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Aufschwung in den USA

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Seit langem warten Politiker und Prognostiker auf eine Belebung der US- Wirtschaft. Dann würde auch Europas Wirtschaft wachsen. Die jüngsten Entwicklungen schildert der folgende Bericht.

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Seit langem warten Politiker und Prognostiker auf eine Belebung der US- Wirtschaft. Dann würde auch Europas Wirtschaft wachsen. Die jüngsten Entwicklungen schildert der folgende Bericht.

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Während man in Europa offenbar an den amerikanischen Konjunkturaufschwung noch nicht so recht glauben will, gibt es in den USA heute nicht mehr den geringsten Zweifel, daß die Rezession mit der Jahreswende 1982/83 zu Ende ging. Der alte Kontinent wartet scheinbar noch immer auf kräftigere Lebenszeichen der amerikanischen Wirtschaft.

Demgegenüber gilt die Sorge der Verantwortlichen in den USA

längst nicht mehr der Frage, ob der „boom“ kommt oder nicht, Sondern vielmehr zwei anderen Fragen, nämlich, wie kräftig der Aufschwung werden wird, sobald er sich voll entfaltet und wie lange er dauern wird, bevor die nächste Stagnation oder Rezession einsetzt.

Zwei Jahre lang, beginnend mit dem zweiten „Erdöl-Schock“ im Jahre 1979, hatte die amerikanische Wirtschaft stagniert und anderthalb Jahre lang, nämlich von Mitte 1981 bis Ende vorigen Jahres, dauerte die schlimmste und längste Rezession, die das Land seit einem halben Jahrhundert, nämlich seit der’Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre, erlebte.

Als erster Vorbote begann sich die Börse wie nach einem langen, tiefen Schlaf zu regen. Von Mitte August bis Ende 1982 erzielte sie Kursgewinne wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Und wie jedesmal, so bewährte sich der Aktienmarkt auch diesmal wieder als das verläßlichste Barometer, das mit seismographischer Empfindlichkeit den „boom“ vięr bis fünf Monate bevor er begann, ankündigte.

Seither reißen die Nachrichten, die auf eine lange anhaltende Erholungsphase der amerikanischen Wirtschaft schließen lassen, nicht mehr ab. Zwei- bis dreimal wöchentlich werden Daten bekannt, die erhärten, daß sich die USA im fünften Monat eines zwar nicht sehr vehementen, dafür aber umso solideren Aufschwunges befinden.

Als im Jänner die Arbeitslosigkeit um 590.000 Personen zurückging—ein sensationelles Ergebnis für einen einzigen Monat — drang diese Meldung in mehreren europäischen Ländern kaum an die Ohren der Öffentlichkeit. Warum wohl? Paßte sie vielleicht nicht in die alte Litanei, daß konservative Regierungen ä la Thatcher oder Reagan nur Massenarbeitslosigkeit und Elend mit sich bringen?

Aber nicht nur der Rückgang der Arbeitslosigkeit, sondern auch unzählige andere Indikatoren deuten auf eineh Aufschwung hin. Im Laufe der~letzten Tage sind wieder einige Kennzahlen bekannt geworden, die durchaus zu Optimismus berechtigen.

Die Verbraucherpreise schwankten im ersten Quartal um Null (Jänner +0,2 Prozent, Februar -0,2, März +0,2), eine hochwillkommene Entwicklung nach mehreren Jahren zweistelliger Inflationsraten. Dieser Erfolg kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn die Inflation ist nicht nur die „grausamste Steuer, die es gibt“ (Ronald Reagan), sondern sie hat auch zum Höhenflug der Zinsen entscheidend beigetragen.

Die hohen Zinsen aber waren — und sind noch immer - der stärkste Hemmschuh für einen kräftigen Konjunkturaufschwung. Es ist daher von entscheidender Be-

deutung, daß es der Regierung jetzt, nach Auslöschen des inflationären Brandherdes, gelingt, auch die Inflationserwartung zu brechen, was ihr übrigens bis zu einem gewissen Grad schon ‘gelungen ist.

Die Gesellschafts-Gewinne — das Wort Gewinn ist in den USA zum Unterschied von einigen anderen Ländern kein „dirty word“! — sind nach ersten Schätzungen des Instituts für Wirtschaftsprognose an der Georgia State Uni- versity, gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um zwölf Prozent gestiegen.

Im März war zum siebenten Mal innerhalb der letzten sieben Monate der kombinierte Index führender Wirtschafts-Indikatoren ansteigend, er ist also neben dem Börsen-Indöx das einzige Frühbarometer. In den ersten drei Monaten zeigte er folgendes Bild: Jänner -(-3,2 Prozent, Februar +1,4 und März +1,5. Was uns dieser Index also sagt, ist, daß der Aufschwung andauern wird.

Sehr ermutigend sid die neuesten Verlautbarungen des Federal Reserve Board, also der Notenbank, betreffend die jüngste Entwicklung des Geld-Umlaufes. Danach ging diese wichtige Kennziffer in der zweiten Aprilwoche um drei Milliarden Dollar und in der dritten Aprilwoche um weitem re zwei Milliarden Dollar zurück.

Wie auch nach früheren Rezessionen hat der private Konsum in den ersten Monaten des Aufschwunges kaum zugenommen. Die Konsumsteigerung ist aber eine unerläßliche Voraussetzung für ein weiteres Wachstum der eben erst angesprungenen Konjunktur. Nun kommt auch von dieser Seite gute Nachricht: Auf Grund der höheren Verkaufszahlen bei Personenautos und basierend auf einer Umfrage beim Einzelhandel ist die Nachfrage im April laut Chase Econometrics beträchtlich gestiegen.

Es soll hier aber keinesfalls der Eindruck vermittelt werden, daß der Konjunktüraufschwung alle Probleme aus der Welt geschafft hat. Das Kernproblem der amerikanischen Wirtschaftspolitik, das bis dato ungelöst ist, sind die viel zu großen Löcher im Staatshaushalt: In den nächsten Jahren werden sich die Budgetdefizite auf jeweils über 200 Milliarden Dollar belaufen. Das ist zwar, gemessep am Brutto-Inlandsprodukt, nicht mehr als in den meisten anderen Industriestaaten, jedoch ist die hohe Nachfrage des Bundes nach Krediten ein wichtiger, wenn nicht der entscheidende Faktor, der ein weiteres Absinken der Zinsen verhindert.

Genau das wäre aber notwendig, um dem Aufschwung Dauer zu verleihen. Daß die Arbeitslosigkeit noch immer bei zehn Prozent liegt und bis Jahresende bestenfalls auf neun Prozent sinken wird, ist ebenfalls ein Problem ersten Ranges.

Wie wird es mit dem amerikanischen Konjunkturverlauf weitergehen? Die meisten Fachleute erwarten, daß er zumindest bis Ende 1984 andauern wird. Die Reagan-Administration erwartet für heuer ein reales Wachstum von 4,7 Prozent, der Conference Board ist mit 2,4 Prozent für heuer und 4,1 für nächstes Jahr etwas vorsichtiger.

Freilich vermag niemand, weder das raffinierteste ökonometrische Modell noch der berühmteste Nobel-Preisträger, den weiteren Verlauf der Konjunktur vorauszusagen, denn die wirtschaftliche Zukunft ist keine Straße, die vor uns liegt, sondern ein Buch, das erst geschrieben wird.

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