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Hat das Ostgeschäft Chancen?

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Die Sorgen Österreichs mit dem Osthandel sind wohl nicht ganz die gleichen wie die des übrigen Westens, doch sind die Probleme sehr ähnlich.

Wohl ist für die österreichische Wirtschaft, durch die militärische Neutralität bedingt, der Handel kein politisches Druckmittel, und Handelsbeschränkungen oder gar Handelssperren sind für sie wenig interessant. Doch ist auch für sie der Warenaustausch mit dem Ostblock mit großen Schwierigkeiten verbunden, die sich vor allem aus den verschiedenen Wirtschaftssystemen ergeben.

Während hier die freie Marktwirtschaft die Grundlage jedes ökonomischen Denkens ist, herrscht dort die zentrale Verwaltungswirtschaft. Ein System, in dem jede wirtschaftliche Handlung letzten Endes vom Staat angeordnet und durchgeführt wird.

Bei dieser Gelegenheit soll darauf hingewiesen werden, daß Österreich, wenn man es mit der Ost-West-Auseinandersetzung konfrontiert, wirtschaftlich nicht neutral sein kann. Es müßte denn seine ökonomische Ordnung, nämlich die freie Marktwirtschaft, glattweg abschreiben. Und so wird es, dies sei vor allem zur Klärung der Begriffe gesagt, von den Oststaaten auch als wirtschaftlich „kapitalistisches Land“ bezeichnet. Eine Terminologie des Kremls für alle Länder, in welchen Angebot und Nachfrage den Markt beherrschen.

Trotz der Reibungen, die durch die verschiedenen Wirtschaftssysteme gegeben sind, ist ein freundschaftlicher •Handelsverkehr im Prinzip nicht ausgeschlossen. Es besteht derzeit gerade in der Sowjetunion das Bestreben, den Handel mit den „kapitalistischen Staaten“ zu intensivieren.

Bei der letzten COMECON-Tagung In Moskau (COMECON ist die Wirtschaftsorganisation des Ostblocks), die als Generalstabssitzung für den Angriff auf die EWG gedacht war, kam dies deutlich zum Ausdruck. Gestützt auf idie Rede Chruschtschows am 22. Parteitag der KPdSU im Herbst vorigen Jahres, auf dem er den Handel mit dem Westen als Mittel bezeichnete, das sozialistische Endziel zu erreichen. Ob diese Absicht realisierbar ist, soll später aufgezeigt werden.

In diesem Zusammenhang mag erwähnt werden, daß gerade im Fall Österreich, das militärisch neutral ist, besonders günstige psychologische Voraussetzungen für einen intensiven Handel gegeben sind. Doch hat bisher dieser beiderseits gute Wille wenig genützt, da dem Osten letzten Endes die Erfüllung der Wirtschaftspläne immer wieder wichtiger war als irgendwelche emotionelle Regungen.

Es verwundert uns daher nicht, wenn der Handel mit dem Ostblock nur ganz gering ansteigt. Längst ist die Zeit vorbei, da Österreich im Jahre 1937 noch 35,6 Prozent seines Außenhandels mit dem Osten abwickelte. Heute sind es nur noch 12,6 Prozent. Eine seit Jahren nur noch wenig variierende Zahl.

Interessant ist, daß sich gegenwärtig im österreichischen Osthandel ein Strukturwandel bezüglich der Partnerschaft vollzieht. Während vor wenigen Jahren ein Großteil des Wirtschaftsverkehrs mit den Nachfolgestaaten der ehemaligen Donaumonarchie abgewickelt wurde, noch 1958 stand Polen an der Spitze, wurden diese jetzt von der Sowjetunion überflügelt. Dies hat seinen Grund im gelungenen Einbau der Ablöselieferungen aus dem Staatsvertrag an Rußland in den normalen Handelsverkehr. So konnte im Jahre 1961 das Handelsvolumen mit Rußland auf 2,07 Milliarden Schilling erhöht werden, während es vor sechs Jahren, also im Staatsvertragsjahr, lediglich 253,4 Millionen betrug.

Folgende Tabelle soll einen Überblick über die Entwicklung vom Staatsvertragsjahr 1955 bis jetzt geben:

Handel mit den COMECON-Ländern

Wenn man bedenkt, daß das Außenhandelsvolumen Österreichs infolge der günstigen Weltwirtschaftslage allgemein in den letzten Jahren gestiegen ist, so zeigen diese Zahlen, daß im großen und ganzen sein Osthandel nicht expansiv ist. Und dies, obwohl mit allen Oststaaten langfristige Handelsabkommen abgeschlossen wurden. Zuletzt mit Albanien, dem jetzigen Enfant terrible des Ostblocks, das von den COMECON-Beratungen ausgesperrt ist.

In der Regel bleiben die vereinbarten Kontingente zu einem erheblichen Teil unausgenützt. Der Ostapparat arbeitet zu schwerfällig. Dann sind meistens die östlichen Waren in Ausführung und Geschmack den westlichen Ansprüchen nicht genehm. Ein typisches Beispiel hierfür ist der sowjetische Kraft wagenexport. Obwohl die sowjetischen Autos in Österreich schon fast zu Dumpingpreisen angeboten werden, also weit unter dem Weltmarktniveau, finden sie keinen Absatz. Das ist eine herbe Enttäuschung für die sowjetischen Handelsherren. Nach der Spielregel des Ostens darf nur soviel importiert als exportiert werden. Eine anachronistische Wirtschaftsauffassung aus der vorindustriellen Zeit eines Colberts, also eine höchst reaktionäre Praxis.

Wie ist nun die Struktur des österreichischen Osthandels beschaffen? Welche Waren wurden in den letzten drei Jahren importiert?

Der größte Importanstieg zeigt sich bei Mais. Dieses Beispiel beleuchtet auf eine sehr deutliche Art die Schwierigkeiten im Osthandelsgeschäft. Da nämlich die russischen Industriewaren in Österreich nicht ankamen, blieb nichts anderes übrig, als Unmengen von Mais zu importieren, um den vorgesehenen österreichischen Waren den Eintritt nach Rußland zu ermögliahen. Mur so läßt sich erklären, daß in einer Periode, in der die Agrarimporte stark sinken, denn die österreichische landwirtschaftliche Produktion steigt von Tag zu Tag, die Einfuhr eines Agrar-produktes plötzlich sprunghaft ansteigt. Man sieht, wie dieses Kontingentsystem gekünstelt ist.

Welche Waren wurden nun von österreichischer Seite nach dem Osten exportiert?

Eine Analyse der einzelnen Warengruppen, die importiert beziehungsweise exportiert werden, ist deshalb wichtig, weil nur eine gute Streuung verhindert, daß Österreich zu sehr in Abhängigkeit gerät. Wie aus den Aufstellungen hervorgeht, besteht nur eine gewisse Gefahr bei der Energieversorgung, also bei Kohle, Roh- und Heizöl. Da es sich hierbei um Grundstoffe handelt, ist besondere Vorsicht geboten. Doch kann man im Augenblick noch keineswegs von einer Abhängigkeit sprechen.

Beunruhigender wird in der österreichischen Öffentlichkeit empfunden, daß sogenannte kommunistische Tarnfirmen existieren. Es handelt sich hierbei um in Österreich nach österreichischem Recht gegründete Unternehmen, die von den östlichen Außenhandelsmonopolen bei der Geschäftsabwicklung bevorzugt werden oder mit denan ausschließlich der Handel abgewickelt wird. Da diese Praxis aber in den meisten westlichen Ländern gehandhabt wird, stellt sie eine Art Nebenprodukt des Osthandels dar und ist von den jeweiligen Ländern eben im Interesse dieses Handels mit in Kauf zu nehmen. Daß sie aber natürlich nicht handelsfördernd wirkt, ist wohl selbstverständlich.

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