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Steuererhöhungen unvermeidlich?

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Nun vermag auch der aus wahlpolitischen,Gründen zu sonnigem Optimismus verpflichtete, Bundeskanzler Kreisky keinen Silbersfreif am wirtschaftlichen Horizont,Österreichs zu erkennen; die Konjunkturschwalben sind ausgeblieben und werden so leicht bestimmt nicht wiederkehren, gespannte Erwartungen sind der Enttäuschung-gewichen.

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Nun vermag auch der aus wahlpolitischen,Gründen zu sonnigem Optimismus verpflichtete, Bundeskanzler Kreisky keinen Silbersfreif am wirtschaftlichen Horizont,Österreichs zu erkennen; die Konjunkturschwalben sind ausgeblieben und werden so leicht bestimmt nicht wiederkehren, gespannte Erwartungen sind der Enttäuschung-gewichen.

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Gewiß, die Inflationsrate ist im April ein wenig zurückgegangen (liegt aber derzeit über dem europäischen Durchschnitt) und die Arbeitslosigkeit ist jedenfalls kein unmittelbares wirtschaftspolitisches Problem. Unter dem politischen Druck von Gewerkschaftsbund und Bundesregierung halten Großunternehmungen etwa in der verstaatlichten Industrie einen kostenintensiven und unterbeschäftigten Personalstand, da und dort werden Kurzarbeit und -Urlaub verhängt, man sitzt auf hohen Lagerbeständen und lebt auf Vorschuß.

Ein scharfer Rückgang der ausländischen Nachfrage nach österreichischen Produkten, gekoppelt mit einer recht einseitigen Binnen-Nachfrage nach importierten Produkten (Personenkraftwagen) und billigen Auslandsurlauben hat jede Hoffnung erstickt, daß Österreichs Wirtschaft noch in diesem Jahr aus der Talsohle gelangen werde. Dazu gesellen stich unvermindert hohe Lohnforderungen, die infolge des Machtpotentials der Gewerkschaften auch ohne große Schwierigkeiten realisiert werden können.

Auf diese Weise werden weiterhin die Grenzen der Belastbarkeit der österreichischen Wirtschaft studiert. Obwohl rund 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung Gefahren für die Arbeitsplätze zu erkennen glauben, existiert noch kein tiefes Gefühl der Krisenangst. Reden hoher Regierungs- und Gewerkschaftsfunktionäre liegen der Bevölkerung noch dm Ohr, man vertraut der Allmacht der Bundesregierung und riskiert nur gelegentlich einen zumeist verschwommenen Blick auf die wirtschaftlichen Realitäten.

Leere Bundeskassen und eine progressiv steigende Staatsverschul-dung haben den wirtschaftspolitischen Spielraum der Bundesregierung stark eingeengt. Finanzminister Androsch steht heute vor zahlreichen Problemen mit einer Budgetpolitik, nur noch Optimisten in seinem Ministerium hoffen, daß in diesem Jahr das Budgetdefizit unter

30 Milliarden Schilling liegen werde (vor knapp fünf Jahren meinte Bundeskanzler Kreisky, daß 9-Milliar-den-Budgetdefizite „ein Wahnsinn“ seien, so ändern sich die Zeiten). Androschs Bemühungen konzentrieren sich zur Zelit darauf, im In- und Ausland zu vernünftigen Bedingungen Kredite zu erhallten und in sedner Partei und in der Öffentlichkeit um Verständnis für seine Absicht, den Mehrwertsteuersatz um 2 Prozent auf 18 Prozent anzuheben, zu werben. Kreiskys Lieblingsgedanke, eine Art Luxussteuer einzuführen, bat sich als unrealisierbar und unergiebig erwiesen. In Expertenkreisen fürchtet man zudem, daß eine breite Diskussion über eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes ungünstige konjunkturelle Auswirkungen haben müßte. Denn solange Unternehmer und Konsumenten in der' Flaute segeln und mit einer höheren Mehrwertsteuer rechnen, wird diese Erhöhung ihren Willen zum Aufschwung nicht eben fördern. Wird eine Steuererhöhung aber erst einmal beschlossen (und nach dem 5. Oktober muß damit — wer immer gewinnt — gerechnet werden), könnte das Publikum sie mit einer Einschränkung des Konsums quittieren. Im übrigen aber glaubt man, daß eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes dem Finanaminister nur einen kleinen Teil dessen bringen würde, was er zur Sanierung der Staatsfinanzen tatsächlich braucht. Schon heute spricht man in Kreisen des Finanzministeriums recht offen von der Notwendigkeit, auch eine Lohn- und Einkommensteuererhöhung per 1. Jänner 1976 vornehmen zu müssen.

Hinter den Parteikulissen regnet es daher offene Vorwürfe, die in der Forderung gipfeln, Finanzminister Androsch nach dem 5. Oktober aus dem politischen Verkehr zu ziehen. Besonders ÖGB-Präsident Behya soll sich in dieser Frage aggressiv verhalten. Tatsache ist, daß Androsch auch von der SPÖ Tirol keinen Termin für einen Wahlkampfauftritt erhalten hat.

Trotz einer Diskontsatzsenkung

hat sich die Kreditnachfrage'der Unternehmer und Verbraucher kaum belebt. Was noch vor Monaten als undenkbar galt, Bankenwerbung für Kredite, ist heute ökonomische Wirklichkeit. Doch niemand will anbeißen. Die Sparneigung der privaten Haushalte steigt munter weiter, die Investitionsneigung der Unternehmer ist angesichts unsicherer Erwartungen über die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung nach wie vor schwach ausgeprägt. Beide Entwicklungen lassen auch in den nächsten Monaten einen leichten Rückgang des Verbraucherpreisindex erwarten.

Die Bedingungslosigkeit, mit der die Bundesregierung derzeit eine Wirtschaftspolitik des Beruhigens nach allen Seiten verfolgt, läßt erwarten, daß auch günstige Ansätze der Rezession verschüttet werden. Ungesunde Entwicklungen in der letzten Hochkonjunktur liegen nun auf dem Eis und warten darauf, von den ersten Sonnenstrahlen der Konjunktur aufgetaut zu werden. Auf diese Weise werden heute schon in den nächsten Aufschwung Störeffekte getragen, die an der Basis der wirtschaftlichen Entwicklung nagen, So dürfte der nächste Aufschwung, mit dem nicht vor Mitte 1976 zu rechnen ist, auf einem sehr hohen Inflationssockel ablaufen. Dadurch würde schon heute seine Intensität und Dauer sehr begrenzt werden. Auch in der Wirtschaftspolitik muß man eben Fehler der Vergangenheit bezahlen.

Ho-ruck in eine gute Zukunft — das ist ein guter Wahlslogan: ho-ruck populär, aber nicht zu vulgär, die gute Zukunft schön bescheiden, kein Superlativ — das Psychölogen-team, das sich dieses Plakat ausgedacht hat, kann zufrieden sein. Und auch das Bild dazu ist eindrucksvoll. Eine Gruppe zieht an einem Tau... ein Ruck noch am 5. Oktober, und schon bewegt sich das, was wir am anderen Tau-Ende nicht sehen, nur vermuten, in die gewünschte Richtung.

Nur ein kleiner Schönheitsfehler muß notiert werden. Diese ' gewünschte Richtung ist: nach rechts. Ob es die anderen Parteien sind, ob es das Staatsschiff ist, an dem da gezogen wird: die SPÖ zieht mit Ho-ruck nach rechts in die gute Zukunft.

Gewiß, Kreisky ist bürgerlich — gewiß, die gute Zukunft nach dem 5. Oktober liegt für etliche Wähler in einem Ruck, der den Linksruck der letzten Wahlen rückgängig macht — aber daß die SPÖ selbst für einen Ruck nach rechts wirbt... wer hätte ihr soviel uneigennützige Selbstkritik zugetraut?

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