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Merkmale der Konjunktur

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Die Darstellung stützt sich teilweise auf die Monatsberichte des österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung. Der Autor schuldet außerdem seinen Kollegen Dank für Informationen.

Die österreichische Wirtschaft wuchs im abgelaufenen Jahr beträchtlich langsamer als 1964. Damals war das Bruttonationalprodukt real um 6 Prozent gewachsen, während es 1965 über 3 Prozent nicht weit hinauskommen wird. Damit würde nicht einmal eine — auch im Vergleich mit den westlichen Industrieländern — mittlere Wachstumsrate erreicht werden. Das ist um so bedauerlicher, als Österreich zu den ärmsten der westeuropäischen Staaten mit einem großen „Nachholbedarf” an Wirtschaftswachstum zählt.

Das langsamere Wachstum wurde natürlich in hohem Maße durch die Wetterkatastrophen im vergangenen Jahr verursacht. Große Pro- duktionsausfälle entstanden in der Landwirtschaft und im Baugewerbe. Der reale Rohertrag der pflanzlichen Produktion dürfte nach Schätzungen des österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung um 25 Prozent unter dem Wert des Jahres 1964 liegen, in der Bauwirtschaft ist die Produktion zwar um etwa eineinhalb Prozent gestiegen, doch fällt dieser Zuwachs gegenüber den zehn Prozent des Jahres 1964 sehr klein aus. Darunter mußten auch die vorgelagerten Wirtschaftszweige leiden. Diese wetterbedingten konjünkturdämpfenden Einflüsse wurden noch durch einen sich im Laufe des Jahres abzeichnenden Umschwung im Lagerzyklus verschärft. Zwar vergrößern die Verarbeiter und Händler im allgemeinen auch weiterhin ihre Lagerbestände an Rohstoffen und Fertigwaren, doch verlangsamte sich die Zunahme ab Jahresmitte deutlich. Das schlechte Wetter wirkte sich auch auf die Investitionen aus. Besonders im zweiten Quartal wurde in der Bauwirtschaft weit weniger investiert als im vorangegangenen Jahr. Die maschinellen Investitionen zeigten .ebenfalls keine starken expansiven Tendenzen. Im weiteren Jahresverlauf zeichnete sich allerdings eine gewisse Investitionsbelebung ab.

Bedeutung des Exports

Die österreichische Konjunktur wurde in erster Linie vom Export gestützt. Dieser erreicht ebensohohe Zuwachsraten wie im Hochkonjunkturjahr 1960. Besonders Fertigwaren und darunter Investitionsgüter sowie technische Konsumgüter wurden in verstärktem Umfang ausgeführt. Die Bedeutung des Exports für die Konjunkturentwicklung erhellt sich aus der Tatsache, daß etwa zwei Drittel des industriellen Produktionszuwachses im Ausland abgesetzt werden konnten. Regional weitete sich der Export in die Entwicklungsländer und die Oststaaten weit stärker aus als in die EWG oder EFTA. Diese Ausweitung wurde zu einem Teil durch österreichische Kredite ermöglicht, in erster Linie jedoch durch Abschluß neuer Handelsverträge mit den Oststaaten, die ein hohes Austauschvolumen vorsehen. Auch der private Konsum trug während des ganzen Jahres zum Wirtschaftswachstum bei. Es wurde real um etwas weniger als fünf Prozent mehr konsumiert als 1964. Die gesteigerte Nachfrage wurde auch nicht durch den starken Preisauftrieb des Sommers eingeschränkt. Offenbar wird der Konsum auf Kosten des Sparens begünstigt.

Trotz einer gewissen Belebung gegen Ende des Jahres 1965 sind die Aussichten für 1966 durchaus mäßig. Zwar sollte ein normales Wetter die Produktionsausfälle des abgelaufenen Jahres in der Landwirtschaft und im Baugewerbe vermeiden und damit das Bruttonationalprodukt sozusagen automatisch um ein Prozent steigern, doch wirken die konjunkturdämpfenden Einflüsse weiterhin — und teilweise in verstärktem Ausmaß — fort. Die Tendenz abnehmender Lagerzuwächse dürfte zumindest bis zur Mitte des nächsten Jahres anhalten. Dementsprechend zurückhaltend sind die Investitionsabsichten der Unternehmer. Vor allem die Industrie plant 1966 zunächst geringere maschinelle Investitionen als 1965. Obwohl höhere Investitionen in die Infrastruktur erwartet werden können, dürfte sich in ihrer Gesamtsumme keine nennenswerte Steigerung ergeben. Gewisse Auftriebskräfte könnten vom privaten Konsum her zu erwarten sein. Er dürfte etwas stärker zunehmen als im vergangenen Jahr. Diese Zunahme laßt sich allerdings nur bei sinkender Sparquote oder höherer Verschuldung annehmen, da die Masseneinkommen kaum expandieren werden. Im vergangenen Jahr nahmen die Lohneinkommen rascher zu, als dem langjährigen Durchschnitt entsprach. Es ist daher eher mit einem geringeren Zuwachs zu rechnen. Auch die sogenannten Transfer- einkommen, also die Sozialleistungen, werden trotz der Pensionsdynamik nicht sehr viel stärker steigen, da auch 1965 die Pensionen namhaft erhöht wurden.

Wieweit der Export weiterhin in der Lage ist, die Konjunktur zu stützen, hängt teilweise davon ab, ob den Entwicklungsländern künftig entsprechende Kredite gewährt werden. Die Exporte in die EWG und EFTA dürften vor allem unter der abflauenden Stahlkonjunktur leiden. Solange sich die internationale Konjunktur günstig entwickelt, ist mit keinem schweren Rückschlag auf dem Gebiet des Exports zu rechnen, doch könnten sich 1966 verringerte Zuwachsraten ergeben.

Bescheidenes Wirtschaftswachstum

Die Entwicklung der verschiedenen für die Konjunktur wichtigen Größen läßt daher im nächsten Jahr nur ein recht bescheidenes Wirtschaftswachstum erwarten, das über dreieinhalb Prozent kaum hinausgehen wird. Obwohl das langsamere Wachstum der letzten Jahre nahezu alle Staaten der Welt charakterisiert, ist der Rückfall Österreichs, das lange Zeit überdurchschnittlich expandiert hatte, bedenklich. Diese Tendenz scheint nicht nur konjunkturell bedingt zu sein. Das verlangsamte Wirtschaftswachstum läßt die strukturellen Mängel der österreichischen Industrie stärker hervortreten. Der Anteil der Produktionszweige mit geringen Expansionschancen ist groß, die Zahl der Betriebe in den sogeannten „Wachstumsindustrien” gering. Die Betriebsgrößen scheinen in vielen Fällen unzureichend, ebenso wie häufig schlechte Standorte bei Betriebsgründungen gewählt wurden. Dazu kommt Verschwendung an Investitionskapital in der Landwirtschaft und in den verstaatlichen Betrieben (worauf auch der ständig geforderte Energieplan hinausliefe). All das wirkt wieder auf das Wirtschaftswachstum bremsend zurück. In Anbetracht des Umstandes, daß sich — mit wenigen rühmenswerten Ausnahmen — keine Änderung abzeichnet, läßt auch ein Bück in die weitere Zukunft keinen übermäßigen Optimismus zu.

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