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Der Donauhandel steigt

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Der Ausbau des Handels mit den anderen fünf Donauländern — Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien und der Tschechoslowakei — gehört zweifellos zu den aktuellen Aufgaben der österreichischen Handelspolitik. Nach dieser Richtung weisen nicht nur die Vergangenheit und die Kenntnisse der lokalen Verhältnisse, sondern auch die geographische Lage und das vitale Interesse der Vertragspartner, die ihre Kontakte mit Wien und Österreich nach Maßgabe der bestehenden Möglichkeiten sogar sehr rasch entwik-keln möchten, vor allem jedoch die kurzen Transportstrecken, die österreich im Vergleich zu allen Staaten des Westens einen gewaltigen Vorsprung sichern. Seit Unterzeichnung des Staatsvertrags hat Österreich nicht umsonst zwölf Jahre Mühen und Geduld aufgebracht, um den Augenblick abzuwarten, an dem die Volksdemokratien an der Donau eine größere Bewegungsfreiheit gewinnen.

Allerdings sei zugegeben, daß Tirol, Salzburg und Vorarlberg dem Donauhandel vorerst noch wenig Interesse entgegenbringen, weil andere Märkte schneller und leichter zu erreichen sind. Aber man kann die Handelspolitik, die eine Einheit darstellt, nicht nach den Sonderinteressen vereinzelter Länder orientieren. Um den Ausbau der Kontakte zu beschleunigen, wurde im laufenden Jahr der kulturpolitische Sektor in suggestiver Weise mit Erfolg ins Blickfeld gerückt, um das Interesse des Publikums zu wek-ken. Doch spricht die Handelsstatistik für sich selbst: Schon im Jahre 1966 erreichte das Volumen unseres Donauhandels 8,41 Milliarden Schilling (-|- 10 Prozent) mit einem Exportüberschuß von 554 Millionen Schilling.

Die Gegner des Osthandels, die mit den verschiedensten Argumenten operieren, führen vor allem die Überlegung ins Feld, daß der Osthandel kein echter Tauschhandel sei und die Zahlungsfähigkeit Osteuropas begrenzt bleibe, weil die in Österreich benötigten Güter nur in einem sehr beschränkten Umfang geliefert werden könnten. Die Entwicklung der eigenen Exporte werde daher durch die geringe Leistungsfähigkeit Osteuropas gehemmt, so daß Illusionen nicht am Platze seien.

Bisher waren diese Einwände zutreffend, aber nach der eingetretenen Individualisierung sind die meisten Oststaaten immer mehr auf Importe angewiesen, ein natürlicher Prozeß, der sich gerade an der unteren Donau schon weitgehend durchgesetzt hat. Für Österreich sind die Donauländer wiederum ein Sonderfall! Natürlich figurieren unter den Importen Österreichs (siehe Tabelle A) chemische Produkte, NEMetalle, Maschinen, Pflanzenöl und Automobile in den untersten Rängen, während Getreide und Mineralölprodukte noch immer an der Spitze stehen. Bei schlechten Ernten sucht der Ostblock stets Zuflucht bei Koks, Rohöl, Eiern, Gemüse und Pflanzenöl. Aber in zwölf Monaten des Vorjahres waren gerade die Donauländer trotz allem in der Lage. Getreide im Werte von 427,9 Millionen Schilling, Rohöl und Erdölprodukte in Höhe von 528,3 Millionen Schilling zu liefern, zuletzt sogar mit lebenden Tieren auszuhelfen. Es wurden nämlich 237.784 Schweine eingeführt (307,3 Millionen Schilling, -\- 413 Prozent), vorwiegend aus Ungarn und Bulgarien. Zweifellos sind die Agrarimporte aus den Donauländern entwicklungsfähig, obwohl dank der ausgezeichneten Ernte Österreichs im Augenblick die Nachfrage nach Getreide stark gesunken ist. Manche Thesen der vergangenen zwanzig Jahre sind heute gewiß teilweise überholt.

Die Exporte nach den fünf Donauländern (siehe Tabelle B) haben von Jänner bis März, gemessen an der analogen Zeitspanne des Vorjahres, eine Erhöhung um 30 Prozent auf 1,34 Milliarden Schilling erfahren, eine außerordentliche Zunahme, die als positives Symptom für die künftige Entwicklung angesehen werden darf.

Wie immer sind Vergleiche mit anderen Bestimmungsländern notwendig, um die richtigen Relationen zu finden. Jedenfalls waren von Jänner bis März die Exporte nach den Donauländern größer als nach Italien, im einzelnen außerdem die österreichischen Lieferungen nach Jugoslawien, Ungarn oder Bulgarien sogar höher als nach Frankreich. Auf diese Weise erreichte der Donauexport 13 Prozent der Gesamtexporte. Nach der Staatenordnung wurde die Expansion jedoch ausschließlich von Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien getragen. Ungarn und die Tschechoslowakei waren rückläufig.

Natürlich unterliegt die Rangordnung der Bestimmungsländer ständig verschiedenen Schwankungen, ebenso wie die individuellen Tendenzen oft dem Diktat der Verkehrslage und dem Wechsel der Jahreszeiten unterworfen sind.

Diese Erfahrung fand eine Bestätigung in der Warenordnung. Österreich verdankt die Erhöhung der Exporte bei Eisen, Stahl und Maschinen, aber auch bei Metaliwaren und NE-Metallen vor allem Bulgarien und Rumänien, bei Zellulose und Verkehrsmitteln, Textilien und elektrischen Apparaten dagegen Jugoslawien. Holz blieb stabil, obwohl die Exporte nach Ungarn auf Kosten Jugoslawiens und der Tschechoslowakei zunahmen. Die Abschwä-chung bei Papier war wieder auf einen kräftigen Rückfall in Ungarn zurückzuführen, der allerdings durch höhere Bezüge der Tschechoslowakei gemildert werden konnte. Rückläufig waren ferner Leder, Spinnstoffe und Kautschukwaren. Unter den chemischen Produkten erlitten Grundstoffe und Verbindungen empfindliche Verluste, hervorgerufen durch einen schlechten Absatz in Ungarn, während Kunststoffe (-f- 57 Prozent) auf der ganzen Linie erfolgreich blieben, so daß zweifellos eine Umgruppierung im Gange ist, ähnlich wie im Sektor der NE-Metalle, bei dem sich das Schwergewicht von Aluminium auf Kupfer verlegt hat, besonders nach der Konjunktur für Kupferfolien sowie Röhren und Stangen aus Messing.

Die neue Entwicklung kam nicht unerwartet. Schon im Jahre 1966 haben die Donauexporte, verglichen mit dem vorangegangenen Jahr, sehr gut abgeschnitten. Warengruppen, die sich einer verstärkten Nachfrage erfreuten, traten von Monat zu Monat deutlicher in den Vordergrund. Hohe Zuwachsraten buchten etwa Eisen und Stahl (953,1 Millionen Schilling, -|- 23 Prozent), Textilien (+ 33 Prozent) und NE-Metalle (+ 46 Prozent), während die Expansion der chemischen Produkte (900,8 Millionen Schilling, + 9 Prozent) gleichmäßig verlief, obwohl schon damals Farben und Kunststoffe als treibende Kräfte auftraten. Kleine Verluste erlitten im Vorjahr nur Holz, Magnesit und Zellulose. Abgesehen von den schädlichen Rückwirkungen, die alle ernsten politischen Konflikte zwangsläufig mit sich bringen, verläuft die Entwicklung des Außenhandels niemals sprunghaft,sondern Schritt für Schritt in kürzeren und längeren Etappen.

Sofern Handel und Industrie überhaupt entschlossen sind, die bestehenden und neuerdings auftauchenden Chancen rasch auszunützen, können schon zum Voraus einigermaßen sichere Prognosen berechnet Werden Im Rahmen des Ostblocks, dessen starre Dogmen in der Vergangenheit stets die größten Schwierigkeiten verursacht haben, suchen Bulgarien und Rumänien, sichtlich beeinflußt durch die freiere Handelspolitik Jugoslawiens, neue Wege, um eine Verbesserung ihres Güteraustausches zu erwirken, ein Plan, dessen Realisierung mit Hilfe der vermehrten valutarischen Eingänge aus dem Fremdenverkehr gewiß erleichtert wird. Sofia und Bukarest haben den alten Grundsatz durchbrochen, wonach sich Importe und Exporte unbedingt im Gleichgewicht befinden müßten.

Der offizielle Besuch des Bundeskanzlers Dr. Josef Klaus in Bukarest, der sich den Fahrten nach Belgrad und Budapest anschließt, ist von außerordentlicher Bedeutung, weil zwischen Österreich und Rumänien niemals ernste politische Differenzen bestanden haben. Die Beziehungen sind in keiner Weise durch Ressentiments belastet. Außerdem war Österreich, ohne Unterschied der einzelnen Regime, in Rumänien stets sehr populär. Im Gegensatz zu anderen Donauländern führen von Bukarest auch alle Wege nach dem Westen zwangsläufig über Wien, das leider seit jeher den Fehler beging, die latenten wirtschaftlichen Kräfte Rumäniens und die für den Export bestehenden zahlreichen Möglichkeiten zu unterschätzen. Der Blick nach Bukarest wurde eben durch Ungarn behindert, dessen Revisionismus die Erste Republik oft zu einseitigen Urteilen im unglücklichen Streit um Siebenbürgen verleitet hatte. Heute bestehen keine Zweifel, daß die Exporte nach Rumänien große Chancen besitzen, sofern man sie ernsthaft und auf lange Frist ausbauen will, wie es eine selbständige Handelspolitik gegenüber den Donauländern erfordert.

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