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Geduld und gute Nerven

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Die Verhaltensweisen der Börsenfachleute haben sich in den letzten Jahrzehnten kaum geändert: Offiziell wird Optimismus ausgestrahlt, hinter vorgehaltener Hand macht man dagegen ln Skepsis. 1975 will man mit optimistischen Prognosen über die Entwicklung der internationalen Aktienbörsen die Kapitalanleger zum Aktienkauf animieren und verweist dabei auf notorisch niedrige Kurse zwischen New York und Frankfurt, gleichzeitig bangt man aber vor schweren politischen und wirtschaftlichen Gewitterfronten, die die Kurse noch tiefer drücken müßten.

Tatsächlich sind im vergangenen Jahr die Kurse gefallen wie nie zuvor in den letzten drei Dezennien: An der Londoner Börse belief sich der Rückgang auf 52 Prozent, in Paris gingen die Aktienkurse um 36 Prozent zurück, in Zürich um 32 Prozent und in New York und Toronto um je 27 Prozent. Vergleichsweise gering war der Kursverfall in Amsterdam (— 19 Prozent), in Mei- land (— 16 Prozent) und in Tokio (— 9 Prozent). Die große Ausnahme unter den internationalen Börsenplätzen war der bundesdeutsche Aktienmarkt: Dort wurden die verhältnismäßig geringfügigen Verluste in den ersten zehn Monaten des Jahres 1974 seit November wieder aufgeholt. Unterstellt man, daß die Börsen die wirtschaftliche Entwicklung des nächsten halben Jahres in der Regel vorwegnehmen, so ergäbe das für die Bundesrepublik Deutschland recht günstige Aussichten von Mitte 1975 an.

Die Wiener Börse spielt im internationalen Geschehen eine völlig unbedeutende Rolle. Das ist eine Folge der Unternehmensstrukturen in Österreich, aber auch der manipulativen „Kurspflege” der halbstaatlichen Großbanken. Wie dem auch sei, in Wien kann man nicht viel verlieren, weil es auch nicht viel zu gewinnen gibt. In Österreich hält man sich besser an steuerbegünstigte, festverzinsliche Anleihen, die bei einer Bindungsdauer von durchschnittlich sieben Jahren bis zu 12,5 Prozent Rendite abwerfen. So man aber keine verhältnismäßig großen Beträge zur

Anlage in Wertpapieren einsetzen kann, sind das Bau- und Prämiensparen (bei einer Bindungsdauer von 4 bis 6 Jahren und Jahresrenditen zwischen 10 und 17 Prozent) zu bevorzugen. Das recht unübersichtliche System der österreichischen Sparförderung erlaubt es einer Familie mit einem Kind, jährlich bis zu 350.000 Schilling steuerbegünstigt anzulegen.

Will man tatsächlich bei Aktienspekulationen etwas verdienen, so empfiehlt es sich, die Aktie als kurzfristige Anlage anzusehen und so kurzfristige Kursschwankungen auszunützen. Die Chancen dafür scheinen nicht schlecht zu sein, doch was heißt das schon! Aktienkäufe sind in erster Linie eine Frage des Gefühls, dann wieder des Gefühls und zuletzt erst eine Frage der Unternehmensbeurteilung. Alte Börsenkehner meinen: „Bei schlechten Börsen fallen auch die besten Wertpapiere, und selbst die minderwertigsten Aktien steigen bei guten Börsen”.

Gold und Silber.

In den letzten Tagen des Jahres 1974 erreichte der Goldpreis eine neue’Rekordhöhe. Zuletzt wurde das Kilo Barrengold in London und New York mit rund 115.000 Schilling gehandelt. Dieser Preis war insofern künstlich hochlizitiert, als die internationale Goldlöbby die Spekulation mit dem Argument, daß die Amerikaner nach dem 1. Jänner 1975 groß in Goldkäufe einsteigen würden, anheizten. Tatsächlich aber fiel der f

Goldpreis in den ersten Jännertagen gleich um 10 Prozent. Dennoch dürften bei Gold schon mittelfristig Gewinnchancen wahrscheinlich sein. Immerhin wurde die Goldpreisrekordmarke des Jahres 1974 von seriösen Fachleuten schon vor mehr als einem Jahr recht exakt prophezeit. Derzeit wird eine Goldpreissteigerung für das Jahr 1975 von zwischen 30 und 70 Prozent vorher gesagt.

Offiziell darf in Österreich Barrengold nicht angelegt werden. Anderseits zählt Österreich mit dem vermuteten Goldbesitz in privaten Händen zu den goldreichsten Staaten der Welt. Hier ist sehr viel Tradition mit im Spiel, aber auch das hervorragende Angebot an relativ preiswerten österreichischen Goldmünzen. Wie sich überhaupt Goldmünzenkäufe mehr und mehr zur Goldanlageform des kleinen Mannes entwickelt haben. In der Vorweihnachtszeit wurden Umsätze von Dukaten, Kronen, Kruger-Rands, Napoleons, Sovereigns und Vrenelis wie nie zuvor getätigt. Und erst recht florierte das Geschäft mit Silbermünzen, deren Preise sich unabhängig vom ständig schwankenden Marktpreis für Rohsilber ständig nach oben entwickeln. Kaum war die 100-Schilling- Silbermünze ausgegeben, wurden dafür auch schon von Münzhandlungen Preise bis zu 110 Schilling bezahlt. Im Hinblick darauf, daß es sich dabei um die erste 100-Schilling-Münze in der Zweiten Republik handelt, ist mit einem weiteren Ansteigen der Olympia-Münze zu rechnen. Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei den anderen drei 100-Schilling-Mün- zen, die in diesem Jahr geprägt werden, jedenfalls dann zu erwarten, wenn die Auflage unter drei Millionen Stück liegt.

Der besonders vorsichtige, aber auch kaufkräftige Anleger wird einen Teil seines Portefeuilles für Diamantenkäufe, wofür freilich ein Einsatz von mindestens 100.000 Schilling erforderlich ist, reservieren. Dazu bedarf es allerdings hervorragender Sachkenntnis oder der Beratung durch seriöse Fachleute. Seit 1935 sind die von der Central-Selling-Or- ganisation festgesetzten Preise, von saisonalen Schwankungen in den Sommermonaten abgesehen, noch nie zurückgegangen. Vielmehr freuten sich die Diamantenbesitzer über Wertsteigerungen, die im Schnitt der letzten zwanzig Jahre mindestens das Doppelte der Infiationsrate ausmachten.

Anlagepolitik 1975 wird viel Geduld und gute Nerven erfordern. Wer beides besitzt und — selbstredend — Geld dazu, dürfte, unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung, ohne Schaden davonkommen. Für Gewinne wird es mehr brauchen. Eine große Portion Glück!

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