6533063-1946_02_09.jpg
Digital In Arbeit

Wirtschaftspolitik in Kriegsdiensten

19451960198020002020

Im nachfolgenden soll der Versuch unternommen werden, die Richtlinien und Ergebnisse der seit dem Jahre 1933 in Gang gebrachten Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches gegenüber dem Südosten aufzuzeigen, einer Politik, die, auf große Ziele eingestellt, sich bald in den Rüstungsplan der Hitler-Regierung einpaßte

19451960198020002020

Im nachfolgenden soll der Versuch unternommen werden, die Richtlinien und Ergebnisse der seit dem Jahre 1933 in Gang gebrachten Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches gegenüber dem Südosten aufzuzeigen, einer Politik, die, auf große Ziele eingestellt, sich bald in den Rüstungsplan der Hitler-Regierung einpaßte

Werbung
Werbung
Werbung

Dfe Friedensverträge des Jahres 1919 hatten für das Deutsche Reich fast die gänzlichen Einbußen seiner Kapitalinteresscn in Südosteuropa gebracht, also vornehmlich der Beteiligungen an der rumänischen Petroleumindustrie. Und noch eine andere handelspolitische Wirkung hatte der erste Weltkrieg: Die völlige Umorientierung fast aller Nachfolgestaaten in der Richtung nach Westeuropa. Allen Südoststaaten war dabei ein ganz außerordentlicher Kapitalsbedarf zu eigen, zumal aus ihrem Bestreben, eine verstärkte Industrialisierung des eigenen Landes einzuleiten. Ein sehr ansehnlicher Prozentsatz dieser überstürzten Investionen erwies sich mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise als absolute Fehlinvestition und rief den Zusammenbruch einer ganzen Reihe von Banken und dem Zwang zu langterminierten Moratorien hervor. Jede Wirtschaftskonjunktur sackte buchstäblich über Nacht in sich zusammen und das war um so verhängnisvoller, als gleichzeitig mit der Krise ein rasches Absinken aller Agrarpreise einsetzte, so daß das Chaos von den Banken sehr bald auf die Landwirtschaft übergriff. Der südosteuropäische Bauer blieb auf seiner Ware einfach sitzen. Mit den Dumping-Preisen für kanadischen und argentinischen Weizen konnte weder der rumänische noch jugoslawische Grundbesitzer konkurrieren.

Die Verdrängung der Westmächte

In dieser mehr als düsteren Lage mußte jeder Ausweg als hochwillkommen erscheinen. Er schien sich zu zeigen, als im Jahre 1933 deutsche Delegierte zunächst in Belgrad erschienen und dort Vorschläge für einen Handelsvertrag ganz neuer Art unterbreiteten. Die Vorschläge waren entsprechend dem „Neuen Plan“ Dr. Schachts auf dem Grundsatz der Clearingssystems, also auf dem Gegenseitigkeitsprinzip im zwischenstaatlichen Warenverkehr aufgebaut. Berlin erklärte sich bereit, für einzelne Südostgüter, vornehmlich für Getreide Preise zu bezahlen, die über der Weltparität lagen, ein Angebot, das seine Wirkung auf die bäuerlichen Produzenten und Großhändler in Jugoslawien nicht verfehlte. In den folgenden Monaten machte das Belgrader Abkommen im übrigen Südosteuropa sehr rasch Schule. Man war sozusagen über Nacht vom Weltmarkt mit seinen schlechten Preisen unabhängig geworden. Aber man begab sich gleichzeitig in die Abhängigkeit von einem nicht bloß kommerzielle, sondern auch politische Ziele verfolgenden neuen Partner. Für den ersten Augenblick boten die Clearingverträge mit Berlin entschiedene Vorteile: Es hob sich ganz allgemein die Kaufkraft der bäuerlichen Bevölkerung, und im Zusammenhang damit vollzog sich auch in den anderen Sektoren der Wirtschaft der Südoststaaten eine günstige Wendung. Deutschland war bereit,Waren abzunehmen, für die man in Westeuropa überhaupt kein Interesse zeigte, so bulgarische Trauben, bulgarischen Tabak, Sojabohnen und Heilpflanzen. Und das Reich bezahlte prompt und gewährte bei seinen Lieferungen von Maschinen auegedehnte Kredite. So verlagerte sich der Außenhandel Südosteuropas rasch in der Richtung nach Deutschland. Das Reich wurde zum wichtigsten Handelspartner des ganzen G e b i e-ttsvonderRaabbiszumSchwar zen Meer und von den Karpaten bis zur Adria.

Die folgenden Zahlen geben hierüber Aufschluß:

Deutscher Außenhandel mit dem Südosten

1933 1934 1935 1936 1937

Einfuhr aus: Mill. RM.

Bulgarien 31,3 33,7 41,4 57,6 75,8

Griechenland 53,4 55,2 58,5 68,4 76,4

Jugoslawien 33,5 36,3 61,4 75,2 132,2

Rumänien 46,1 59,0 79,9 92,3 149,5

Ungarn 34,2 63,9 77,9 93,4 114,1

Ausfuhr nach:

Bulgarien 17,7 19,3 39,9 47,6 68,2

Griechenland 18,7 29,3 49,1 63,9 113,1

Jugoslawien 33,8 31,5 36,9 77,2 134,4

Rumänien 46,0 50,9 63,8 108,6 129,5

Ungarn 38,1 39,6 62,9 83,0 110,5

Von den bulgarischen Ausfuhren waren 90 Prozent Nahrungs- und Genußmittel und zirka 9 Prozent industrielle Rohstoffe. Bei Griechenland entfielen 74 Prozent auf Nahrungs- und Genußmittel und 20 Prozent auf Rohstoffe. Bei Ungarn ergab sich ein ähnliches Verhältnis, während bei Jugoslawien und Rumänien die auf Rohstoffe und Halbwaren entfallenden Quoten wesentlich größer waren. Von deutscher Seite wurden vornehmlich Industrieprodukte geliefert. Dabei stellten sich jedoch Schwierigkeiten ein, weil auf den südosteuropäischen Märkten die bescheidene Lebenshaltung de größten Teils der Balkanbevölkerung nicht immer genügend Abnehmer für deutsche Erzeugnisse finden ließ. Der Bedarf an Schreibmaschinen, Photoapparaten und Fahr* rädern war bald gedeckt. Trotzdem mußt aber Deutschland seine Ausfuhr nach dem Balkan ausweiten, koste es, was es wolle, denn sonst drohte ihm die Gefahr, daß die von dort benötigten Zufuhren von dort eine Verminderung erfahren. In dieser Lage wußten die deutschen Unterhändler ihre Balkanpartner zu überzeugen, daß sie nichts Besseres tun könnten, als ihre Heere-ausrüstung zu verbessern und — aufzurüsten. Man setzte also die künftigen Kriegsteilnehmer und erhofften Verbündeten mit deutschen Lieferungen in den SatteL Aber zwei wichtige Hindernisse begannen den Weg zu verstellen: Der Wille der Regierungen in Bukarest und Belgrad, ein gewisses Maß von handelspolitischer Freiheit gegenüber dem Reich sich zu wahren, wobei Erdöl und Erze als allgemein begehrte und dabei freie Devisen einbringende Ausfuhrgüter eine besondere Rolle spielen mußten, und zweitens die stark Verflechtung der rumänischen Petroleumindustrie und des jugoslawischen Bergbaue* mit dem westeuropäischen Kapital.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung