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Österreichs Wirtschaft kämpft

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Zwischen EWG und EFTA

Die künftige Gestaltung des Außenhandels ist ein ernstes Problem, das die gleiche Beachtung verdient wie die weitere Entwicklung des Staatshaushaltes. Der Integrationskonflikt, die Politik des GATT und die Bestrebungen der Vereinigten Staaten, zur Sicherung der Dollarstabilität eine Erhöhung ihrer Exporte nach Europa zu erreichen — das wiederum Opfer für eine großzügige Hilfe an die Entwicklungsländer bringen soll —, bilden heute irrationale Momente und neue Faktoren der Unsicherheit. Gleichzeitig unterliegt Westeuropa der Automati sierung, der Produktionssteigerung uhd einer intensiven Geschäftsprppa- ganda, die zu einer Verzerrung , des realen Bedarfes, einem „falschen Konsum” und einer Korrektur mancher traditionellen ökonomischen Gesetze geführt haben. Der soziale Fortschritt und die erhöhten Staatsausgaben begünstigen chronische Teuerungswellen. Auch die Hochkonjunktur entpuppt sich allmählich als natürliche Folge eines Strukturwandels. Unter diesen Umständen sind besorgte Fragen zu hören, wie lange die Steigerung der wirtschaftlichen Rotation anhalten mag, bis eine Stagnation oder ein Rückschlag eintreten. In ähnlichen Zeitläuften ist es unerläßlich, alle Tendenzen des Außenhandels sorgfältig zu verfolgen, um angesichts der ständigen Verschiebungen im internationalen Warenverkehr festzustellen, wo sich im Wandel des freien Europa sichere Grundlagen und labile Stellen befinden.

Seit dem Staatsvertrag nimmt auch in Österreich die überaus rasche Entfaltung des Außenhandels ihren Fortgang. Während vier Monaten, von Jänner bis April, ist das Volumen, gemessen an der gleichen Periode des Vorjahres, um 10,1 Prozent auf 22,76 Milliarden Schilling gestiegen: Allerdings haben sich die Importe um 12 Prozent, aber die Exporte nur um 7,6 Prozent erhöht. Das Passivum der Handelsbilanz war daher mit 3,1 Milliarden Schilling unverhältnismäßig hoch, jedoch zum größeren Teil abermals durch den valutarischen Reinertrag des ausländischen Fremdenverkehrs gedeckt. Solange sich die Zuwachsraten einigermaßen im Gleichgewicht befinden, besteht noch keine akute Gefahr, obwohl nach der stillen Reisesaison die Deckung des Notenumlaufs durch Gold und Devisen Ende Mai auf 87,7 Prozent gesunken ist, eine ernste Mahnung, die Struktur des Handelspassivums ständig im Auge zu behalten.

Die Exporte entwickeln sich stetig und systematisch ohne hektische Schwankungen, die ein Kennzeichen unsicherer Absatzgebiete sind. Außerdem verfügt Österreich dank seinem Reichtum an Wäldern, Erzen und Wasserkräften über eine Reihe von klassischen Gütern — wie Holz und Papier, Eisen und Stahl, Magnesit,

Walzmaterial und elektrischen Strom —, die für die Länder der EWG und EFTA unentbehrlich sind, zumal der sichere Grundstock von Jahr zu Jahr um einige andere Erzeugnisse verbreitert wird. Offen ist dagegen das Problem der geographischen Erweiterung der Absatzgebiete in fernen Ländern, darunter in den Vereinigten Staaten. Anderseits dienen wiederum viele Importe, besonders Kohle, Rohstoffe und Maschinen, dem eigenen Produktionsprozeß, aber mit der Hebung des Lebensstandards sind auch die privaten Ansprüche gewachsen. Natürlich bleibt die Motorisierung, die in den vergangenen Jahren ein bedenklich schnelles Tempo eingeschlagen hat, ein unvermeidlicher Prozeß. Im Vorjahr beanspruchte allein der Import von Personenkraftwagen einen Aufwand von 2,02 Milliarden Schilling, der weiterhin ansteigt. Von Jänner bis April wurden 25.816 Personenautomobile im Werte von 735,2 Millionen Schilling importiert. Davon kamen 89,6 Prozent aus der Wirtschaftsgemeinschaft.

Falsche Prognosen

Die Freihandelszone, deren zweite Zollermäßigung anfangs Juli in Kraft getreten ist, hat sich, wenigstens für Österreich, als ein durchaus taugliches Mittel zur Exportförderung bewährt. Handel und Industrie standen vor der Zwangslage, sich stärker als bisher um Skandinavien, Großbritannien und die Schweiz zu kümmern. Zwar verzeichnete von Jänner bis April die Ausfuhr einen Rückschlag nach England und Norwegen (— 59 Millionen), gleichzeitig allerdings eine Zunahme nach der Schweiz (+ 82,1 Millionen) und Schweden (+ 93,2 Millionen). Mit einiger Verspätung hat endlich die Werbung in Portugal eingesetzt. Das wichtigste Ergebnis, das der Warenliste zu entnehmen ist, bleibt jedoch die Tatsache, daß die Kassandrarufe aller Feinde der Zonenpolitik — Österreich werde durch seine handelspolitische Zusammenarbeit mit Skandinavien schwere Verluste bei Holz. Papier und Zellulose erleiden — sich als vollkommen unberechtigt erwiesen. Die Exportsteigerung bei Eisen, Stahl und Magnesit, Textilien, Kleidung und Industriemaschinen einschließlich Maschinen zur Metallbearbeitung ist natürlich und nicht weiter erstaunlich, durchaus überraschend dagegen die Konjunktur für elektrische Apparate, die man sowohl bei den Zonen-

exporten (+ 58,2 Prozent) als auch gegenüber der Wirtschaftsgemeinschaft (+ 74,8 Prozent) beobachtet. Die These der Opposition, der gesamte Export nach Frankreich, Italien und Westdeutschland wäre zum Verfall verurteilt, hat sich bisher in keiner Weise bewahrheitet; denn Industrien, Exporteure und Handelskammern unternahmen rechtzeitig gemeinsame Anstrengungen zur Verteidigung gegen die gefährliche Diskriminierung.

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