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Verfrühte Hoffnung:

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Sehnlichst wartet die Industrie auf den Aufschwung. Die Anzeichen sind jedoch spärlich. Der schwache Frühherbst läßt wenig Hoffnung.

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Sehnlichst wartet die Industrie auf den Aufschwung. Die Anzeichen sind jedoch spärlich. Der schwache Frühherbst läßt wenig Hoffnung.

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Einige Angaben der letzten Wochen könnten als positive Signale für allmähliche wirtschaftliche Erholung angesehen werden. Die letzte Konjunkturumfrage in der Industrie läßt eine geringfügig bessere Auftragslage und da und dort auch leicht steigende Produktion erkennen - freilich bei kaum veränderten, schlechten Preisen und nach wie vor abnehmender Beschäftigung von Arbeitnehmern. Immerhin glauben zwei Drittel der Unternehmer, der „Boden” sei jetzt erreicht. Erhard Fürst, Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der Industriellenvereinigung, meint, der Abwärtstrend der Konjunktur scheine gebrochen zu sein. Aber noch gebe es keine Anhaltspunkte für einen beginnenden Aufschwung der Wirtschaft.

Überkapazitäten

Freilich ist die Lage von Branche zu Branche recht unterschiedlich. Die Grundstoffindustrien, Stahl wie auch Nichteisenmetalle, klagen nach wie vor über schlechte Marktlage, ebenso die chemische Industrie sowie die Textil- und Bekleidungsfabriken. Leicht ansteigende Auftragseingänge der Maschinen- und Stahlbauindustrie können als Hoffnungsschimmer gewertet werden, auch bei Eisen- und Metallwaren ist „vielleicht” eine geringe Besserung erkennbar. Die schwer notleidende Sägeindustrie glaubt an einen spürbaren Aufschwung bestenfalls im späten Frühjahr. Die Papierverarbeiter meinen, bessere Auftragseingänge seien kaum vor der nächsten Jahres-mitte zu erwarten; derzeit sei man um die Durchführung von Kosten-straffungsprogrammen bemüht, eine verstärkte Investitionsbereitschaft sei vorerst nicht gegeben.

Noch nicht aufzuatmen wagt man in der Papierindustrie, wo die sehr schlechte Lage vor allem auf die weltweiten Überkapazitäten zurückgeführt wird - ein Hinweis darauf, daß die verbreitete Wirtschaftsschwäche der letzten zwei Jahre nicht nur konjunkturbedingt ist, sondern in den meisten Branchen auch als Strukturproblem angesehen werden muß.

In der Elektro- und Elektronikindustrie hatte man noch vor einigen Wochen gehofft, daß sich Anzeichen einer Besserung vielleicht zu Beginn des kommenden Jahres zeigen würden; jetzt zweifelt man an einer so baldigen Erholung. Auch in dieser Branche ist man überzeugt, daß die Konjunkturkrise von Strukturschwächen überlagert wird. Weil die Kostenfrage aber jetzt im Vordergrund steht, wartet man auch mit Investitionsentscheidungen zunächst ab. Das schließt nicht aus, daß sich im späteren Verlauf des Jahres 1994 doch eine entschlossene Hinwendung zu längst fälligen Investitionen ergeben kann.

Es ist aber ganz allgemein in der Industrie fraglich, ob auch die niedrigen Kreditzinsen dafür Anstöße geben können. Verantwortungsbewußte Unternehmer treffen ihre Investitionsentscheidungen nach der Beurteilung der Marktentwicklung; günstige Zinsen können da bestenfalls etwas nachhelfen.

Der Wettbewerb aus dem östlichen Mitteleuropa wird sich noch verstärken. Darauf wird man sich zwangsläufig einstellen müssen. Die Verlagerung einzelner Produktionen in die östlichen Nachbarländer wird weitergehen, doch kann sich das auch als Auftriebsfaktor für die in Osterreich verbleibenden Erzeugungssparten erweisen, zumal damit oft eine Konzentration auf höherwertige Produkte verbunden ist.

Zwei Faktoren können nach der Meinung mancher Beobachter zur Hoffnung auf einen Aufschwung schon in der ersten Jahreshälfte 1994 berechtigen. Der Inlandskonsum, auch heuer eine Stütze mancher Branchen (was zum Beispiel der Nahrungs- und Genußmittelindustrie zugutegekommen sein dürfte), könnte, den Prognosen zufolge, im kommenden Jahr spürbar zunehmen (siehe Seite 14).

Aber man soll da die Erwartungen nicht zu hoch schrauben, denn die Hoffnungen, die man in diesem Zusammenhang in die Steuerreform setzt, köiinten auch enttäuscht werden. Nicht nur einige öffentliche Tarife (Bahn, Post, öffentliche Verkehrsmittel in Wien, vielleicht auch Strom) steigen ja an; vor allem haben auch die meisten Gemeinden ihre Gebühren (Wasser-, Abfallwirtschaft) zum Teil drastisch erhöht, was sich natürlich auf die Kaufkraft und die Kaufbereitschaft der Bevölkerung negativ auswirken wird. Vielleicht sitzt aber manchen Konsumenten angesichts der uninteressant gewordenen Sparzinsen das Geld etwas locker; das könnte den Absatz von Verbrauchsgütern beleben.

Zum zweiten hofft die Industrie, daß die Exporte nun doch wieder anziehen werden. Die Konjunkturumfrage vom September hat da freilich noch wenig Zuversicht erkennen lassen. Immerhin erwartet jedoch die Bauindustrie für 1994 neuerlich (wenn auch geringer) steigende Erträge, was nicht zuletzt ihrem intensiven Engagement in den früher kommunistischen Ländern zu danken sein könnte. Für die Warenausfuhr generell verweist man auf die Konjunkturbesserung in den USA, die auch schon in vermehrten Exporten dorthin ihren Niederschlag fand. Von der amerikanischen Erholung könnte auch Europa allmählich profitieren.

Die jüngsten Konjunkturprognosen aus Deutschland widerlegen die noch vor kurzem verbreitete Meinung jener, die dort schon positive Frühindikatoren vermutet haben wollten. Bereits Anfang November wurde bei einem internationalen Managerkongreß der OECD in Paris die Ansicht vertreten, daß Deutschland keine Chance habe, vor der Jahresmitte 1994 die Bezession hinter sich zu lassen. Frankreichs Prognoseinstitute strahlen jetzt etwas Optimismus aus, wobei abzuwarten bleibt, wie weit das schon reale Gründe hat; angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der Debatte über eine vorübergehende Einführung der Vier-Tage-Woche in der französischen Industrie könnte dabei auch Stimmungsmache der Pariser Stellen mitspielen.

Impuls durch Gatt

Sollte es Mitte Dezember endlich zu einer Grundsatzeinigung über die Uruguay-Bunde des GATT mit weltweitem Abbau von Zöllen und sonstigen Handelshemmnissen kommen, dann könnte das zweifellos den europäischen Industrien und damit auch dem Export aus Österreich Auftrieb geben.

Die in der österreichischen Industrie keimende Hoffnung, daß man schon in der ersten Jahreshälfte 1994 eine Erholung verspüren werde, steht somit vorläufig noch auf schwachen Beinen. Das Licht am Ende des Tunnels, das manche schon jetzt zu sehen glauben, könnte sich als eine vom Wunschdenken getragene Sinnestäuschung erweisen.

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