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Ölvorräte schon zu 82 Prozent gefördert

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Der A ugust 1980 ist für die österreichische Erdöl- und Erdgaswirtschaft ein Jubiläumsmonat: Vor fünfzig Jahren wurde das erste öl gefördert. Und vor 25 Jahren, am 13. August 1955, wurden nach dem Staatsvertrag die Betriebe der Sowjetischen (Besatzungs-)Mineralölverwaltung (SMV) an Österreich übergeben.

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Der A ugust 1980 ist für die österreichische Erdöl- und Erdgaswirtschaft ein Jubiläumsmonat: Vor fünfzig Jahren wurde das erste öl gefördert. Und vor 25 Jahren, am 13. August 1955, wurden nach dem Staatsvertrag die Betriebe der Sowjetischen (Besatzungs-)Mineralölverwaltung (SMV) an Österreich übergeben.

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Am 30. August 1930 förderte die Gewerkschaft Raky - Danubia (der deutsche Unternehmer Dr. Anton Raky) westlich von Zistersdorf in Niederösterreich durch die Bohrung Baumgarten 1 A aus 729 m Tiefe „in beachtlicher Menge" das erste öl für Österreich. Nach einer Ausbeute von 4,6 Tonnen wurde die Gewinnung zunächst als unwirtschaftlich eingestellt; 1936 vertiefte man jedoch die Sonde, sodaß die Förderung bis zur endgültigen Ver-füllung insgesamt 590 Tonnen Rohöl ergeben hatte.

Zu einer wirtschaftlichen ölgewin-nung kam es erst, als am 21. August

1934 die Erdölproduktionsgesellschaft mbH (EPG, finanziert durch Schweizer Kredite) mit der Bohrung „Gösting 2" in 926 m Tiefe, bei etwa 30 Tonnen Rohöl pro Tag, fündig wurde. Die damals einsetzende Erdölzukunft auf dem Hoheitsgebiet des heutigen Österreich war aber wesentlich durch eine Kartierung des Wiener Beckens und des Marchfeldes verbreitet worden, die der geniale Pionier Karl Fried! 1923 und 1926 im Auftrag der Vacuum Oil Company (heute Mobil Oil) durchgeführt hatte.

Als Wegbahner müssen aber ebenso Friedrich Musil und Bergrat H. Vetters genannt werden, die bereits 1915 ihre Erfahrungen aus dem damals feindbesetzten Galizien im Raum Neusiedl an der Zaya nutzten. Unter den Promotoren der Erdölindustrie sollte ferner ab

1935 auch der Engländer, später Kanadier, Richard Keith van Sickte genannt werden, geboren und aufgewachsen in der rumänischen Erdölprovinz Plo-jeschti.

Vor 25 Jahren, nach Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags am 15. Mai 1955, wurden am 13. August die Betriebe der Sowjetischen Mineralölverwaltung (SMV) an Österreich übergeben. So konnte ab Februar 1956 die neu gegründete österreichische Mineralölverwaltung (ÖMV AG) ihre Arbeit aufnehmen.

In einem Rückblick anläßlich der beiden Erdöljubiläen macht ÖMV-Ge-neraldirektor Ludwig Bauer, er ist auch Vorsteher des Fachverbandes der Ölindustrie in Österreich, auch einen nicht unerfreulichen Ausblick: „Aber wieder hat eine neue Periode begonnen, die Periode der OPEC und ihrer Macht, welche über einen guten Teil des Welterdöls und seiner Preise entscheidet. Da-

her sind die österreichischen Erdölschätze, wenn sie den Bedarf auch bei weitem nicht decken können, auch eine gewisse Beruhigung Tür Zeiten der Not."

Der für die Gewinnung zuständige technische Direktorder ÖMV, Universitätsprofessor Leo Mackowski, gleichzeitig Präsident der österreichischen Gesellschaft für Erdölwissenschaften, kann nicht ohne Stolz Erfolgsbilanz le-

gen: „In den letzten 50 Jahren sind in Österreich insgesamt 160 Millionen Tonnen Erdölprodukte verbraucht worden, wovon 86 Millionen Tonnen, das sind rund 54 Prozent aus inländischem Rohöl stammten. Im gleichen Zeitraum sind 69 Milliarden Kubikmeter Erdgas dem Energiemarkt zugeführt worden, wobei 48 Milliarden Kubikmeter also fast 70 Prozent aus österreichischen Lagerstätten produziert wurden."

Zwar stehe Österreich in der Weltrangliste der Erdölproduzenten erst an 47. Stelle, doch sei der ökonomische Rang der Kohlenwasserstoffe im Inland unbestritten, erreichte doch z. B. 1979 der Produktionswert sämtlicher Erdölerzeugnisse rund 30,1 Milliarden Schilling.

Die größte Raffinerie Mitteleuropas mit einer Durchsatzkapazität von 14 Millionen Jahrestonnen in Schwechat dient zugleich auch der Lohnverarbeitung für die internationalen, in Österreich integrierten Gesellschaften, die „Multis". Österreich braucht übrigens auch einen Vergleich mit führenden Ländern in allen Sparten der Erdöltechnologie nicht zu scheuen.

Was aber läßt sich für die nächste und spätere Zukunft erwarten? 1979 betrug die Aufbringung an Mineralölerzeugnissen 11,85 Millionen Tonnen, davon 81,8 Prozent Einfuhren und 18,2 Prozent Eigenförderung. Die Verbrauchssteigerung erreichte gegenüber 1978 bloß 2,6 Prozent. Die inländische Erdölgewinnung erreichte 1,72 Millio-

nen Tonnen, das sind nur 47 Prozent der Förderung des Jahres 1955.

Die österreichische Gesamtproduktion an Naturgas für 1979 wurde mit über 2,22 Milliarden Kubikmetern ausgewiesen und deckte etwas weniger als die Hälfte des Bedarfs.

Auf welche inländische Reserven stützt sich nun Österreichs Erdöl- und Erdgaswirtschaft? Die Endausbeute der insgesamt förderbaren Mengen errechnen sich bei Erdöl mit 105 Millionen Tonnen, wovon allerdings rund 82 Prozent bereits gefördert sind: bei Erdgas (ohne Erdölbegleitgas) mit etwa 44 Milliarden Kubikmeter, wovon etwa 75 Prozent ebenfalls schon gefördert sind.

Man wird also die einheimischen Vorräte an Erdöl und Erdgas mit sin-

kenden Ausbeuten bis zu 20 Jahren „strecken" können und mit diesen Schätzen im eigenen Boden tunlichst haushalten.

Modernste primäre, sekundäre, „tertiäre" Fördermethoden sollen den heutigen Endausbeutefaktor von etwa 33 Prozent (fast 70 Prozent der Ölvorkommen bleiben also bis jetzt endgültig im Boden) mittelfristig auf vielleicht 40 Prozent steigern helfen.

Die hohen öl- und Gaspreise gestatten heute Aufsuchungs- und Förderkosten, die vor dem Ölpreis-Schock 1973 einfach unwirtschaftlich waren. So nähern sich allein im Inland die jährlichen Aufschließungskosten der Milliardengrenze.

Werden aber die hoch gehaltenen Preise für Erdöl und Erdgas nicht doch sinken? Von kurzfristigen Schwankungen abgesehen, wird dieser Preisauftrieb anhalten, bis der Barrelpreis Rohöl (158,9 Liter) zwischen 40 und 50 Dollar liegt und die bisherige bloß verbale Substitution von öl und Gas durch Kohle Tatsache wird.

Vergessen sollte man aber auch nicht, daß heute sämtliche Energiekonzepte in West und Ost Provisorien sind und unter dem unerbittlichen Zwang technischer, organisatorischer, ökonomischer Innovation und Umstrukturierung stehen. Der Verzicht auf dieses Provisorium aber ist nicht möglich, will man das Jahr 2000 ohne allzu arge Einbußen in der Lebenshaltung und Leistung erreichen und überdauern.

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