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Resümee eines Staatsbesuches

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Bundeskanzler Dr. Josef Klaus sagte vor ungarischen Journalisten, daß im Verhältnis Österreichs zu Ungarn keine störenden offenen Fragen bestehen, sondern „offene Straßen“ gute Aussichten für eine weitere, intensivere Kooperation böten. Es war im voraus klar, daß während der Visite des ungarischen Ministerpräsidenten Jenö Fock und seiner Expertendelegation günstige Chancen zu konkreten wirtschaftlichen Abmachungen bestanden. Als Ouvertüre war das österreichisch-ungarische Aluminiuni-Kooperationsabkommen anzusehen, das kürzlich während der Budapester Internationalen Messe abgeschlossen werden konnte.

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Bundeskanzler Dr. Josef Klaus sagte vor ungarischen Journalisten, daß im Verhältnis Österreichs zu Ungarn keine störenden offenen Fragen bestehen, sondern „offene Straßen“ gute Aussichten für eine weitere, intensivere Kooperation böten. Es war im voraus klar, daß während der Visite des ungarischen Ministerpräsidenten Jenö Fock und seiner Expertendelegation günstige Chancen zu konkreten wirtschaftlichen Abmachungen bestanden. Als Ouvertüre war das österreichisch-ungarische Aluminiuni-Kooperationsabkommen anzusehen, das kürzlich während der Budapester Internationalen Messe abgeschlossen werden konnte.

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Während der Vorbereitungen des Fock-Besuches haben die Ungarn zweifellos mehr berechnete Ungeduld zur Schau getragen als die Österreicher. Die Budapester Partner haben auf neue Kontrakte gedrängt, so daß der österreichische Handelsminister Mitterer noch vor Beginn der Besprechungen eine Warnung aussprach und darauf hinwies, daß eilig abgeschlossene, nicht gründlich vorbereitete Kooperationskontrakte den Unternehmern eher eine Enttäuschung verursachen würden als eine Zufriedenheit. Mitterer forderte die ungarischen Staatsunternehmen auf, in Österreich eine Marketingarbeit durchzuführen. Umgarischerseits betonte man hingegen, daß dies bereits geschehen sei, infolgedessen sei die ungarische Delegation in der Lage, wohldurchdachte, großangelegte Vorschläge in Wien au unterbreiten. Focks Hauptvorschläge konzentrierten sich auf drei Sektoren, und zwar auf die Aluminiumindustrien, die Holzverarbeitungs- und Erdgasnutzungsindustrien. Dabei wurde auf Österreichs geopolitische zentrale Lag hingewiesen, was man in Wien ohnehin wußte, -daß der österreichische Außenhandel in einem Umkreis von 500 Kilometer die schnellsten und 'besten Resultate seines Außenhandels erhoffen könnte, wobei Erfahrungen aus der Vergangenheit nur förderlich ein würden. Der Warenaustausch zwischen Österreich und Ungarn wird derzeit auf Grund eines langfristigen Handelsabkommens (1. Jänner 1968 bis 31. Dezember 1972) abgewickelt, in dem die Grundsteine für eine dynamischere Weiterentwicklung der Handelsbeziehungen gelegt worden waren. Im November 1968 wurde im Zeichen gegenseitiger Vorteile ein neues Zollabkommen abgeschlossen. Österreich hat für Ungarn die GATT-Zölle garantiert, Ungarn hingegen die meistbegünstigten Zolltarife für Wien gesichert. Parallel damit ging eine gewisse österreichische Liberalisierung der Wa-reneinfuhrllsten in ungarischer Relation. Infolgedessen konnte das höchste Volumen des Handelsverkehrs der letzten 24 Jahre mit 92,3 Millionen voriges Jahr erreicht werden. Der ungarische Export wuchs schneller an als der österreichische. So konnte das seit Jahren konstante ungarische Handels-passivum gegenüber Österreich herabgedrückt werden.

Im ungarischen Export konnten die Kontingente folgender Warensorten erhöht werden: Chemikalien, Eisen-bahnräderpa'are, Traktoren, veredelte Lamm- und Schaffelle, Spe-zialglüihfoimen und Leuchtröhren. Ungarn kann neuerlich beträchtliche Mengen' von Walawaren, Aütobus-tcarosserien, Gläser für Laboratorien und Büromaschinen nach Österreich liefern. Ungarn konnte jedoch die Hindernisse nicht überwinden, die dem Import ungarischer landwirtschaftlicher Produkte im Wege stehen, obwohl Ungarn traditionell viele landwirtschaftlich Erzeugnisse nach Österreich geliefert hatte. Einen großen Prozentsatz der ungarischen Ausfuhr machen Rohstoffe aus, darunter in erster Reihe 25.000 Tonnen Tonerde, Roheisen, Bitumen und last but not least Heizöl, wovon Ungarn im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Tonnen, ungefähr 25 Prozent des gesamten österreichischen Bedarfs, geliefert hat. Die Halbfertigwaren und Erzeugnisse der ungarischen Leichtindustrie sowie die Konsumgüter nahmen einen bescheidenen Platz ein. In der österreichischen Ausfuhr mach Ungarn dominieren bis zu 40 Prozent die Halbfertig- und Fertigprodukte, vor allem Erzeugnisse der Stahlindustrie sowie Papierwaren, darnach folgen Garne, .technische. Platten, synthetische Fasern, und |HQj£\Vdren. Ungarn kauft um mehr, als eine halbe Million Dollar Papierwaren jährlich aus Österreich. 25 Prozent der österreichischen Ausfuhr bestehen aus Kunstdüngern, Magnesit, Chemikalien; Maschinen, Maschinenbestanditeile, Automobil-bestandteile und Instrumente.

Sowohl Wien als auch Budapest kamen zur Überzeugung, daß der Warenaustausch mit traditionellen Methoden kaum mehr weiterentwikkelt werden kann. Man versucht es deshalb mit der Forderung der Industriekooperation. Auf diesem Sektor brachte das Jahr 1968 bemerkenswerte Erfolge: es wurde der erste Steyr-Saurer-Ikarus-Gemein-schaftsautofous hergestellt und eine erfolgreiche Kooperation in der Fabrikation von 100-PS-Traktaren zwischen Steyr und der ungarischen Traktorenfabrik „Roter Stern“ eingeleitet; die Stickstoff werke von Linz begannen mit der ungarischen Viscosafabrik zu Nyergesujfaiu zu kooperieren, das heißt aus österreichischen Grundstoffen in Ungarn Kunstfasern zu erzeugen, deren Massenfabrikation im Jahre 1971 beginnen soll. Die Bezahlung der Rohstoffe erfolgt mit Fertigwaren.

Im November 1968 wurde in Wien eine wirtschaftliche, industrielle und technische Kooperationsvereinba-runig unter Dach gebracht, was unbedingt als ein wichtiger Schritt vorwärts zu betrachten sei. Eine wesentliche Neuerung ist dabei, daß Lieferungen, die auf Grund des Kooperationsabkommen erfolgen werden, die Warenaustauschkontingente nicht belasten. Die entsprechenden Bewilligungen müssen extra ausgestellt werden.

Der Besuch Focks hat wieder einmal bewiesen, daß den Ungarn wesentlich mehr an der Vertiefung und Beschleunigung der Industriekooperation liegt als den Österreichern. Alle kommenden ungarischen kulturellen und wirtschaftlichen Veranstaltungen sind berufen, in diese Richtung zu weisen und zu wirken.

Zwischen 6. und 12. Juni 1969 ha1 die „Ungarische Woche“ in Linz stattgefunden; in deren Rahmen drei ungarische Ausstellungen eröffnel wurden: eine Munkäcsy-Gedächtnis-'ausstellung mit 35 Werken des Meisters, eine Gemäldeausstellung ungarischer naiver Bauerrnmaler und eine moderne Photoausstellurag Gleichzeitig sind sieben ungarisch Filme in Linzier Kinos gelaufen Die Autoren Tibor Dery, Györgj Moldova und Mikläs Hubay haber aus ihren Werken vorgelesen.:

Daß die ungarische Delegation die Idee der von Moskau inspirierter gesamteuropäischen Konferenz ir Wien unterstützte und zur Erörterung vorschlug und die österreichischen Bedenken und die Wienei Jas und Abers geduldig anhörte schien eher 'als eine aufgezwungene Pflicht und Fleißaufgafoe gewesen zu sein, die hinter den Ökonomischer ,Aspekiten eher in den Hintergrunc geriet.

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