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Produzieren in Ungarn

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Viele Produkte der heimischen Industrie sind heute kaum noch gewinnbringend im Inland zu produzieren. Auftragsfertigungen im Ausland, besonders in den sogenannten Niedriglohnländern, gelten daher bei vielen Unternehmungen auch in Österreich als ein günstiger und lohnender Ausweg.

Aber - diese Erfahrungen hat man bereits seit einigen Jahren in der BRD gemacht - die langen Transportwege, die sehr schwierigen Abstimmungen zwischen Produktion, Technik und Verkauf und die damit verbundenen Fernreisen, führten letztlich und gar nicht so selten doch zu erheblichen Verlusten.

Für die mittelständisch ausgerichtete österreichische Industrie, die zumeist Spezialitäten mit kleinen Stückzahlen produziert, und daher auch kaum in der Lage ist, die Vorteile der Niedriglohnproduktion in Anspruch nehmen zu können, scheinen sich jetzt bessere Ausweichmöglichkeiten anzubieten; nämlich: -Geschäftsverbindungen mit ungarischen Firmen. Gegenwärtig verhandeln eine ganze Reihe von österreichischen Firmen mit Ungarn über 90 neue, sogenannte Kooperationsverträge. Mehr als 100 Verträge wurden bereits früher abgeschlossen, wovon etwa 80 noch in Kraft sind.

In erster Linie ist es der österreichische Maschinenbau, der von den Vorteilen, die sich aus den Geschäftsbeziehungen mit ungarischen Firmen anbieten, bisher Gebrauch gemacht hat. Derzeit laufen hier bereits 48 Verträge; zwölf Verträge hat die Chemie abgeschlossen; elf die Lebensmittelindustrie.

Was aber sind nun die Vorteüe? Nun, zuerst einmal ist es natürlich die geographische Nähe. Für Verhandlungen braucht man manchmal nur einen Tag. Hinzu kommt, daß sehr viele ungarische Führungskräfte ein sehr gutes Deutsch sprechen und der Anteil an gut ausgebildeten Technikern und Ingenieuren in diesem Ostland besonders hoch hegt.

Die Lohnkosten in Ungarn liegen ebenfalls noch sehr niedrig. So verdient ein Industriearbeiter - zum offiziellen Kurs gerechnet - etwa 2600 Schilling, ein Facharbeiter 3600, und eine Führungskraft rund 5000 Schilling.

Ungarn ist - wie alle Oststaaten -arm an Devisen. Hier liegt natürlich der Hauptgrund, warum man in diesem Land so enge Beziehungen zu Österreich wünscht. Aber, man braucht auch dringend den Zugang zu dem westlichen Produktions-Know-how. Die starre Ausrichtung auf den Comecon-Markt hat nämlich der eigenen Wirtschaft erheblich geschadet. Jahrelang hat man so die Spielregeln und die Kraft eines echten Wettbewerbs nicht gespürt. Aus eigener Kraft ist daher die ungarische Wirtschaft auf keinen Fall in der Lage, auf den westlichen Märkten zu konkurrieren. Sie braucht also die österreichische Unterstützung.

Doch auch die österreichische Industrie kann bei einer solchen Zusammenarbeit profitieren. Besonders dann, wenn sich jetzt wieder die Konjunktur verbessern sollte.

Nicht selten liefern die Österreicher ihren ungarischen Partnern Maschinen, die sie hier bereits einige Jahre gebraucht haben. Und das gegen gute Bezahlung. Nicht nur, daß sie so in der Lage sind, hier im Inland neu zu investieren, sie können vor allen Dingen so auch die zu geringen Stück-Leistungen dieser veralteten Maschinen mit den günstigeren Stückkosten des Auslandes besser kompensieren.

Doch damit nicht genug: Die Ungarn vertreiben diese Produktionen auch in ihrem eigenen Land, sowie gegen Lizenzgebühren im Comecon. Die Waren, die sie aber zurückliefern, liegen um ca. 30 Prozent unter den eigenen Fertigungskosten der österreichischen Firmen.

Im Comecon ist Ungarn der größte Exportmarkt für unser Land. Im letzten Jahr wurden für 5,4 Milliarden Schilling Waren nach Ungarn geliefert. Ungarn selbst konnte jedoch nur Waren im Werte von 2,6 Müliarden zurückliefern. Auch auf Grund dieses Passivums sind die Ungarn natürlich stark daran interessiert, durch die Gründung von gemischten Firmen oder auch durch eigene Unternehmungen in Österreich, ihre Produktionen besser absetzen zu können. Gemeinsam, so glaubt man auf ungarischer Seite, sei man auf jeden Fall stärker. Dabei spekuliert man natürlich auf „Gegengeschäfte“.

Aber trotz allem kann dennoch für alle Beteiligten eine Zusammenarbeit lohnend sein. So wie viele EG-Länder ihre Produktionen heute in Niedriglohnländer verlegt haben, so bieten sich hier mit Ungarn für die österreichische Industrie große Chancen. Auf jeden Fall sind diese Chancen so lange gegeben, so lange nicht andere westliche Industrieländer uns zuvor kommen.

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