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Randhemerkungen zur woche

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SECHS WESTEUROPÄISCHE STAATEN haben im Uhrensaal des Quai d'Orsay den Schuman-Plan unterzeichnet, der mit so viel Hoffnungen begrüßt, einen solchen Leidensweg an Hindernissen durchmachen mußte, daß er mehr als einmal zu einer schönen, aber vergeblichen Geste zu erstarren drohte. Unter den beim Abschluß Anwesenden fiel Westdeutschland, unter den Abwesenden Großbritannien auf. Es ist also ein rein kontinentales Abkommen aus ihm geworden, und man sieht Westdeutschlands Unterschrift lieber unter diesem konstruktiven Pakt als unter einer Abmachung über europäische Aufrüstungsfragen. England — halb europäische, halb Weltmacht — hat durch seine klare Distanzierung der Sache gewiß einen größeren Dienst geleistet als durch eine gehemmte Zusage. Die Ratifikation der Parlamente steht noch aus, manche Vorfrage wird noch einvernehmlich zu lösen sein. Aber der Schuman-Plan ist schon heute der erste konkrete und konstruktive, über die Staatengrenzen hinausreichende und hinausweisende Pakt europäischer Einigung, der die Souveränität und die Interessen der kontinentalen Gesamtheit jener der Teilhaber überordnet. Ein revolutionärer Akt, erster Schritt hoffentlich auf einer Bahn der Kräftesammlung und Zusammenarbeit. Der Vorschlag, seine Zentrale in Lüttich zu errichten, unterstreicht, daß die drei teilhabenden Großmächte Frankreich, Italien und Deutschland zu einer ausgewogenen Parität gefunden haben. *

IN DER FRAGE DER WIRTSCHAFTSLENKUNGSGESETZE ist es nun doch zu einer Einigung zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der Arbeiterkammer über das Außenhandelsverkehrsgesetz gekommen, so daß mit der Annahme sämtlicher fünf Lenkungsgesetze in der nächsten Nationalratssitzung gerechnet wird. Die lange Diskussion um diese Gesetze und wirschaftslenkenden Maßnahmen nach dem Ausbruch des Koreakrieges hat sich als nicht günstig für die österreichische Wirtschaft erwiesen. Die Folge — verursacht durch den allgemeinen Rüstungsauitrieb — ist eine bedenkliche Rohstoffverknappung durch übermäßigen Export inländischer und sinkende Einfuhr ausländisclier Rohstoffe. Es hat sich gezeigt, daß in der zweigeteilten Welt von heute die geringste, früher nur als; örtlich zu wertende Krise ihre Ausstrahlungen über den ganzen Globus besitzt und das freie Spiel der Kräfte nicht tragfähig genug ist, um solche Krisen zu überwinden. Der Sog der wirtschaftlich starken Länder laugt in derartigen Fällen unweigerlich die wirtschaftlich Schwachen aus. Die .beabsichtigten Wirtschaftslenkungsgesetze sind daher nichts anderes als ein Schutz der heimischen Substanz gegen einen allgemeinen Ausverkauf. Wer nur wenig Vermögen hat, muß seine Einkünfte und Ausgaben genau einteilen, das ist der Sinn dieser Gesetze. Sie müssen aber voraussichtlich nicht zur Dauereinrichtung werden. Aus internationalen Wirtschaftskreisen verlautet nämlich, daß längstens bis zum Sommer mit einer Überfüllung aller Lager auf der Welt zu rechnen ist, womit der allgemeine Run auf die Rohstoffe ein Ende finden dürfte. Wenn keine politischen Verwicklungen dazwischenkommen, ist also spätestens ab Sommer wieder ein Sinken der Preise und auch ein ausreichendes Warenangebot zu erwarten. Auch aus diesem Grund ist es gut, wenn man jetzt unsere geringen Vorräte etwas schont, denn ein teures Einkaufen im gegenwärtigen Augenblick würde bei einem kommenden Absinken der Preise unersetzliche Verluste mit sich bringen. Die letzten Monate haben wieder gelehrt, daß eine gleichmäßige Vorratswirtschaft vernünftiger und krisenfester ist als eine hektische, dem Augenblicksgewinn unterworfene Denkweise. Die Aufgabe, den zur Zeit recht wilden Strom der Wirtschaft in ruhigere Bahnen zu lenken, werden die neuen Gesetze erfüllen.

DER KOMMUNISTISCHE KIRCHENSTURM IN DER TSCHECHOSLOWAKEI wirbelt ein Gemenge von Nachrichten auf, die so widerspruchsvoll sind, daß die Annahme naheliegt, nicht wenige dieser Meldungen seien erzeugt, um bewußt die Lage unübersichtlich zu machen und das Urteil des Auslandes zu verwirren. Während zum Beispiel eine Meldung besagt, der aus Prag verbannte Erzbischof Dr. Josef Beran sei auf das in Südböhmen gelegene Schloß Roimital, den früheren Besitz der Herren von Rosenberg, verbracht worden und bleib dort konfluiert, aber nicht als Gefangener, berichtete eine über Holland gekommene Meldung, die kirchentreuen Bischöfe Doktor Picha von Königgrätz, der Leitmeritzer Bischof Dr. Trochta seien schweren körperlichen Torturen unterworfen worden, als sie den verlangten Eid auf das kommunistische Regime standhaft verweigerten, und gleich ihnen Dr. Carsky von Kaschau und Dr. Lazik von Tyrnau. Die behaupteten Tatsachen widersprächen der bisherigen Methode des kommunistischen Angriffs, unter dem Schein der Legalität den Organismus der Kirche von innen her auszuhöhlen. Bis ins Komödienhafte reicht die andere Nachricht, daß der exkommunizierte gewesene Professor und im Eilzugstempo zum Domherrn und Administrator der Prager Erzdiözese ernannte Dr. Anton Stehlik den' gleichfalls exkommunizierten Gesundheitsminister Plojhar von seinen kanonischen Strafen befreit habe.

UNTER DEN VERSCHIEDENEN NATIONALEN EMIGRATIONEN AUS. EUROPA behauptet die kroatische durch ihre Ausbreitung eine besondere Stellung. Wie man von kroatischer Seite der „Furche“ mitteilt, haben zwar seit Mai 1945 nur etwa 15.000 Menschen durch den Eisernen Vorhang zu schlüpfen vermocht, aber zusammen mit den vorausgegangenen kroati? sehen Auswanderungen besitzt das kroatische Volkstum in Nordamerika mit rund einer Million und in Südamerika mit rund 200.000 Menschen doch schon ein beachtliches eigenes nationales und kulturelles Leben. Etwa vierzig kroatische Pfarreien und die Blätter „Danica“, „Nada Hrvatska“, „Kriz“, „Sr. Ante“, „Hrvatski Glas“ und „H. A. Glasnik“ sowie ein sich stetig entwickelndes Büchereiwesen geben diesem aus der alten Heimat losgetrennten Volkstum geistig und religiös fundierten Rückhalt. Eine Minderheit ist sozialistisch und liberal orientiert. In Europa, wo die kroatische Emigration leider überall politisch gespalten ist, besitzt sie in Frankreich und Belgien ein Arbeiterblatt und die „Hrvatska Rijec“. In Österreich sammelte sie sich in der caritativen Organisation und unterhält die Zeitung „Hrv. Borac“, in Westdeutschland besitzt sie das Blatt „Ste-pinac“ und eine ganze Reihe von Vereinen. Auch in Spanien besteht eine eigene kleine kroatische Zeitung. Sogar nach Venezuela, Neuseeland, China und Indien wurden kroatische Auswanderer verschlagen. Unendliches Leid, aber auch viel heroische Standhaftigkeit spiegelt diese weithin über die Erde verstreute Emigration wider, deren Schicksale der Erzbischof Dr. S ar ic von Sarajevo, die Politiker Dr. Matsche k, Dr. Krnfevic und Lukasic und Meister Ivan M estr Or v i c teilen. Soweit hin getrennt auch diese Emigration mit wenigen Ausnahmen auftritt, ist ihr in allen ihren Teilen nicht nur die scharfe Ablehnung des Kommunismus und das Bekenntnis zu der kroatischen Staatsidee, sondern auch das Verlangen nach der Donaukonföderation und dem Überbau eines vereinigten Europa eigen. Seine stärkste Stütze findet dieses Volkstum offenkundig in seiner lebendigen religiösen Gläubigkeit.

EIN „GESETZ ÜBER DEN UNTERRICHT IN ÖRTLICHEN SPRACHEN UND DIALEKTEN“ hat das französische Parlament verabschiedet, das die Unterweisung in der bretonischen und in der katalanischen Spräche für die unteren Schulstufen der betreffenden Landschaften fakultativ vorsieht. Diese Entscheidung stellt einen Bruch mit den alten unitarischen Grundsätzen Frankreichs dar. Nicht ganz einfach ist die Frage der örtlichen Abgrenzung dieser Gebiete, die infolge der fortschreitenden Französisierung viel Gelände verloren haben, besonders seit die Französische Revolution — im Gegensatz zur abgelösten Monarchie — die nichtfranzösischen Sprachgruppen planvoll zur Verwendung' der französichen Sprache angehalten und die wechselnden Regierungen des 19. Jahrhunderts den zentralistischen Kurs fortgeführt hatten. Es wird interessant sein, zu beobachten, ob diese neue Entwicklung auch auf andere Provinzen in Frankreich ausgedehnt wird. Im Artois zum Beispiel wird flämisch gesprochen, in den westpyrenäischen Gebieten Navarra und Bearn in Haus, Gesellschaft und Kirche baskisch, auf Korsika eine italienische Mundart, im Elsaß alemannisches „Dütsch“, in Deutsch-Lothringen die moselfränkische Mundart der Luxemburger. Hier wird zur Zeit weder die Mundart noch Hochdeutsch in den Schulen gelehrt. Nur an den oberelsässi-schen Oberschulen steht Deutsch als Fremdsprache fakultativ zur Wahl. Ob das neue Sprachgesetz als Beginn einer neuen Sprachpolitik anzusehen ist, die sich auch auf das Elsaß und Lothringen auswirken wird, muß die Zukunft lehren. Der französische Hohe Kommissär Frangois Poncet hat soeben das Saargebiet als das gegebene Bindeglied zwischen Deutschland und Frankreich bezeichnet. Ähnliches ließe sich auch vom Elsaß sagen.

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