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Wir und die lahmende EWG

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Der Außenhandel unterliegt im laufenden Jahr manchen Wandlungen, so daß die reale Entwicklung den landesüblichen Theorien nicht mehr entspricht. Gleichzeitig beobachtet man im freien Europa eine Änderung der Voraussetzungen, die den Alleingang nach Brüssel erzwungen hatten, möge es sich nun um die erhoffte Assoziierung oder den angestrebten „Vertrag besonderer Art“ handeln. Die allseits gepriesene Dynamik der EWG steht nämlich im Begriff, zu erlahmen. Italien leidet an einer Wirtschaftskrise, Frankreich an einer Stagnation, Holland an der Teuerungswelle und Westdeutschland an den Sorgen wegen der künftigen Gestaltung seiner Handelsbilanz. Brüssel, die Zentrale der EWG-Integration, geriet infolge der ungelösten Agrarfragen und der gegensätzlichen Interpretationen zum Römer Vertrag in schwere innere Konflikte, deren Beilegung erst nach der Präsidentenwahl in Frankreich versucht werden kann.

Natürlich bleibt Österreich gewillt, die schädliche Diskriminierung zu beheben oder wenigstens zu mildern, entweder im Wege eines Handelsabkommens oder in Form eines Brückenschlags zwischen EFTA und EWG, dessen Aussichten sich täglich bessern. Die Klärung dieser Krisen, Verwirrungen und Enttäuschungen rund um die wirtschaftliche Integration des freien Europa benötigen aber Zeit, Geduld und Ausdauer. Österreich erlebte mittlerweile einen unerwarteten Aufschwung seiner Exporte, deren Tendenzen nicht mehr zugunsten der EWG oder der EFTA verlaufen, sondern zunächst in der Richtung der sogenannten Randstaaten und des europäischen Ostens, vor allem jedoch in der Richtung der überseeischen Staatenwelt

„Tendenzen 1965“

Unser Außenhandel nahm Im laufenden Jahr bisher eine sehr günstige Entwicklung. Ganz abgesehen von dem bemerkenswerten Wachstum des Gesamtvolumens, war die Zunahme der Importe (siehe Tabelle A), in Prozenten ausgedrückt, erstmals geringer als die Erhöhung der Exporte, eine durchaus neuartige Erscheinung, von der allerdings niemand wissen kann, ob sie von langer Dauer sein dürfte. Immerhin bestätigte dieses Symptom das Abklingen der einstigen Importschwemme. Bei den drei großen Staatengruppen — EFTA, EWG und Ostblock — verlief die Entwicklung gleichmäßig, während die Importe aus Ubersee stabil blieben und die Randstaaten, verursacht durch Spanien und Jugoslawien, einen Rückschlag erlitten. Außerdem war die Staatenordnung durch empfindliche Verluste der Vereinigten Staaten gekennzeichnet, eine Folge des Dockerstreiks und der sinkenden Einfuhren von Mais, Baumwolle und Steinkohle. Zugleich stützten sich Westdeutschland stärker als bisher auf Kupfer und Kunststoffe, Maschinen und elektrische Apparate, Italien bei rückläufigen Erölprodukten wiederum stärker auf Mais, Obst und Gemüse.

Nur mit HUfe der allergrößten Anstrengungen vermochte die Sowjetunion die Einbußen des Vorjahres auszugleichen. Bei stabilen Bezügen aus Schweden und Norwegen ruhten die Erfolge Skandinaviens auf Dänemark (+ 68 Prozent), getragen von einer Erhöhung bei Futtergerste und Sojabohnenöl. Nach der Warendrdnung begünstigte das milde Winterwetter eine Verringerung der Importe von Kohle und Wolle, dagegen die Konjunktur der Schwerindustrie eine Erhöhung der Bezüge von Eisen und Stahl, Erzen und NE-Metallen. Nach wie vor figurierten Kraftfahrzeuge auf der Importliste an der zweiten Stelle: Schon von Jänner bis März importierte Österreich 31.211 Personenautomobile (+ 21 Prozent).

Die Exporte (siehe Tabelle B) erreichten während fünf Monaten, von Jänner bis Mai, die ungewöhnlich lohe Zuwachsrate von 13 Prozent, aber durchaus nicht dank der EWG >der der EFTA, die durch die Wirtschaftskrise in Italien und die eidige Importabgabe Großbritanniens geschwächt erscheinen. Italien, las unter der Teuerung, den Streikwellen und zahlreichen Maßregeln !ur Rationalisierung leidet, ver-irsachte Ausfälle bei Holz und Maschinen, Eisen und Stahl, Alumilium und Metallwaren, gemildert freilich durch einen stark erhöhten Rinderexport. In Großbritannien ivar der Absatz von Walzmaterial, Maschinen und chemischen Produkten betroffen, während sich der Export von Molkereiprodukten ungemein günstig entwickelte. Aufsehen erregte die Zunahme der

Lieferungen nach Holland — getragen von elektrischen Apparaten, von Holz, Papier, Maschinen und Textilien —, aber auch der Export nach der Sowjetunion mit sehr hohen Zuwachsraten im Metallsektor sowie bei Maschinen und elektrischen Apparaten. Trotz der Diskriminierung Österreichs durch die EWG bewährte sich sogar der Absatz in Westdeutschland. Die Erfolge in Skandinavien stützten sich im laufenden Jahr vor allem auf das lebendige Interesse Finnlands und Dänemarks an österreichischen Waren. Zuletzt brachten die Randstaaten, die keiner der drei großen Wirtschaftsgruppen Europas angehören, durchweg Exportüberschüsse, besonders Spanien, Griechenland und Jugoslawien, ein hinreichender Anlaß für Handel und Industrie, dieser Staatengruppen künftig eine größere Aufmerksamder keit zu widmen.

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