschiedenste Möglichkeiten der Bedarfsdämpfung (etwa Energietarife, durch Bauordnungen erzwungene Verbesserungen der Wärmedämmung und dergleichen) genützt werden müssen.

Auf den Sektoren Industrie und Verkehr rechnet man mit einer jährlichen Steigerung von etwa 2,3 Prozent (Industrie) beziehungsweise 2 Prozent (Verkehr) bis zum Jahr 2000, wobei zu befürchten ist, „daß der Hang zum In-dividualverkehr und die noch nicht erreichte Sättigungsgrenze den Pkw-Bestand weiter anwachsen lassen“. In absoluten Zahlen erwartet die Studie für die Jahrtausendwende einen Endenergieverbrauch von 44,2 Millionen Tonnen SKE gegenüber 23,0 Millionen im Jahr 1975 und 24,1 Millionen im Jahr 1976. Der dreiprozen-tige Rückgang im Energieverbrauch, der für das Jahr 1977 - vor allem durch geringeren Heizölverbrauch - zu konstatieren war, widerspricht allerdings der im Sommer 1977 veröffentlichten BP-Studie, die bis zum Jahr 1980 Zuwachsraten von 3,5 Prozent pro Jahr, bis zum Jahr 2000 aber jährliche Zuwachsraten von durchschnittlich 2,5 Prozent prognostiziert.

Differenziert man nach Energieträgern, so wird erwartet, daß vor allem Strom und Gas größere Marktanteile gewinnen. Hatten 1975 beide noch jeweils rund 14 Prozent Anteil am gesamten Endverbrauch, so werden diese Anteile bei Gas auf 27 Prozent und bei Strom auf 23 Prozent bis zur Jahrtausendwende steigen. Bei den festen Brennstoffen (jetzt 17, dann voraussichtlich 7 Prozent) und bei der ölproduktion (jetzt 53, dann nur mehr 38 Prozent) scheint ein deutlicher Rückgang unausbleiblich. Die bisher kaum genutzte Wärme von Sonne, Luft, Bodenschichten und Gewässern, besonders aber von Kraftwerken und Industriebetrieben (Abwärme) sollte sich anteilsmäßig auf 4 bis 5 Prozent steigern lassen.

Wie beim Endverbrauch sind auch beim Primärverbrauch Verschiebungen in der Energieträgerstruktur zu beobachten. Die Studie stellt einen Wandel von festen zu flüssigen Energieträgern fest, dem nun ein Trend zu gasförmigen Energieträgern und zum Kernstrom folgt. Allerdings ist man so vorsichtig, die für die Zeit nach 1990 veröffentlichten Daten „weniger als gesicherte Prognosewerte, denn als quantifizierte Entwicklungslinien und Tendenzen“ zu bezeichnen. Die Experten sind sich einig, daß auf dem ölmarkt Angebotslücken entstehen werden, daß beim Erdgas die höchsten Verbrauchssteigerungsraten aller Energieträger zu erwarten sind, daß der Anteü der Kohle am Primärenergieverbrauch von rund 15 auf 10 Prozent schrumpfen wird, daß das Wasserkräftepotential voll ausgeschöpft werden muß. Auf die Kernkraft zu verzichten, hält die Studie für unmöglich. Sie nimmt daher eine Inbetriebnahme von Zwentendorf für 1980, eines weiteren Kernkraftwerkes für „nach 1990“ und eines dritten zur Jahrtausendwende an. Holz und alternativen Energieträgern (etwa Sonnenenergie oder Wasserpumpen) räumt man einen geringeren Anteil ein, einen nennenswerten Beitrag erhofft man dagegen von der Abwärme.

Betrachtet man die Anteile der einzelnen Energieträger, die für das Jahr 2000 prognostiziert werden, ergibt sich folgendes Bild: öl 32,3 Prozent; Erdgas 24,9 Prozent; Wasserkraft 20,1 Prozent; Kernenergie 8,7 Prozent; Kohle 10 Prozent; Sonstige (etwa Holz, Müll, Sonne) 4 Prozent. Bedauerlich die vorhergesagte Importabhängigkeit von 68 Prozent gegenüber derzeit 54 Prozent (selbst bei einer Wertung des Kernbrennstoffes als Inlandsenergie noch 59 Prozent).

Daß die BP-Studie auf dem Tisch liegt, ist trotz aller Bedenken erfreulich. Für jene, bei denen die Bedenken überwiegen, gilt ein Wort von Johann Nestroy, mit dem er in den „Früheren Verhältnissen“ eine Hauptfigur eine chemische Analyse kommentieren läßt: „Wer daran zweifelt, dem bleibt es unbenommen, seine eigenen Untersuchungen zu machen.“

Die Studie BP 2000 ist im Pressereferat der BP-AiLStria AG, Schwarzenbergplatz 13,1041 Wien, erhältlich.

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